Leerstandsabgabe – die schwarze Vermögenssteuer?

Tritt die SPÖ seit dem Amtsantritt Andreas Bablers offensiv für Erbschafts- und Vermögenssteuern ein, so hatte die ÖVP derlei Ambitionen – wenn auch spät und etwas verhalten – im November 2023 noch abgelehnt. Um nun – sehr zum Jubel der Linken – unter dem Titel einer Leerstandsabgabe selbst eine Vermögenssteuer zu fordern (oder jedenfalls den Ländern zu ermöglichen). Das muss man einmal zusammenbringen: Als bürgerliche Partei mitten im anbrechenden Wahlkampf eine uralte Forderung der KPÖ zu erfüllen und dies (neben staatsfinanzierten Billigkrediten für "Häuslbauer") auch noch als großen Wurf gegen steigende Immobilienpreise zu verkaufen!

Die ÖVP, so scheint es, tut wirklich alles, um die kommende Nationalratswahl zu verlieren: Sie lässt immer deutlicher erkennen, mit der SPÖ koalieren zu wollen (um Wähler, die dies nicht wollen, vor allem an die FPÖ zu verlieren), und verliert mit dem nunmehrigen "Elfergeschenk" an die Linke zudem wirtschaftsliberale Wähler an die Neos, die eine Leerstandsabgabe (ebenso wie die FPÖ) skeptisch sehen und offen als eine Vermögenssteuer auf privaten Immobilienbesitz aussprechen.

Blickt man in die jüngere Vergangenheit zurück, kommt der ÖVP-Vorstoß freilich nicht ganz überraschend: Immer wieder haben sich "schwarze" Landeshauptleute (Platter, Haslauer, Wallner) für eine Abgabe auf leerstehende Wohnungen ausgesprochen und dafür auch die Zustimmung vieler anderer ÖVP-Politiker aus den Ländern erhalten. Mehrere ÖVP-geführte Bundesländer (zuletzt Vorarlberg) haben in den vergangenen Jahren Leerstandsabgaben eingeführt. Da ist der Wunsch nur begreiflich, durch eine Kompetenzverlagerung vom Bund an die Länder auch höhere Einnahmen aus einer solchen Abgabe lukrieren zu können.

Man muss es glasklar sagen: Die Initiative zu einer Leerstandsabgabe ist kein Zugeständnis an die Grünen und auch nicht bloß eine Vorleistung an eine Koalition mit der SPÖ, sondern kommt aus der Tiefe der ÖVP: "Die Länder treten seit vielen Jahren dafür ein, dass die Bundesverfassung in dem Punkt geändert wird. Vor allem deswegen, weil es uns auch die Möglichkeit geben würde, bei der Leerstandsabgabe deutlich mehr an Spielraum zu gewinnen", erklärt etwa Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner im Mai 2022. Und Mikl-Leitner (deren "Her mit dem Zaster!"-Sager manchen gewiss noch in Erinnerung ist) sekundiert: Einer "Kompetenzverschiebung zugunsten der Länder" stehe man "immer positiv gegenüber".

Was "deutlich mehr an Spielraum" heißen könnte, kann man dem diesbezüglichen Modell der Wiener Grünen entnehmen: Diese schlagen eine "moderate Leerstandsabgabe mit einer Berechnungsbasis von zwei Drittel des Richtwertmietzinses vor. Das bedeutet aktuell für eine 75 Quadratmeter Wohnung 334 Euro pro Monat oder 4.002 Euro im Jahr." Mit einer solchen "moderaten" Gebühr muss schließlich auch der Verwaltungsaufwand für die Erfassung und Einhebung der Abgabe (sowie für marktfeindliche Billigkredite) abgegolten werden!

Zuletzt war es Reinhold Mitterlehner, der seinem SPÖ-Pendant Werner Faymann durch Umstellung der Grundbucheintragungsgebühr vom Einheitswert auf den viel höheren Verkehrswert ohne Not eine Vermögenssteuer geschenkt hatte. (Jener Mitterlehner, der damals auch drauf und dran war, zusammen mit den Landeshauptleuten Platter und Wallner Westösterreich zu einer "Modellregion" für die Zwangs-Gesamtschule zu machen, bevor es mit Sebastian Kurz um dieses Thema erstaunlich ruhig wurde.) Die Grundbucheintragungsgebühr soll nunmehr beim ersten Eigenheim immerhin gestrichen werden.

Noch in den 1990er Jahren hatte einzig die KPÖ Aufkleber mit dem Slogan "Meldepflicht für leerstehende Wohnungen" affichiert. Selbst der SPÖ schien diese Forderung wohl zu radikal. Nun bemerkt Salzburgs KPÖ-Bürgermeisterkandidat Dankl ganz ohne Häme zum aktuellen Paket der Bundesregierung: "Vor wenigen Jahren hat die ÖVP Maßnahmen gegen Leerstand noch als Kommunismus und Enteignung gebrandmarkt, heute trägt die ÖVP sie mit."

Was konkret kommt, wenn die Länder deutlich höhere Leerstandsabgaben beschließen dürfen, ist freilich noch offen, doch ist davon auszugehen, dass auch in jenen Bundesländern, die keine Leerstandsabgaben haben, die Verlockung und der politische Druck in diese Richtung steigen werden. Natürlich würde es in entsprechenden Landesgesetzen auch Ausnahmen geben. Selbst die Grünen fordern in ihrem Modell eine Ausnahme für Zweitwohnsitzer, um freilich im gleichen Atemzug eine Zweitwohnsitzabgabe zu urgieren, damit niemand auf die Idee kommt, sich oder Angehörige in leerstehenden Immobilien kurzerhand anzumelden. (So, wie Forderungen nach Erbschaftssteuern immer auch eine Schenkungssteuer implizieren, um die Erbschaftssteuer nicht durch eine vorgezogene Schenkung zu Lebzeiten umgehen zu können.)

Eine Ausnahme für Vorsorgewohnungen für Kinder (wie es sie etwa in Salzburg gibt), findet man im Modell der Wiener Grünen nicht. Ausnahmen für erforderliche Sanierungen würden wiederum tricksen erleichtern, indem leerstehende Wohnungen künstlich in einen sanierungsbedürftigen äußeren Zustand versetzt werden, die erforderliche Sanierung hinausgezögert wird oder aber ohne absehbares Ende Jahre in Anspruch nimmt, in denen keine Leerstandsabgabe zu entrichten wäre bzw. keine ortsübliche Miete verlangt werden kann.

Die Möglichkeiten einer kreativen Umgehung der Abgabe zeigen, dass die Erfassung und Kontrolle von Leerstand den Besitz jeder privaten Immobilie in den Fokus staatlichen Zwangshandelns rücken wird. Wer eine leerstehende Immobilie besitzt, muss sich künftig vor dem Staat und der "Zivilgesellschaft" dafür rechtfertigen, selbst wenn keine Gebühr anfallen sollte. Auch die Ausdehnung des "Diskriminierungsschutzes" auf den Wohnungsmarkt (ein weiterer langgehegter Wunsch der Linken) – inklusive Beweislastumkehr, dass man als Vermieter beweisen muss, den A nicht ethnisch oder sonstwie diskriminiert zu haben, weil man an den (zuverlässiger erscheinenden) B vermietete – wird durch einen sanften Zwang zu vermieten gewiss erleichtert. Ebenso wird ein Abbau bereits bestehender Hürden beim Vermieten konterkariert, wie etwa dies, schon in jeder Annonce die Energiebilanz einer Immobilie anführen zu müssen (und hierzu teure Gutachten beizubringen). Ist es das, wofür die ÖVP 2024 gewählt werden möchte?

 

Wilfried Grießer, geboren 1973 in Wien, ist BHS-Lehrer, Philosoph und Buchautor.

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