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Wie weit ist der Iran-Krieg moralisch und rechtlich mit dem Ukraine-Krieg zu vergleichen? Wie legitim war der israelisch-amerikanische Angriff auf Irans Atom- und Raketen-Streitmacht? Und: Ist es moralisch, ist es rechtlich zulässig, ein ausländisches Staatsoberhaupt zu töten? Diese Fragen werden seit einiger Zeit weltweit intensiv diskutiert. Diese ist ganz besonders der Fall, seit der Iran Raketen auf amerikanische Stützpunkte in der Region losgeschickt hat. Sollten dabei Amerikaner ums Leben gekommen sein, ist völlig klar, wie die US-Regierung reagieren wird. Aber vorerst sind diese Angriffe – auch auf Grund einer Vorwarnung durch den Iran – eher als symbolischer Akt der Gesichtswahrung zu werten, bei dem genauso viele relativ harmlose Raketen abgefeuert worden sind, wie die Amerikaner zuvor schwere Bomben auf Ziele im Iran fallen gelassen haben. Alle Raketen dürften abgefangen worden sein. Daher gibt es weiterhin Hoffnung, dass es nicht zur ganz großen Eskalation kommt (mit nachträglicher Ergänzung).
Denn wenn der Angriff Amerikanern das Leben gekostet hätte, hätte Trump den iranischen Diktator Khamenei wohl direkt ins Visier nehmen lassen. Das hat er schon Tage vor den Angriffen der amerikanischen Superbombe auf iranische Stellungen klar gemacht, als er gesagt hat, solange kein Amerikaner getötet worden sei, gebe es keinen Grund, Khamenei zu attackieren. Umgekehrt also offenbar schon.
Ähnliches lässt sich auch aus feinen Unterschieden der Semantik des US-Präsidenten und seines Vizes ablesen. J.D. Vance hat bei einem öffentlichen Auftritt nach dem Bombenangriff noch so formuliert: "Unser Standpunkt ist ganz klar, dass wir keinen Regimewechsel im Iran wollen." Stunden später wird er öffentlich ziemlich kalt von seinem Chef via Internet korrigiert: "Es ist politisch zwar inkorrekt, den Ausdruck ,Regimewechsel‘ zu verwenden, aber wenn das gegenwärtige iranische Regime nicht imstande ist, den IRAN WIEDER GROSS ZU MACHEN‘, warum soll es da nicht einen Regimewechsel geben??? MIGA!!"
Make Iran Great Again. Trump münzt also seinen MAGA-Spruch "Make America Great Again” propagandistisch nicht ungeschickt auf den Iran um und hält sich alle Möglichkeiten offen, um diesen unter Druck zu halten.
Obermullah Khamenei hat jedenfalls aus Sorge, dass ihn eine gezielte israelische oder amerikanische Bombe trifft, in den letzten Tagen schon seine Nachfolge durch Nennung von drei Namen zu regeln versucht. Er hält sich auch aus Angst vor einer auf ihn gezielten Rakete oder Drohne gut versteckt. Er meidet sogar alle elektronischen Kontakte, um nicht entdeckt zu werden.
Gleichzeitig aber gesellt sich zur moralischen und rechtlichen Frage nach der Legitimität eines Tyrannenmordes durch eine ausländische Macht eine dritte, die in der aktuellen Situation wohl noch wichtiger ist. Und das ist die Frage: Ist ein solcher Diktatorenmord auch sinnvoll?
In der Theorie ist die Antwort klar: Sinnvoll ist er dann, wenn er mehr Nutzen als Schaden anrichtet, wenn er mehr Menschenleben rettet, als zu gefährden. Die Antwort auf diese Frage gibt letztlich auch die Antwort auf die moralische und rechtliche Frage. Die Antwort auf diese Frage ist freilich keineswegs einfach.
Moralisch wie rechtlich kann ein feindliches Staatsoberhaupt, das noch dazu eindeutig durch seine jahrelangen "Vernichtet Israel!"-Rufe und durch die eindeutige Vorbereitung einer Atomwaffe die Hauptschuld, ja fast die einzige Schuld an der Eskalation trägt, zweifellos nicht besser geschützt sein als eine völlig unschuldige Zivilbevölkerung. Diese aber wird zumindest auf israelischer Seite von iranischen Raketen täglich wahllos getroffen – das schon deshalb, weil die iranischen Raketen und Drohnen lange nicht so chirurgisch genau treffen können wie die israelischen und daher einfach irgendwie auf die Städte des Judenstaates gefeuert werden.
Auch das völkerrechtlich in vielen Konventionen, etwa der UN-Charta, festgehaltene Gewaltverbot kann dem israelischen Angriff nicht entgegengehalten werden. Denn:
Aus all diesen Gründen kann man objektiverweise nicht zweifeln, dass Israel wie auch ihre amerikanischen Verbündeten moralisch wie rechtlich befugt waren, in einem Präventivschlag loszuschlagen, um die iranische Atomwaffenproduktion auszuschalten. Es ist absurd und krank, vom kleinen Judenstaat zu verlangen, dass er damit noch so lange zuwarten hätte sollen, bis die Atomrakete schon im Anflug ist. Manche linken Völkerrechtler tun aber dennoch so, als ob die iranischen Angriffsvorbereitungen noch nicht "unmittelbar" genug gewesen wären, um den Schlag zu rechtfertigen.
Die zuvor genannten Fakten machen es im Übrigen auch geradezu lächerlich, wenn manche auf der politischen Rechten den israelisch-amerikanischen Angriff auf die iranischen Militär- und Atomanlagen mit dem russischen Angriff auf die Ukraine gleichsetzen und Putin damit zu rechtfertigen versuchen. Denn, zum Unterschied zu Iran
Ganz im Gegenteil: Die Ukraine hatte beim Zerfall der Sowjetunion am Beginn ihrer Selbständigkeit sogar viele Atomraketen auf ihrem Territorium stationiert gehabt. Sie hat diese alle nachweislich freiwillig vernichtet beziehungsweise übergeben – im Gegenzug für das vertragliche Versprechen Russlands und der USA, die Grenzen der Ukraine zu respektieren.
Auch die oft von Moskau als Grund für seinen Angriff genannten Wünsche der Ukraine, neben der EU auch der Nato beizutreten, sind in keiner Weise mit den iranischen Drohungen vergleichbar.
Zurück zum Iran. Da lautet die zentrale Frage: Würde eine Ausschaltung Khameneis den Iran wieder zu einem friedlicheren Element der Völkergemeinschaft machen? Das ist mit Sicherheit die zentrale Frage, die von Washington bis Tel Aviv derzeit rund um die Uhr gewälzt wird. Selbst der so exzellent arbeitende israelische Geheimdienst Mossad scheint sich da aber noch nicht ganz sicher zu sein.
Auf der einen Seite war schon oft mit dem Tod des Diktators der Fall des gesamten Unterdrückungssystems verbunden. Auch die Attentäter vom Juli 1944 sind sicher gewesen, dass das Nazi-Regime und der Krieg mit dem Tode des von seinen Anhängern magisch verehrten Adolf Hitler zu Ende gehen würden; da aber der Anschlag auf Hitler missglückt ist, kann heute freilich nur spekuliert werden, ob diese Annahme gestimmt hat.
Zugleich gibt es keinen Zweifel, dass viele Iraner, insbesondere die vielen Flüchtlinge seit 1979, dem Sturz des Schahs, ein Ende des Mullah-Regimes herbeisehnen. Das haben auch bis vor kurzem die vielen Studenten- und Frauenproteste im Iran selbst bewiesen.
Auf der anderen Seite scheint es aber im Iran heute keine gut organisierte Widerstandsgruppe oder Führungspersönlichkeit zu geben, die geordnet die Macht übernehmen könnte, wie es etwa von Polen bis Ungarn 1989 der Fall gewesen ist. Das iranische Regime hat alle diesbezüglichen Ansätze zu brutal niedergeschlagen. Der israelische Angriff auf das iranische Foltergefängnis, wo die politischen Häftlinge sitzen, dürfte ein Versuch sein, dieses Defizit zu füllen. Der Sohn des letzten Schahs dürfte hingegen nur unter den Exil-Iranern eine nennenswerte Anhängerschaft haben. Zugleich ist die iranische Diktatur religiös zementiert, was sie deutlich weniger von einem einzigen Führer abhängig macht, wie es bei anderen historischen Beispielen der Fall gewesen ist.
Der Versuch, etwa durch Tötung Khameneis einen positiven Regimewechsel herbeizuführen, ist daher nur recht schwer erreichbar und könnte etwa in einen langwierigen Bürgerkrieg münden. Zugleich gibt es Hoffnungen, dass ein Nachfolger des greisen Khamenei ohne Zwang von außen den Weg der Vernunft, des Friedens gehen könnte, auf dem ihm die Zukunft des Iran wichtiger ist als der islamistische Hass auf Israel.
Es ist daher extrem schwer zu sagen, welche Entscheidung die richtige für all jene ist, die eine friedliche Entwicklung des Iran erhoffen. Die einzige Hoffnung, dass sich die Entscheidung als richtig herausstellt, leitet sich aus der Erfahrung ab, dass die israelischen Geheimdienste besser als wir wissen dürften, was im Iran vor sich geht – siehe etwa die präzise Tötung der wichtigsten Kommandanten in ihren Wohnungen, von denen die Israelis alle Adressen kannten. Israels Dienste haben auch in der Vergangenheit meistens sehr gut gearbeitet. Allerdings nicht immer: Siehe das peinliche Versagen dieser Dienste bei der Beobachtung der vielfältigen Vorbereitungen im Gazastreifen auf den Überfall vom 7. Oktober 2023.
Manches Mal ist man froh, nicht jener sein zu müssen, der die Verantwortung über solche Entscheidungen trägt. Freilich scheinen auch die wirklichen Entscheidungsträger unsicher zu sein, was richtig ist: Das gilt vor allem auch für die Unsicherheit der Amerikaner über das weitere Vorgehen.
Nachträgliche Ergänzung: Wenige Stunden nach Erscheinen dieses Textes hat sich die am Beginn geäußerte Hoffnung bewahrheitet: Die Iraner haben sich mit einem symbolischen Vergeltungsangriff zur Wahrung des Gesichtes nach innen begnügt. Dieser hat keine Opfer gefordert. Darauf konnte Präsident Trump nach diplomatischen Geheimkontakten Iran öffentlich loben und verkünden: Jetzt schweigen die Waffen auf allen Seiten. Auch wenn dieses Schweigen offensichtlich nur ein paar Stunden angehalten hat.