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Es ist eine der wenigen wirklich positiven Reformen, die sich im Koalitionsabkommen der österreichischen Dreierkoalition findet. Zwar ist sie bisher noch nicht umgesetzt. Das soll angeblich aber nun bald erfolgen (auch wenn man erst wirklich daran glauben sollte, wenn es im Bundesgesetzblatt steht). Ihr Kern: Die Landeshauptleute verlieren bei der Besetzung der jeweiligen Landesdirektoren ihr Mitspracherecht. Das kann gleich doppelt von Vorteil für die Österreicher werden.
Der erste große Vorteil: Sobald der Landeshauptmann nicht mehr bestimmen kann, wer Landes-Chef beim ORF wird, sobald er vor allem nicht mehr über die Verlängerung eines Vertrags bestimmen kann, also über Belohnung oder Bestrafung der Berichterstattung, könnten die Bundesländersendungen im ORF – im Radio wie Fernsehen – von reiner Landeshauptleute-PR zu journalistisch-kritischen Programmen mutieren. Dann könnte die Berichterstattung über das jeweilige Bundesland endlich journalistisch, unabhängig und distanziert werden.
Gewiss: Die jeweiligen Redaktionen sind aus der Vergangenheit so einseitig geprägt, dass eine wirkliche Veränderung der Berichterstattung nur in sehr langsamen Schritten zu erwarten ist, geht es doch etwa im Radio (und TV) Wien quer durch die ganze Mannschaft knallrot zu; in Niederösterreich hingegen tiefschwarz.
Gewiss: Die Bundesländer werden weiterhin durch ihre Budgetmittel Einfluss zu nehmen versuchen, sie werden finanziell attraktive Kooperationen anbieten, sie werden versuchen, öffentlichen und persönlichen Druck auf die Regionalredaktionen auszuüben.
Gewiss: Die Landeshauptleute haben mit ihren Geldmitteln auch die jeweilige(n) Zeitung(en) in ihren Ländern sehr stark in der Hand. So tendieren die "Salzburger Nachrichten" in der internationalen Berichterstattung ganz nach links, in Bezug auf das eigene Bundesland sind sie aber sehr fromm. So gibt es mit ansatzweiser Ausnahme des "Kurier" in Wien trotz der Vielzahl der Titel keine einzige Zeitung, die es wagen würde, über die Wiener Politik unabhängig, sachlich und journalistisch zu berichten.
Gewiss: Die oft schon angekündigte und jetzt offenbar vor der Verwirklichung stehende Entmachtung der Landeshauptleute dürfte auch damit zu tun haben, dass es jetzt nach längerer Pause wieder einen FPÖ-Landeshauptmann gibt.
Dennoch scheint klar: Die Richtung stimmt, wenn, wie angekündigt, im kommenden Herbst wirklich die Mitsprache der Landeshauptleute abgeschafft wird.
Der zweite Vorteil ist aber noch viel wichtiger, der dadurch möglich wird: Denn es waren ja in Wahrheit immer die Landeshauptleute, die hinter den Kulissen dafür gesorgt haben, dass das Gebührenmonopol und die sonstigen Privilegien des ORF nicht angetastet werden. Denn sie wollten ihre Mitsprache behalten. Denn sie wollten dadurch vor allem sicherstellen, dass sie täglich in der meistgesehenen Sendung des ORF – also in der Zeit zwischen 19 und 19,30 Uhr – gut wegkommen, dass da keine kritischen Kampagnen laufen, dass sie da bei jeder Kindergarten- und Kreisverkehr-Eröffnung positiv und landesväterlich ins Bild kamen.
Das hat immer gut funktioniert, wie man an der Entwicklung der Wahlergebnisse ablesen konnte. Es ist kein Zufall, dass die politischen Mehrheiten in den Bundesländern sehr stabil sind. Nur in vier der Bundesländer gab es jemals einen Wechsel in der politischen Farbe des Landeshauptmannes, und nur in zwei davon war dieser Wechsel mehr als eine ein-, maximal zweimalige Sache.
Diese Stabilität steht in deutlichem Kontrast zur Entwicklung auf Bundesebene, wo sich die Mehrheitsverhältnisse viel öfter änderten. Ganz offensichtlich gelingt es in den Ländern mit Hilfe der jeweiligen ORF-Landesdirektion, mit viel Geld für die jeweilige Bundesländerzeitung und mit viel persönlicher Präsenz bis ins letzte Dorf relativ leicht, dauerhaft einen Landeshauptmann-Bonus aufzubauen.
Was sich hingegen in der nationalen Berichterstattung des ORF abspielt, war und ist den Landeshauptleuten weitgehend egal. Wenn die Einseitigkeit des ORF der Bundes-ÖVP wieder einmal eine Wahlniederlage beschert hat, haben sie für eine Auswechslung der Parteispitze gesorgt, aber immer den für sie selbst so freundlichen Gebührenfunk geschützt.
Jetzt aber (wenn das Gesetz wirklich geändert wird) fällt dieses Interesse der ORF-Landesdirektionen weg, sich dem Landeshauptmann oder der Landeshauptfrau gefällig zu zeigen.
Damit passiert Entscheidendes: Damit wird vor allem der ÖVP-Bundesparteiobmann nicht mehr unter dem Druck der überwiegend von der ÖVP regierten Länder stehen, nur ja nicht den Privilegienstadel ORF anzutasten.
Dabei kennt seit vielen Jahren die nationale und gesellschaftspolitische Berichterstattung des ORF – übrigens ganz im Gegensatz zur viel korrekteren und journalistischeren internationalen Berichterstattung – nur eine einzige Pluralität: die zwischen Rot und Grün (und wenn man die sogenannten Kulturredakteure des Radiosenders Ö1 dazunimmt, gibt es noch als dritte Alternative dunkelrot).
Zwar hat etwa Sebastian Kurz absolut jedes Interview im ORF gewonnen, nicht zuletzt deshalb, weil ORF-Redakteure wie Armin Wolf es in einen Boxkampf gegen ihn verwandeln wollten, was automatisch beim Publikum auf Ablehnung stößt.
Aber insgesamt bläst allein durch das völlig einseitige Agenda Setting, durch die Themenwahl des ORF den beiden Parteien rechts der Mitte ein so starker und tagtäglicher Gegenwind entgegen, dass sie dagegen nur extrem schwer ankommen. Dieser Gegenwind schadet vor allem der ÖVP, während die FPÖ den wohl noch viel größeren Hass der ORF-Redakteure auf sie zu ihren Gunsten nutzen konnte. Sie baute sich alternative Medien auf und steht dem ORF kaum noch zur Verfügung. Was diesem auch viele Konsumenten gekostet hat.
Die ÖVP hingegen hat bisher dem ORF immer die Stange gehalten. Sie hat alle Anläufe, das Gebührenmonopol aufzubrechen, abgeschmettert. Sie hat zuletzt naiverweise geglaubt, durch Bestellung eines ÖVP-nahen Generaldirektors im ORF noch etwas ändern zu können.
Dabei hat sie, erstens, nicht begriffen, dass der von ihr jetzt ins Amt gebrachte Generaldirektor schon von seiner Persönlichkeitsstruktur her ein braver Buchhalter und netter Frühstücksdirektor ist, aber kein Chef eines journalistischen Mediums. Und sie hat, zweitens, nicht begriffen, dass zum Unterschied von den Zeiten Gerd Bachers ein Generaldirektor heute sowieso völlig irrelevant geworden ist, weil inzwischen die gesamte inhaltliche Macht durch neue Redaktionsstatute von der ORF-Spitze hinunter in die knalllinken Redaktionen gewechselt ist, die im Grund tun und lassen können, was sie wollen.
Die ÖVP hat sich diese Redakteure bei den letzten Reformen überdies durch einige – berechtigte, aber kleinliche – Schikanen noch mehr zum Feind gemacht, wie etwa durch die Pflicht, ihre Bezüge offenzulegen.
Jetzt jedoch fällt mit der Macht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektionen der stärkste Faktor der ÖVP-internen Unterstützung für den ORF weg. Damit kann man ziemlich sicher sein: Sobald es wieder zu einer blau-schwarzen oder schwarz-blauen Koalition kommt, also sobald Herbert Kickl nicht mehr seinen Anti-ÖVP-Ressentiments nachgehen kann oder will, geht es den ORF-Privilegien an den Kragen.