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Grasser und die sich unparteiisch ausgebende Justiz

Es ist juristisch völlig richtig, dass der Ablehnungsantrag von Karl-Heinz Grasser gegen die Richterin in seinem bevorstehenden Prozess gescheitert ist. Der Antrag hatte sich auf zynische Twitter-Äußerungen des Ehemannes der Richterin gestützt. Dennoch zeigt auch gerade diese Twitter-Affäre den Rechtsstaat neuerlich in einem katastrophalen Zustand.

Denn der Mann der Richterin Hohenecker ist ebenfalls Richter und hatte einst – bevor seine Frau als Grasser-Richterin zum Zug gekommen ist – eine Reihe Grasser-Verachtungs-Meldungen über Twitter abgesetzt. Aber im 21. Jahrhundert kann natürlich keine Ehefrau für deplatzierte Äußerungen ihres Mannes in irgendeiner Weise haften. Selbst wenn diese nicht gerade im Dissens mit ihr erfolgt sind. Die Ablehnung des Antrags geht also schon in Ordnung.

Bedenklich sind hingegen das Verhalten und diverse kolportierte Aussprüche dieser Richterin selbst, die im Westenthaler-Prozess den ehemaligen blauen Politiker wegen Aktivitäten als Fußballbundesliga-Geschäftsführer zu einer absurd hohen Strafe verurteilt hatte (die Berufung läuft noch). Vor allem das macht deutlich, dass Grasser in diesem Prozess mit keinem unbefangenen Gericht rechnen kann. Das Gleiche kann aus der massiven Vorverurteilung in vielen Medien geschlossen werden, obwohl die Beweise gegen Grasser extrem dünn sind.

Der Verdacht ist groß, dass die offensichtlich eher explizite politische Einstellung der Familie Hohenecker den Präsidenten des Wiener Landesgerichts nicht gerade gestört hat. Er hat es jedenfalls immer strikt vermieden, einer anderen Richterin diesen Prozess zuzuteilen, obwohl die (rein prozessrechtlichen) Einwände gegen die Zuteilung der Causa an Frau Hohenecker zum Unterschied von den Tweets des Ehemannes auch juristisch sehr gewichtig sind. Über diese Einwände wird der OGH aber absurderweise erst einen Tag vor dem angesetzten Beginn des Grasser-Prozesses im Landesgericht entscheiden, was theoretisch den ganzen Prozess noch platzen lassen und um ein weiteres Jahr verschieben könnte.

Gefühlsmäßig glaube ich jedoch nicht, dass der OGH die Hohenecker-Entscheidung des Landesgerichts-Präsidenten wirklich kippen wird. Denn dadurch würden der Justiz große Kosten und ein noch viel gewaltigerer Imageschaden entstehen. Denn dann bliebe dem LG-Präsidenten wohl keine weitere Alternative als der Rücktritt. Vor einer so totalen Bloßstellung des eigenen Standes scheuen Höchstrichter aber meist prinzipiell zurück.

Die seltsamen Twitter-Äußerungen von Herrn Hohenecker bedeuten freilich ganz unabhängig davon einen schweren Imageschaden für die Justiz – wenn auch auf ganz anderer Ebene. Wie in aller Welt kann es das geben, dass sich ein Richter in der Öffentlichkeit so offen über ein laufendes Verfahren äußert? Und Twitter ist Öffentlichkeit, das sollte auch ein Richter begreifen. Wieso muss der Mann jetzt nicht selbst mit einem Disziplinarverfahren rechnen, obwohl er das Ansehen der Justiz dadurch – mutmaßlich – schwer beschädigt hat?

Oder dürfen Richter heute alles – wenn es nur links genug ist?

Das erinnert mich an einen Studienkollegen und guten Freund, der dann später ein bekannter Richter geworden ist. Er beteiligte sich als solcher nicht einmal an normalen Wahlen, weil er das für unvereinbar mit dem absoluten Anspruch eines Richters gehalten hat, neutral und unparteiisch nicht nur zu scheinen, sondern auch bis in die anonyme Wahlzelle hinein zu sein. Wenngleich mir damals diese Haltung als ein bisschen übertrieben erschienen ist, so hat sie mir in ihrem rigorosen Ethos doch gewaltig imponiert.

Beim Ehepaar Hohenecker imponiert mir gar nichts. Weder ihr Verhalten im Westenthaler-Prozess noch seine Tweets. Abschließend eine kleine Auswahl aus diesen süffisant-zynischen Stellungnahmen:

  • "Sollte #bandion (gemeint: Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die ja wieder Richterin geworden war) der Prozess gg. #grasser zufallen, wenn es denn je einen geben wird, so spricht es sich leichter von Minister zu Minister."
  • "Grasser-Prozess wartet noch auf Bandion-Ortner, weil Minister einander besser verstehen." Ganz offensichtlich hat da schon eine andere Richterin desselben Gerichts begierig darauf gewartet, Grasser in die Finger zu bekommen, sonst wäre der Mann wohl gar nicht auf die Idee gekommen, sich ständig mit dieser Zuständigkeitsfrage zu befassen, die damals nur gerichtsintern im Zentrum gestanden ist. Außerdem gibt damit ein Richter(!) offen zu, dass die Einteilung eines Richters zu einer Causa offenbar gerichtsintern viel mehr gestaltbar ist, als die einfachen Bürger meinen, die an den eigentlich in der Verfassung garantierten "gesetzlichen Richter" glauben (also daran, dass die Zuständigkeit eines Richters für ein Verfahren unverrückbar festeht).
  • "immer noch aktuell!" So der Kommentar zu dem Musikvideo "Karl-Heinz" zweier Wiener Liedermacher, das den Ex-Finanzminister scharf attackiert.
  • "Na dann, jetzt haben sie ihn aber echt dran gekriegt..." So die zynische Bemerkung zu einer Zeitungsmeldung, Grasser müsse die Nutzung eines Porsches nachversteuern.

PS: Und das alles parallel zum ungeheuerlichen Verhalten des Verfassungsgerichtshofes, der im Lauf der Jahre weitgehend selbst(!!) die Judikatur zu Ehe und Verpartnerung  so umgeschrieben hat, dass er nun (zwei Wochen, bevor es dort mit der linken Mehrheit zu Ende gehen dürfte) aus der von ihm selbst gestalteten Rechtslage plötzlich einen Anspruch homosexueller Partner auf Eheschließung abgeleitet hat. Genau das hatte er selbst früher immer abgelehnt. Motto: Wenn es schon nicht im Gesetz steht, so basteln sich die Richter halt ihr Recht. Und ihre Zuständigkeiten.

PPS: Warum brauche ich an solchen Tagen gleich drei Schnäpse, um noch an den Rechtsstaat zu glauben?

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