Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Im ganzen freien Europa herrscht große Einigkeit, dass Russland wieder bedrohlich geworden ist, dass dessen Herrscher Wladimir Putin weit über die Grenzen Russlands hinausgehende Einflusssphären und damit Dominanz beansprucht, und dass das große Land in den letzten Jahren ganz auf eine Kriegswirtschaft umgestellt worden ist, die sich nach einem Sieg über die Ukraine fast automatisch gegen neue Gegner fortzusetzen droht (so wie Russland nach 1945 im Gegensatz zum rasch abrüstenden Westen hoch gerüstet hat und bedrohlich geblieben ist). Daher herrscht auch große Einigkeit, dass massiv mehr Geld in die Verteidigung gesteckt werden muss. Trotz dieses Konsenses sollten ehrliche Analysen aber schon fragen, ob auch diese letzte Konklusion stimmt, ob es nicht bessere und billigere Methoden der kollektiven Verteidigung gibt als die gigantischen Erhöhungen, die jetzt geplant sind.
Denn Tatsache ist, dass bei aller Unberechenbarkeit Russland der Nato zumindest in Hinblick auf die Militärausgaben weit unterlegen ist. Russlands Militärausgaben werden zuletzt auf 109 Milliarden Dollar geschätzt; während die aller 32 Nato-Staaten zusammen nach Nato-Angaben auf rund 1474 Milliarden kommen.
Dieses erdrückende Verhältnis ist freilich durch mehrere Aspekte zu relativieren.
Freilich sind auch ohne die USA die übrigen Nato-Alliierten den Russen noch immer rund dreieinhalbfach überlegen. Aber auch das ist zu relativieren:
Wenn man all das miteinkalkuliert, dann verschwindet der westliche Vorsprung rasch. Das Wichtigste aber und zugleich Bitterste: Ohne die USA ist Westeuropa am Ende jedenfalls durch Russland nuklear erpressbar. Zwar hat Frankreich angeboten, seine Atomwaffen in den Dienst der europäischen Sicherheit zu stellen. Aber das schien vorerst eher bedeutet zu haben, dass die anderen Staaten die Force de Frappe mitfinanzieren sollen, während die letzte Entscheidung über den Einsatz beim französischen Präsidenten bleibt. Und ob dieser in einem Ernstfall die Zerstörung von Paris und Marseille durch einen russischen Gegenschlag riskiert, "nur" weil bloß ein Bündnispartner angegriffen wird, wird immer zweifelhaft bleiben.
Das Fatale: All diese Fragen bleiben auch dann unbeantwortet, selbst wenn die Nato-Bündnis-Partner jetzt die von den USA verlangte und von den Verteidigungsministern im Prinzip zugesagte Erhöhung ihrer nationalen Sicherheitsausgaben auch wirklich umsetzen sollten. Dabei sind diese gewaltig: Während die Europäer schon seit vielen Jahren die eigentlich vereinbarten 2 Prozent des Wirtschaftsprodukts BIP an Verteidigungsausgaben großteils nicht erreichen, scheint es mehr als fragwürdig, dass sie die nunmehr ausgemachten 5 Prozent erreichen können (die sich aus 3,5 Prozent für Militärausgaben und 1,5 für damit zusammenhängende Infrastrukturausgaben wie strategische Bahnlinien, Straßen und Flugplätze zusammensetzen sollten).
Daher sollten sich die Europäer vorerst auf die wichtigsten, aber realistischen Zielen einigen. Die da wohl wären:
Das alles bedeutet kein Nein zu den USA, schließlich wird es ja auch eine Zeit nach Trump geben. Das bedeutet aber die massive Reduktion von Abhängigkeiten, die Fähigkeit, eigene europäische Interessen zu verfolgen und die Entwicklung von mehr Selbstbewusstsein, um den Dialog mit den USA künftig auf Augenhöhe führen zu können. Und damit ein Ende der Angst, im Oval Office wie ein Schulbub heruntergemacht zu werden, wenn man sich nicht devot genug zeigt.
Und das bedeutet auch die Bereitschaft zu einer gemeinsamen Anti-China-Politik, die den USA zumindest derzeit viel wichtiger ist als die Sicherheit Europas. Aber auch Europa sollte erkennen, dass Russland ohne Hilfe Chinas seinen Ukraine-Krieg gar nicht führen könnte.