Mit wem sich der islami(sti)sche IGGiÖ-Präsident gerne trifft

Von einer ideologischen Nähe zur extremistischen Gruppierung Milli Görüs will Ümit Vural, der neue Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), nichts wissen. Er habe dort nie Funktionen inne gehabt, für ihn sei Milli Görüs "mein Vater, der mich mit sechs Jahren in die nächste Moschee mitgenommen hat, weil ihm das ehrenamtliche Engagement wichtig war", erzählte Vural bei einer Pressekonferenz. "Mehr war es nicht." Und Antisemitismus sei für ihn ein "No-go", unterstrich er im "Presse"-Interview. Also alles in Ordnung? Nein, gar nichts ist in Ordnung, wie ein kurzer Blick auf Vurals bisherige Vita zeigt.

Dass Vural mit der islamischen Bewegung Milli Görüs (auf Deutsch: "Nationale Sicht") wesentlich enger verbunden ist, als er suggeriert, belegt ein Foto, auf dem er stolz an der Seite des betagten Milli-Görüs-Gründers und -Führers Necmettin Erbakan (1926 – 2011) posiert. "Islamism Map" hat auf das Dokument in einem Tweet aufmerksam gemacht. Es stammt aus dem Jahr 2010 und zeigt Erbakan bei einem Besuch in Wien.

Erbakan schwor Milli Görüs auf den Kampf gegen den Westen und gegen den Zionismus ein. Das bekräftigte er bis in seine letzten Lebensjahre. 2010 meinte er gegenüber der "Welt": "Seit 5700 Jahren regieren Juden die Welt. Es ist eine Herrschaft des Unrechts, der Grausamkeit und der Gewalt." Ähnliches gab er 2007 in einem ins Englische und teils auch ins Deutsche übersetzten Interview von sich.

Wien – ein neues Headquarter von Milli Görüs?

Erbakans dumpfes Geschwafel aus aberwitzigen antisemitischen Weltverschwörungstheorien kann man leider nicht ganz ignorieren, wenn man bedenkt, dass Milli Görüs in Österreich und Deutschland einer der größten Moscheedachverbände ist – hierzulande gehören ihr der Islamlandkarte zufolge 52 Moscheevereine unter der Bezeichnung "Islamische Föderation" an. Wenn man weiters bedenkt, dass die Milli-Görüs-Ideologie gerade das verbindende Element aller Moscheen des Dachverbands ist (siehe Deutscher Verfassungsschutzbericht 2017 auf Seite 214). Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass sich gerade jetzt "die islamistische Jugendbewegung Milli Görüs Wien als Standort für das Hauptquartier ihrer Jugendbewegung gewählt hat", wie die ÖVP Wien in einer dringlichen Anfrage festhält, und dass seit Jahresbeginn zwei Jugendzentren in Wien eröffnet wurden. Wenn man sich darüber im Klaren ist, wie komplett unglaubwürdig die wenigen Versuche der Bewegung in Österreich sind, sich von Erbakan oder der Milli-Görüs-Ideologie zu distanzieren (siehe dazu die Anmerkungen am Ende dieses Kommentars). Und wenn man sich schließlich vor Auge führt, dass sich das jetzige Oberhaupt von Österreichs zweitgrößter Religionsgesellschaft mit dem Milli-Görüs-Gründer in Wien gerne ablichten ließ.

Daher ein paar weitere Auszüge aus Erbakans Interview: "Unsere Religion sagt, dass die Ungläubigen eine Nation [Millah] bilden. Das bedeutet, das Böse wird von einem Kontrollzentrum geführt." Dieses Zentrum ist – eh klar – "der rassistische, imperialistische Zionismus." Dieser habe vor 5765 Jahren begonnen, als die Kinder Israels in Ägypten lebten, und zwar mit einem Buch der Magie, das von jemandem geschrieben wurde, der Kabbala geheißen habe(!). 

Der Islam im Kampf gegen Juden und das Böse

Die Juden würden alle anderen Völker als ihre Sklaven ansehen, die zunächst Affen waren, ehe sie zu Menschen wurden. Um den Rest der Welt zu versklaven, würden sie "alle verstreuten Söhne Israels in Quds [Jerusalem] versammeln", ein "Großisrael" zwischen dem Nil und dem Euphrat schaffen und 28 Länder von Marokko und bis Indonesien beherrschen. Auch alle Kreuzfahrten wurden von den Zionisten organisiert. "Das ist die Religion dieses Volkes [d. h. der Juden], ihr Glaube."

Darüber hinaus arbeiteten die Zionisten seit Jahrtausenden an einer Weltordnung, in der Geld und Arbeitskraft von den "Juden" abhängt. Die "Juden" hätten Protestantismus und Kapitalismus geschaffen. Überhaupt: Es gibt in Wahrheit nur zwei Länder – "die Welt des Islam" und "alle anderen", die vom Zionismus kontrolliert würden. Auch Asiens Industrien würden mit jüdischem Kapital betrieben.

"Nur der Islam bleibt gegen sie. Die Juden sagen, ihr werdet unsere Sklaven sein. Der Islam sagt, ‚la i lahe il l'Allah’. Wir werden vor niemandem als vor Allah den Kopf beugen. Niemand wird irgendjemandes Sklave sein. So ist das ein Konflikt zwischen dem Guten und dem Bösen." Und: "Ohne all dies zu wissen, können Sie nicht verstehen, was in der Welt vor sich geht." Aha ...

Der deutsche Verfassungsschutz ordnet Milli Görüs dem "legalistischen Islamismus" zu, der zwar verfassungsfeindlich ist, aber – na Gott sei Dank! – Gewalt ablehnt. Doch den Worten folgen auch Taten. Der deutsche Verfassungsschutz erwähnt etwa eine öffentliche Stellungnahme der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V." vom Dezember 2017. Darin habe sie erklärt, "dafür zu beten, dass Jerusalem bald von Besatzung und Unterdrückung befreit werde. Auf den beiden größten Veranstaltungen in Berlin, die unter anderem von Personen aus dem Hamas-Umfeld angemeldet worden waren, verbrannten einzelne Personen israelische Fahnen und riefen antisemitische Parolen."

Radikalisierung und Antisemitismus werden verdrängt

Da ist es kaum beruhigend, wenn Vural, von der "Presse" auf die Furcht vor muslimischem Antisemitismus angesprochen, meint: "Das ist nicht meine Wahrnehmung der muslimischen Community, wie ich sie kenne." Kleiner Tipp an Vural: Ein wenig in den gängigen Schriften Erbakans nachlesen, wäre etwa hilfreich. Möglicherweise kennt sie Vural ja sogar. Dann müsste er sich nur an sie erinnern. Und noch ein kurzer Hinweis: Zahlreiche Medien berichteten eben über eine vom Parlament in Auftrag gegebene umfassende Studie zum Antisemitismus in Österreich. Ergebnis: Für türkisch- und arabischstämmige Menschen in Österreich weist die Studie – Überraschung, Überraschung – eine signifikant höhere Antisemitismusneigung aus als für den Rest der Bevölkerung ...

Eigentlich sind die unschönen Kampfesaufrufe gegen Juden und Ungläubige in der islamischen Ummah gar nicht so verwunderlich, wenn man sich mit ihren islamistischen Vordenkern befasst. So predigte auch in einer österreichischen Milli-Görüs-Moschee ein Imam durchaus folgerichtig: "Um den Islam zu leben, leben zu lassen und dessen Hegemonie in der Welt zu schaffen, müssen alle Anstrengungen für den Dschihad unternommen werden." Und: "Keine Wohltat kann dem guten Werk des Dienens so gerecht werden, wie der Märtyrertod selbst, lehrt unser Prophet Mohammed."

Dass manch junger Muslim in der Pubertät auf – naja sagen wir – schlechte Gedanken kommt und tatsächlich in den Dschihad zieht, ist vor diesem Hintergrund nicht wirklich verwunderlich. Selbst wenn Milli Görüs das alles eh nicht so meinen sollte, weil sie Gewalt nicht mag und ablehnt: Nur wer beide Augen fest schließt, kann noch ernsthaft über die Radikalisierung junger Muslime überrascht sein. (Was auch sonst so in einer Milli-Görüs-Moschee gepredigt wird, erfährt man in der vom Integrationsfonds in Auftrag gegebenen Moscheestudie.)

Ein Milli-Görüs-Mann wirbt für die SPÖ

Übrigens: Das genannte Foto auf Twitter zeigt nicht nur Vural an der Seite Erbakans. Der Mann rechts neben dem jetzigen IGGiÖ-Präsidenten ist gleichfalls kein unbeschriebenes Blatt. Es ist Resul Ekrem Gönültas, der gelegentlich auch "Milli-Görüs-Mann in der SPÖ" genannt wird. Die Zuordnung zu beidem – Milli Görüs und SPÖ – ist in seinem Fall ganz leicht. Gönültas war Vorstandsmitglied bei der "Islamischen Föderation" (alias Milli Görüs in Österreich). Darüber hinaus machte er sich unter anderem auch als Betreiber des islam-konformen Lokals "Tulpe" im 15. Wiener Gemeindebezirk einen Namen.

Sein Förderer in der SPÖ war Christoph Matznetter (zuerst als Präsident des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, später als SPÖ-Bundesgeschäftsführer). Bei der Nationalratswahl 2013 kandidierte Gönültas auf Platz 38 der SPÖ-Bundesliste und erhielt prompt satte 12.715 Vorzugsstimmen. Nur Sebastian Kurz und die damaligen Parteichefs von FPÖ, ÖVP, SPÖ und Grünen bekamen noch mehr. Efghani Dönmez – damals Bundesrat der Grünen – ortete Manipulation: Wahlkarten sollen eingesammelt und dann zentral in einer Moschee ausgefüllt worden sein.

Kein Wunder, dass da Christian Kern vier Jahre später nach einem mehr als verpatzten Wahlkampf am Vorabend des Wahltags seinen letzten Wahlkampfauftritt noch schnell Seite an Seite mit Gönültas im türkische Lokal "Kent" im zehnten Wiener Gemeindebezirk absolvierte. Vielleicht findet die SPÖ ja in Zeiten wachsenden Wählerschwunds samt wachsender sozialdemokratischer Richtungslosigkeit bei Milli-Görüs künftige Wähler und Anregungen bei dieser Ideologie!?

Generell gelten für Muslime bzw. Islamisten anscheinend andere Regeln: Sie haben, wie es scheint, Narrenfreiheit. Ihre feindliche Einstellung zur westlichen Gesellschaft und der Antisemitismus in ihren Reihen finden in den Medien kaum Beachtung, zumindest nicht annähernd in dem Maße, in dem es Antisemitismus auf der rechten Seite des politischen Spektrums tut.

Doch vielleicht sind das alles ja wirklich nur böse islamophobe Mutmaßungen – oder besser gesagt: Unterstellungen! Unser neuer IGGiÖ-Präsident hat von all dem womöglich keine Ahnung und fällt aus allen Wolken, wenn man ihn darauf anspricht!? Um die gefährdete Gruppe der Muslime (bzw. der Islamisten) zu integrieren und zu schützen, muss man wohl zuerst alle ihre gemeingefährlichen Kritiker wegen "Islamophobie" desintegrieren.

Nachtrag: Zu den Aussagen der Islamischen Föderation im "Kurier"

Vor wenigen Tagen erschien ein Artikel im "Kurier". Manches darin lässt staunen. Etwa wenn dort steht: "Sie (Milli Görüs, Anm.) stand wegen antisemitischer und antidemokratischer Tendenzen unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes." Das tat sie nicht nur in der Vergangenheit. Bis heute steht Milli Görüs unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Ebenso muss man sich sehr wundern, wenn der "Kurier" Erbakans Zurückweisung des Antisemitismus-Vorwurfs gegenüber der "taz" unwidersprochen zitiert: "Wir waren nie antisemitisch, werden das auch nie sein, aber wir sind antizionistisch geworden." Das haben schon viele Antisemiten vor Erbakan behauptet, aber bei den wenigsten ist die Widerlegung so leicht wie bei Erbakan angesichts der Fülle an Belegen.

Im Artikel versucht darüber hinaus die stets als österreichischer Ableger von Milli Görüs bekannte Islamische Föderation die Verbundeheit mit Milli-Görüs-Gründer Erbakan und der Milli-Görüs-Bewegung hinunterzuspielen. Ohne Beleg wird sogar behauptet, in der Islamische Föderation gehe man "zunehmend auf Abstand zu Erbakan", auch wenn es nie einen öffentlichen Bruch mit dem Gründer gegeben hat.

Die Distanzierungen von Erbakan und Milli Görüs sind freilich ebenso unglaubwürdig, wie jene des IGGiÖ-Präsidenten. Jeder kann das mit Leichtigkeit herausfinden, sofern es ihn interessiert:

  1. Das eingangs genannte Foto mit Milli-Görüs-Gründer Erbakan, IGGiÖ-Präsident Ümit Vural und Resul Ekrem Gönültas (SPÖ) aus dem Jahr 2010 befand sich ursprünglich auf der Website der Islamischen Föderation und wurde von dort erst gelöscht, als der Historiker Heiko Heinisch einen kritischen Artikel über Ümit Vural geschrieben hat, wie Heinisch berichtet.
  2. Seit Erbakans Wien-Besuch hat man den Milli-Görüs-Gründer bei der Islamischen Föderation nicht vergessen, wie zahlreiche Lobpreisungen für Erbakan auf Facebook-Seiten verschiedener Ableger der Islamischen Föderation beweisen. Die Islamische Föderation Wien gedachte etwa 2016 Erbakans Geburtstag – siehe hier – und rief auch in mehreren Zentren zum Gedenken an dessen Todestag auf – siehe hier. (Screenshots helfen als Beleg, sollte die Islamische Föderation diese Postings nun löschen.) Als sich nun Ende Februar Erbakans Todestag zum achten Mal jährte, würdigte das Alif-Zentrum der Islamischen Föderation in Perg (Oberösterreich) Erbakan mit den Worten: "Wir gedenken einem großen islamischen Vordenker und Gelehrten, Prof. Dr. DI. Necmettin Erbakan, der heute vor acht Jahren seinem Schöpfer gegenüber getreten ist." (siehe hier) Der Hashtag beim Beitrag #necmettinerbakan führt zu einer Sammlung von Erbakan-Zitaten, von denen "mehrere eindeutig antizionistisch bzw. antisemitisch konnotiert sind", wie das "Oberösterreichische Volksblatt" berichtet. Detail am Rande: Der Vorsitzende des Alif-Zentrums ist Resul Koca, seines Zeichens Religionslehrer im Landesdienst. Angesichts dieser ideologischen Verbundenheit mit Milli Görüs und ihrem Gründer ist es sekundär, ob die Islamische Föderation nun tatsächlich "politisch und finanziell unabhängig" ist, wie sie behauptet.
  3. Dass die heimischen Moscheen sehr wohl mit Milli Görüs verbunden sind, belegt gerade indirekt das eingangs genannte Zitat des IGGiÖ-Präsidenten Vural, wonach für ihn "Milli Görüs" sein Vater sei, der ihn "mit sechs Jahren in die nächste Moschee mitgenommen hat" (siehe oben).
  4. Besonders pikant: Am 4. November 2013 hielt ein sehr informativer Artikel im "Standard" fest: "Der Versuch, die Islamische Föderation in Österreich von der Milli-Görüs-Bewegung zu separieren, ist nicht glaubwürdig. Dafür ist die personelle, organisatorische und ideelle Verzahnung mit selbiger zu sehr ausgeprägt." Der Autor des Artikels ist Rusen Timur Aksak und seit kurzem Pressesprecher der IGGiÖ ...

Eva Rössler ist eine österreichische Publizistin, die sich auf Islamfragen spezialisiert hat und aus Sicherheitsgründen unter Pseudonym schreibt.

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