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Die Hintergründe des Kurz-Freispruchs

Immerhin: In der zweiten Instanz der Justiz ist Sebastian Kurz jetzt vom Vorwurf der falschen Zeugenaussage im sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschuss rechtskräftig freigesprochen worden. Damit hat die Justiz etliches von ihrem großen Sündenregister einer demokratiegefährdenden Parteipolitisierung abgewaschen. Dies geschah mit einer Begründung, die etwas aufgreift, was dieses Tagebuch immer wieder angeprangert hat. Die Argumentation dieses nun rechtskräftigen Urteils müsste jetzt vor allem das Parlament selbst zwingen, das Institut der Untersuchungsausschüsse einer totalen Renovierung zu unterziehen. Nicht aufgegriffen hat das Oberlandesgericht hingegen den zweiten Berufungsgrund, obwohl es dabei um rechtsstaatlich noch viel problematischere Vorgänge gegangen ist. Das ist jetzt gleichzeitig als weise wie auch als egoistisch im Interesse des eigenen Standes zu werten.

Weise ist dieses Urteil, weil damit der Vorwurf der Falschaussage für Kurz endgültig und rechtskräftig vom Tisch ist. Wenn die Berufungsrichter hingegen diesen zweiten Grund der Berufung auch aufgegriffen hätten, dann hätte das ganze für den Rechtsstaat so belastende Verfahren wegen einer vor fünf Jahren gemachten ungenauen Aussage mit einem anderen Richter wiederholt werden müssen und sich um weitere Jahre hingezogen. Das hätten die Republik und vor allem die Justiz kaum mehr ausgehalten.

Bei diesem zweiten Grund, warum das bisherige Verfahren eigentlich für nichtig erklärt werden müsste, geht es um die Person des Erstrichters Michael Radasztics: Dieser war erst knapp davor vom Staatsanwalt zum Richter ernannt worden, obwohl es gegen ihn als Staatsanwalt eine rechtskräftige disziplinarrechtliche Verurteilung gegeben hatte. Das ist schon an sich ein extrem problematischer Vorgang, der in die Verantwortung der damaligen Justizministerin Alma Zadic fällt.

Dazu kommt, dass Radasztics seine Rechtsverletzung (Weitergabe vertraulicher Informationen an den Kurz-Feind Peter Pilz) ausgerechnet zum Nachteil eines früheren ÖVP-Politikers, nämlich von Karl Heinz Grasser, verschuldet hat. Allein das macht es überaus bedenklich, wenn derselbe Mann dann ausgerechnet den Prozess gegen den späteren ÖVP-Obmann Kurz zu leiten bekommen hat, wo er noch dazu als Einzelrichter entscheiden konnte.

Aber das kritisch aufzugreifen, wie es eigentlich angebracht wäre, war dem Berufungssenat dann offenbar doch zu heiß. Das hätte nämlich nicht nur das ganze Justizministerium, sondern auch den Präsidenten des Wiener Landesgerichts in ein sehr schiefes Licht gerückt. Denn dieser hätte ja die Aufgabe gehabt, Radasztics zu empfehlen, auf die Führung des Prozesses zu verzichten, weil das im spektakulärsten Verfahren der letzten Jahre eindeutig einen massiven Anschein der Befangenheit auf die Justiz wirft.

Sehr wohl aufgegriffen hat der Berufungssenat die unhaltbaren Zustände während des Untersuchungsausschusses. Da wurden die Zeugen immer wieder unterbrochen (im konkreten Fall durch die Neos-Abgeordnete Krisper, eine Juristin, die sich früher ausgerechnet als unentgeltliche Rechtsberaterin für Flüchtlinge betätigt hatte, und die schon daher dem Migrationsgegner Kurz besonders kritisch gegenübergestanden ist).

Kurz konnte, wie das Berufungsgericht jetzt erkannt hat, angesichts ihrer Unterbrechungen nicht ordentlich ausreden und daher nicht genau ausführen, wie weit er in die Aufsichtsratsbestellungen bei der Verstaatlichten-Holding eingebunden gewesen ist oder diese selber getroffen hat.

Beim Kabinettschef von Kurz, Bernhard Bonelli, blieb die Verurteilung hingegen aufrecht, obwohl Bonelli in der ersten Instanz zu einer kürzeren Strafe als Kurz verurteilt worden ist (sechs statt acht Monate bedingt). Bei ihm war nach Ansicht der Berufungsrichter das Chaos im Ausschuss nicht so groß wie bei Kurz, sodass Bonelli eine Frage bewusst nicht richtig beantwortet hätte. Dabei war Bonellis Antwort (Nein) eigentlich negativ für Kurz; denn die Frage lautete, ob Kurz ursprünglich Siegfried Wolf als Aufsichtsratschef gewollt hatte, wie er später betonte.

Bonelli, der bis heute eng mit Kurz bei dessen wirtschaftlichen Aktivitäten zusammenarbeitet, wird diese Verurteilung wegstecken müssen und wohl auch können. Und Kurz kann sich jetzt umso mehr über seinen zweiten, knapp vor der Berufungsentscheidung geborenen Sohn freuen.

Keinesfalls wegstecken sollte jedoch das Parlament die massive Kritik am Untersuchungsausschuss, die dieses Urteil jetzt bedeutet.

Denn jetzt ist rechtskräftig klar, dass der Ausschuss mit seinen Befragungen weit unter der Qualität einer gerichtlichen Zeugenvernehmung steht, aber dennoch sollen laut Parlamentsbeschluss dortige Falschaussagen genauso streng bestraft werden, als ob sie vor Gericht gemacht worden wären.

Aus mehreren Gründen ist diese Gleichbehandlung von Falschaussagen problematisch:

  • Bei Gericht haben Zeugen ausreichend Zeit, ihre Antworten zu präzisieren.
  • Bei Gericht können gegnerische Parteien die Vernehmungen nicht in ein an üble Zeiten erinnerndes Tribunal verwandeln.
  • Bei Gericht nehmen Richter die Aufgabe wahr, bei unklaren Aussagen in aller Ruhe nachzufragen: "Wie haben Sie das genau gemeint?"
  • Bei Gericht kann jemand, der jemand anderen vernimmt, nicht mit der miesen Taktik durchkommen, bei Anzeichen einer Unklarheit nicht auf diese einzugehen, daraus aber nachher eine Falschaussage zu machen.
  • Bei Gericht kann schon gar nicht als Falschaussage gewertet werden, wonach nicht direkt gefragt worden ist.

Das Parlament muss daher, sollte es sich noch ernst nehmen, die Untersuchungsausschüsse grundlegend umgestalten. Dafür gibt es nur zwei sinnvolle Wege:

  1. Der unabhängige Verfahrensrichter übernimmt wirklich den Vorsitz. Und Zeugenaussagen können nur dann zu einem Strafverfahren führen, wenn der Richter selbst den Zeugen zur Präzisierung aufgefordert hat.
  2. Noch besser wäre eine Umwandlung nach dem Beispiel der Royal Commissions in diversen Commonwealth-Ländern. Diese arbeiten ohne Öffentlichkeit, daher können sie nicht zu einem schauprozessartigen Tribunal ausarten. Sie können daher immer wieder in Ruhe und Unabhängigkeit gute Vorschläge zu einer Reform der Verwaltung und Gesetzgebung rund um ein konkretes Thema ausarbeiten, was eigentlich auch der Zweck solcher Untersuchungsausschüsse wäre, die in Österreich aber zu rein parteipolitischer Wadlbeißerei verkommen sind, sich aber dennoch gerne als Ersatzgericht profilieren möchten. Die englischen Kommissionen haben schon mehrmals sehr konkrete und hilfreiche Vorschläge gemacht.

Es ist jetzt die große Aufgabe und auch Chance für den von den Linksparteien von Anfang an heftig attackierten Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz, in führender Position die Lehren aus den hier klar aufgezeigten Fehlern zu ziehen und einen Reformprozess einzuleiten. Freilich deutet alles darauf hin, dass zumindest seine Partei jetzt alles tun will, um ganz im Gegenteil das Verkommen der Ausschüsse zu einem Beschimpfungstribunal noch zu verschlimmern. Die Linksparteien wiederum wollen gar Fernsehübertragungen von den Ausschüssen, was den Schauprozess-Charakter noch mehr intensivieren würde.

Kann und will sich Rosenkranz dem entziehen?

Alle linken Medien versuchen nun sofort von diesem Sieg für Kurz abzulenken und auf das zweite Verfahren zu verweisen, das die WKStA gegen Kurz angestrengt hat und das noch in Gang ist. Bei diesem droht der von Hass auf die ÖVP und speziell Kurz, der sie einmal öffentlich als schlagseitig kritisiert hatte, beseelten WKStA aber ebenfalls eine Niederlage. Denn da ist die Beweislage noch dünner. Ganz offensichtlich deshalb hat sie das Verfahren auch so lange liegen gelassen. Wiederum hat sie nur ihren "Kronzeugen" Thomas Schmid, aber keinerlei Sachbeweise für ihren Kampf gegen Kurz zur Verfügung.

In diesem Verfahren geht es inhaltlich erstens darum, dass Schmid als Generalsekretär im Finanzministerium Umfragen falsch abgerechnet hat, in denen auch Fragen zur Popularität des damaligen Außenministers Kurz enthalten waren. Und zweitens darum, dass Schmid die Ergebnisse dieser Umfragen einer Boulevardzeitung groß zur Veröffentlichung weitergeleitet hat, die gleichzeitig Inserate vom Finanzministerium erhalten hat.

So eindeutig die damalige Rechtsverletzung durch Schmid scheint, so unklar ist, wieso da auch Kurz angeklagt werden soll. Aus mehreren Aspekten:

  1. Dass Kurz für die ÖVP als Spitzenmann viel erfolgversprechender gewesen ist als der damalige unglückselige Parteichef Mitterlehner, ist allgemein auch schon durch andere Umfragen bekannt gewesen. Da hätte es gar nicht der von Schmid in Auftrag gegebenen Umfragen bedurft.
  2. Es gibt keinerlei Beweise, dass Schmid von Kurz zu der Falschabrechnung oder zur Beauftragung von Umfragen angestiftet worden wäre, obwohl zahllose Chats zwischen Kurz und Schmid beschlagnahmt worden sind.
  3. Es gibt lediglich Chats, in denen Schmid das Ergebnis an Kurz mitgeteilt hat, worauf dieser – erwartbarerweise – erfreut reagiert hat.
  4. Kurz war damals Außenminister, es wäre daher wenig logisch gewesen, ausgerechnet über das Finanzministerium Umfragen ins Feld zu schicken, über das er ja kein Weisungsrecht hatte. Er hätte das aber über das eigene Ministerium oder seine ÖVP-Funktionen tun können, wenn er wirklich zusätzliche Umfragen gewünscht hätte.
  5. Es war damals schon allgemein klar, dass Kurz der kommende Mann war. Daher war es eindeutig, dass sich ein karrieregeiler Mann wie Schmid durch diese Umfragen als dienlich an Kurz heranzudrängen versucht hat.
  6. Diese Vorgänge sind acht Jahre her. Wäre die WKStA sicher, dass sie da gute Beweise in der Hand hat, so hätte sie zweifellos längst einen Prozess herbeigeführt. Den hat sie aber bisher nur zum ersten Teil, also wegen der fünf Jahre alten Zeugenaussage erzwungen.
  7. Was bleibt, ist neben der finanzministeriumsinternen Falschabrechnung die Vergabe von Gefälligkeitsinseraten an eine Boulevardzeitung durch das Finanzministerium. Diese hat aber erstens mit Kurz schon gar nichts zu tun. Und diese rückt zweitens die alte Frage ins Zentrum, warum die WKStA ansonsten nie etwas gegen die Gefälligkeitsinserate – man könnte sie auch Bestechungsinserate nennen – unternimmt, welche das Imperium der Gemeinde Wien an willfährige Medien vergibt. Dabei übersteigen diese Wiener Inserate an Volumen die Summe aller anderen acht Bundesländer.

Und: Nein, Kurz wird sicher nicht in die Politik zurückkehren, was jetzt sofort reihum spekuliert wird. Denn das könnte er nur in einer Koalition mit der FPÖ. Aber diese hat er selbst unmöglich gemacht, als er 2019 Herbert Kickl ohne ausreichende Begründung aus der Regierung geworfen hat. Kickl ist seither von unstillbarem Rachedurst gegen die ÖVP beseelt. Und dafür, dass sich die FPÖ von Kickl trennen könnte, um mit Kurz oder der ÖVP gemeinsam zu regieren, gibt es derzeit absolut keinen Hinweis.

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