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Der ORF plant ein Monopol-Kartell – und die Regierung murmelt Beifall

Im Medienbereich tut sich Abenteuerliches. Statt dass endlich Privilegien, Oligopole und Steuergeld-Verschwendung eingebremst und abgebaut werden, läuft die nächste Etappe der Selbstbedienung mit monopolistischen Rechten und Steuergeldern. Und da sich die Regierung mitmachwillig gibt, hat das geplante Kartell gute Realisierungschancen. Begriffe wie Wettbewerb, Entlastung der Bürger, Vielfalt, mediale Unabhängigkeit, Marktwirtschaft und Verbot von Zwangsarbeit kommen in der österreichischen Medienwelt und Medienpolitik nicht vor. Hauptsache, sie können sich alle auf unsere Kosten bedienen: der ORF und im Schlepptau die brustschwachen Privaten.

Eine der neuen Ungeheuerlichkeiten ist der Vorstoß des ORF-Generals Wrabetz, mit dem er neue Steuergelder anzapfen will. So, als ob Zwangsgebühren, Bestechungsinserate, Mehrwertsteuerbegünstigungen und die gesetzlichen Presseförderungen noch immer nicht ausreichen würden. Er schlägt einen neuen "nationalen Produktions- und Förderfonds" vor. Um diese Unverschämtheit zu tarnen, redet er davon, dass diese nur "für private Medien" gedacht sei, "insbesondere" auch die Printmedien.

In Wahrheit will er natürlich primär sich und seinem von rapidem Seher-Schwund geplagten ORF helfen. Denn durch diese Konstruktion könnte er gleichsam über die Bande einer neuen Belastung der Steuerzahler die "Gefahr" bannen, dass sich der ORF die Zwangsgebühren-Einnahmen mit den privaten Fernsehsendern und Printmedien teilen müsste. Was ja als eine von vielen vagen Ideen durch die Mediendiskussion geflattert ist.

Wrabetz will, dass Print und Private in ihm einen großzügigen Verbündeten sehen, der ihnen neue Geldmittel aus der Tasche Dritter zukommen lassen will. Wofür sie halt im Gegenzug gefälligst ewig dankbar sein und auf jeden Anspruch verzichten sollen, der die Interessen des ORF beeinträchtigen könnte.

Wer die ängstlichen Privatmedien kennt, der kann davon ausgehen, dass sie Wrabetz auf den Leim gehen werden, obwohl der hinter dessen Vorstoß stehende Trick leicht durchschaubar ist. Aber in ihrer depressiven Dauerstimmung ist alles besser als Wettbewerb. Und ein geschlossenes Kartell der (alten) Medienwelt, das die Politik ständig unter Druck setzen kann, klingt am allerbesten.

Wer die Politik kennt, der ahnt auch, dass diese wieder einmal stehend umfallen wird. Rot und Grün sind ja seit langem sowieso der verlängerte Arm des ORF, weil sie wissen, dass sie von dort journalistisch stets unterstützt werden. Und Schwarz-Blau fehlt es ganz offensichtlich an medienpolitischer Ahnung, um zu begreifen, was der Ausbau eines solchen Kartells bedeutet, der die alten Medien unabhängig von den (steil fallenden) Leser- und Seherzahlen machen würde.

Und selbst, wenn sie das begriffen, fehlt es ihnen an Mut, sich einem solchen Kartell zu widersetzen. Sie ahnen nicht einmal, wie sehr sie sich mittel- und langfristig dadurch selbst beschädigen, wenn sie die ORF-Privilegien nicht nur unangetastet lassen, sondern sogar einen Ausbau ermöglichen. Denn die Geschädigten sind einerseits die Bürger, die zunehmend auch über die Regierung verärgert sind, weil sie das alles zahlen müssen. Aber andererseits ist Schwarz-Blau auch direkt geschädigt, weil im ORF (fast) lauter Schwarz-Blau-Hasser angefüttert werden.

Dabei müsste die Regierung nur auf Dänemark blicken, wo eine parteipolitisch ähnlich positionierte Mitte-Rechts-Regierung dem dortigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einer ersten Etappe jetzt immerhin 20 Prozent der Gelder wegnimmt. Wo man also genau in die Gegenrichtung geht.

Die größte Hoffnung, dass der Wrabetz-Plan doch nicht aufgeht, fußt gar nicht mehr in der Politik, sondern in einem strategischen Fehler des ORF-Mannes: Er will die Gelder für den "Förderfonds" aus einer künftigen "Digitalsteuer" nehmen. Diese Steuer ist aber noch ein sehr nebuloses Projekt,

  • da trotz jahrelanger Debatte noch immer niemand in Europa steuerrechtlich genau definieren kann, was durch eine solche Steuer eigentlich genau besteuert werden soll und wie das technisch gehen soll;
  • da einige EU-Staaten strikt gegen eine solche Steuer sind;
  • da die Einführung einer Digitalsteuer überhaupt ein absurder Kontrast zu einer Politik wäre, die gerade lauthals die Digitalisierung als ihr zentrales Projekt zu verkaufen versucht. Es wäre jedenfalls ziemlich eigenartig, genau jenen Bereich zusätzlich zu besteuern, dessen Entwicklung man fördern will. Denn jede Steuer, die die US-Giganten treffen soll, würde irgendwie auch österreichische Digital-Start-Ups treffen;
  • und da es überdies geradezu pervers wäre, das durch eine neue Steuer lukrierte Geld dann ausgerechnet alten Technologien zukommen lassen, um deren Sterben zu verlängern.

Zwangsarbeit für die Bundesliga

Mit einer weiteren Ungeheuerlichkeit ist Wrabetz überhaupt schon politisch fast am Ziel, nämlich mit dem Wunsch, dass die Fußball-Bundesliga wieder im ORF laufen muss. Denn dazu ist schon vom FPÖ-Vizekanzler (und Sportminister) Strache wie auch vom ÖVP-Medienminister Blümel die Zustimmung gekommen. Sie reden sich darauf aus, dass manche Fußballvereine nach Rückkehr der Übertragungen ins Free-TV verlangt hätten.

Wiederum verpackt Wrabetz seine Forderung geschickt nicht als eine solche im Interesse des ORF, sondern als eine im Interesse aller frei empfangbaren Fernsehanstalten. In Wahrheit aber wird eine Realisierung mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit nur oder vor allem dem ORF zugutekommen. Denn der hat ja dank Gebühren die weitaus meisten Gelder, kann daher mehr lizitieren als ATV, Puls4 oder Servus – wenn auch offenbar deutlich weniger als der Bezahlsender Sky.

Der ORF hat zwar immer weniger, aber noch immer mehr Zuschauer als jeder der Privaten. Genau an den Fernseh-Zuschauerzahlen sind einige Fußballvereine besonders interessiert. Denn sie haben entdeckt, dass ihre Sponsoren weniger zahlen, seit ihre Sponsorenwerbung nur noch in einem Bezahlkanal wie Sky zu sehen ist.

Überraschung, Überraschung. Die Vereine haben Sponsoren offenbar für Wohltäter gehalten. Aber die schauen natürlich genau, wie viele Menschen ihre Werbung sehen. Und sie zahlen nur in Relation zu dieser Zahl. Auf Sky sehen halt viel weniger Menschen die Werbung am Spielfeldrand oder auf den Dressen. Daher gibt’s weniger Geld von den Sponsoren.

Das bekommen besonders die (für österreichische Verhältnisse) größeren Vereine zu spüren, die bisher am meisten Werbegelder eingenommen haben. Deshalb haben sie heftig zu jammern begonnen, seit Fußball nicht mehr auf ORF zu sehen ist.

Freilich ist das Verhalten der Bundesliga-Vereine mehr als schizophren. Denn es war ja die Bundesliga selbst, die um viel Geld die Übertragungsrechte an Sky verkauft hat. Zwar mag sein, dass die Aufteilung der Gelder via Bundesliga gleichmäßiger erfolgt, dass also Rapid, Austria und Salzburg weniger bekommen, als sie auf Grund ihre Markenwertes an Werbeeinnahmen lukrieren können. Aber jedenfalls kann man nicht zuerst teuer die Übertragungsrechte verkaufen und dann ein Gesetz verlangen, dass Fußball im frei ausgestrahlten Fernsehen empfangbar sein muss. Ein demokratischer Gesetzgeber sollte kein "Wünsch-dir-was" für finanzielle Einzelinteressen sein.

Aber auch unabhängig davon ist das Ganze eine Sauerei. Es ist skandalös, dass ein Gesetz vorschreibt, wer das Recht zu bekommen hat, eine rein kommerzielle Veranstaltung zu übertragen. Der Profifußball ist nun einmal eine kommerzielle Veranstaltung genauso wie etwa der Opernball oder das Neujahrskonzert. Letztlich läuft es rein rechtlich auf Zwangsarbeit hinaus, wenn ein Veranstalter – etwa eben die Bundesliga – die Einnahmen nicht mehr optimieren darf. Wenn er also Übertragungsrechte – die sind ja zentraler Teil der Einnahmen – nicht an den verkaufen darf, der am meisten dafür zahlt, sondern sie billiger etwa an den ORF geben muss.

Ein solches Gesetz hat nur in jenem Bereich eine moralische Legitimität, wo es um die Übertragung demokratie- und staatspolitisch relevanter Ereignisse geht, also etwa von Parlamentssitzungen oder Ansprachen des Bundespräsidenten (falls die irgendjemand sehen will). Hier sollte keine Anstalt von einer Direktübertragung ausgeschlossen sein. Aber Fußball zählt ganz eindeutig nicht in diese Kategorie.

Daher gibt es noch eine kleine Verhinderungs-Chance, wenn Strache und Blümel wirklich diesen Befehl von Wrabetz erfüllen sollten. Dann besteht eine gute Chance, dass eine diesbezügliche Verordnung vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben werden könnte. Eine solche Aufhebung würde allerdings ein ziemlich schiefes Licht auf die Koalition werfen. Denn derzeit tut diese ja so, als ob VfGH-Sprüche etwa in Sachen Schwulenehe den in Stein gemeißelten zehn Geboten gleichen würden.

Ich wäre freilich nicht total überrascht, wenn Sky, DAZN (ein weiterer Sport-Bezahlsender) und Bundesliga auf österreichische Art durch einen Hinterzimmer-Deal oder durch brutale Druckausübung vom Gang zum VfGH abgehalten würden. Die Bundesliga kassiert bekanntlich jetzt schon viele Subventionen. Da wird es halt künftig noch ein bisschen mehr sein …

Gewiss spürt die Politik derzeit auch ein wenig Druck durch verärgerte Menschen, die klagen, weil sie die Bundesliga nicht mehr im ORF sehen können. Nur zieht die Regierung die völlig falsche Konsequenz aus diesen Klagen. Richtig wäre einzig, endlich alle Bürger von der ORF-Gebühr zu befreien. Daraufhin könnte jener Teil der Seher, der an Fußball interessiert ist, problemlos einen Teil des ersparten Geldes für Übertragungen ausgeben.

In der Wrabetz-Strache-Blümel-Konstruktion werden hingegen künftig die Gebühren aller in die Fußballkanäle umgelenkt. Also auch all jener, die an Fußball völlig desinteressiert sind. Und gleichzeitig werden private Organisationen zu Zwangsarbeit verurteilt, indem sie mit dem ORF arbeiten müssen, obwohl sie dort weniger Geld als von Sky&Co bekommen.

ORF contra Google: Monopol gegen Monopol

Auch das dritte Projekt, das der ORF lanciert, ist ein mutmaßlicher Monopolmissbrauch. Zwar ist die Idee richtig, dass es Google konkurrierende unabhängige Online-Vermarktungsplattformen geben soll. Denn Google hat sich de facto ein Monopol für die Schaltung von Werbung auf allen Online-Seiten aufgebaut. Konkurrenz zu Google wäre daher wichtig und richtig. Schon damit die Preise, Konditionen und Gewinne, die Google derzeit durchsetzen kann, dem Wettbewerb ausgesetzt und damit niedriger würden (womit auch die von Google derzeit ringsum demonstrierte Präpotenz geschmälert würde).

Jedoch ist es mehr als zweifelhaft, ob eine solche Konkurrenz zu Google ausgerechnet in Österreich aufgebaut werden kann. Noch zweifelhafter wird es, wenn sich ausgerechnet ein Gebührenmonopolist wie der ORF, der gleichzeitig selbst einen saftigen Anteil der Online-Werbung lukriert, zum Kämpfer gegen einen anderen Monopolisten aufschwingt.

Während aber aus diesem dritten ORF-Vorstoß unter – vielen – Umständen noch etwas Sinnvolles werden kann, ist der vierte Wrabetz-Vorstoß besonders infam: Er will alle Online Streaming-Dienste (also alles, wo man via Internet Filme und Videos anschauen kann) unter einem ORF-Dach zusammenführen. Er will also die Monopol-Situation noch weiter ausbauen.

Er verbindet das überdies mit der Forderung, dass die wenigen Restriktionen, denen der ORF noch ausgesetzt ist, abgeschafft werden sollen: So muss der ORF derzeit noch Inhalte der ORF-TVThek nach sieben Tagen vom Netz nehmen, so darf er derzeit theoretisch keinen Online-Only-Content geben. Das alles will Wrabetz weg haben – nur weil er ein neues Streaming-Monopol aufbauen will, das kein Mensch braucht.

Chuzpe, dein Name sei künftig Wrabetz.

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