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Neuer Anschlag auf die Meinungsfreiheit: Ein Appell an Staatssekretärin Edtstadler

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, liebe Karoline!

Du hast im Rahmen der Kampagne gegen Hass im Netz vorgeschlagen, Beleidigungen im Internet verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden. Es soll knackige Strafen geben. Der vierte Abschnitt des Strafgesetzbuches – strafbare Handlungen gegen die Ehre – reicht Dir offensichtlich nicht aus.

Zunächst erscheint es unverständlich, warum Du Hass und Beleidigung in einen Topf wirfst. Ich kann mir das nur so erklären, dass Du die Verteidiger des Rechts auf Beleidigung herabwürdigen, also beleidigen möchtest. Beide Dinge muss man auseinanderhalten. Wenn man jemanden beleidigt, heißt das ja noch lange nicht, dass man diese Person auch hasst. Hass ist übrigens eine "elementare Gewalt" (André Glucksmann), die zu verbieten ein gesetzgeberisches Kunststück darstellen würde.

Bevor ich das Recht auf Beleidigung weiter verteidige, habe ich ein paar Fragen, wie Dein flächendeckendes Erziehungsprogramm funktionieren soll:

Wirst Du im Innenministerium eine Task Force installieren, die täglich nichts anderes tut als im Internet nach Beleidigungen zu suchen? Oder soll jeder Polizist, wenn er gerade im Internet surft, ein besonderes Augenmerk auf Beleidigungen legen? Wird es Schwerpunktaktionen geben? Sollen Postings bestimmter Medien unter Dauerbeobachtung gestellt werden?

Welches Budget stellst Du Dir für eine solche Task Force vor? Wird es interne Richtwerte geben, wie viele Strafmandate monatlich ausgestellt werden müssen, damit sich die Anti-Beleidigungstruppe rechnet? Rechnest Du mit der Entwicklung einer Branche von privaten Beleidigungssheriffs wie bei den Rauchergesetzen? Denkst Du an die Einrichtung einer Whistleblower-Hotline?

Wo wird die Grenze zwischen strafbaren beleidigenden Äußerungen und polemischer Kritik gezogen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als zulässig erachtet? Wird es spezielle Schulungen für Polizisten geben, damit diese Beleidigungen gezielt erkennen können? Werden all jene ins Visier der Beleidigungspolizei geraten, die im Internet ihr Herz über Trump, Putin, Erdogan und Co offen ausschütten? Wie sieht es mit Beleidigungen hinsichtlich des Innenministers aus, der ja sehr oft das Objekt der Begierde sprachlicher Angriffe sein dürfte? Apropos: Können Rücktrittsaufforderungen an einen Politiker (z.B. Juncker) das Beleidigungsdelikt verwirklichen? Cuius regio, eius religio?

Würdest Du ein Satiremagazin wie Charlie Hebdo, dessen Geschäftsmodell aus Beleidigungen besteht, einer Dauerbestrafung unterziehen? Wie hältst Du es mit Mohamed-Karikaturen? Ist Dein Strafanspruch räumlich irgendwie begrenzt oder erstreckt er sich auf die ganze Welt des Internets?

Wie wirst Du den Erfolg messen, also die "Evaluation" durchführen? Ist das Programm umso erfolgreicher, je mehr oder je weniger Bestrafungen es gibt? Diese Frage ist besonders wichtig, da Prohibition in der Geschichte oft gegenteilige Wirkungen erzeugt hat. Die Vereinigten Staaten können bezüglich des Alkohols ein Lied singen. Auch jene Staaten, die die Prostitution verbieten, erhöhen durchgehend ihre Gewaltprobleme. Auch von der Keuschheitskommission unter Maria Theresia gibt es nichts Positives zu vermelden, was aber möglicherweise daran liegt, dass sie eine historische Erfindung sein dürfte.

Die Sache mit dem Gouvernantenstaat ist also immer daneben gegangen. Der Staat sollte nicht den Anspruch erheben, eine Ersatzkirche zu sein. Viele Menschen wissen oder fühlen, dass der Staat in seinem Regulierungsstreben schon viel zu weit gegangen ist. Deshalb gibt es seit Bundeskanzler Kurz übrigens ein Ministerium, das den Regierungszweck Deregulierung im Namen führt. Diese Bestrebungen solltest Du nicht konterkarieren.

Dennoch scheinst Du als Staatssekretärin eine Erziehungsfunktion auszuüben und spielst die Möchtegern-Großinquisitorin. In meiner Welt mutierst Du – und das kann durchaus beleidigend aufgefasst werden – zu einer Vertreterin des Meinungssozialismus. Der Unterschied: Du willst knackige Strafen, ich will Dich knicken. Ich will, dass es Dir leid tut, dass Du diesen Bestrafungsvorschlag gemacht hast. Ich will, dass Du ein paar Nächte nicht schlafen kannst, weil Du einer weiteren Kriminalisierung von Meinungsäußerungen das Wort redest.

Bin ich mit allem, was ich hier geschrieben habe, ein Kandidat für Dein neues Verwaltungsstrafrecht?

Liebe Karoline: Wenn man die negativen Auswüchse im Internet bekämpfen will, brauchen wir nicht weniger Meinungsfreiheit, sondern das Gegenteil: Wir brauchen mehr Meinungsfreiheit. Wir brauchen das offene und unbefangene Wort. Wir brauchen freie Menschen, denen nicht ständig eine Art moderner Zensur droht. Mit polizeistaatlichen Methoden schafft man keine bessere Welt – auch nicht im Internet.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

 

 

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