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Österreich, Deutschland und Mitteleuropa: Vergebene Chancen

Wenn fast alle 27 EU-Mitglieder den Sitz zweier nach dem Brexit zur Wanderung gezwungener EU-Agenturen selbst haben wollen, dann ist es nicht sonderlich überraschend, dass Wien dabei nicht zum Zuge kommt. Dennoch stößt bei dieser Entscheidung gleich mehrerlei Seltsames auf – aber auch, was die künftige österreichische Außenpolitik dringend lernen sollte.

Rund um die nun gefallene Entscheidung fällt auf, wie wenig österreichisches Engagement es dabei gegeben hat. Die Bewerbung ist weitgehend auf Beamtenebene abgehandelt worden und hat eher nur pro-forma-Charakter gehabt. Weder der Noch-Bürgermeister, noch der Noch-Bundeskanzler, noch der Noch-Außenminister haben sich da erkennbar engagiert. Offenbar haben sie alle geahnt, dass da kaum Lorbeeren zu holen sein werden. Also hat man es gleich bleiben gelassen und lediglich den um sein eigenes Amt bangenden Finanzminister und eine wenig Sympathie ausstrahlende Wiener Stadträtin ausgeschickt.

Überraschend ist, dass zumindest vorerst gegenseitige Vorwürfe der Noch-Koalitionspartner ausgeblieben sind. Offenbar haben sie aber alle derzeit andere Sorgen als das übliche Gekläff: "Die anderen sind schuld".

Viel gravierender ist, dass seit langem auch sonst nichts Internationales von Belang mehr nach Wien übersiedelt ist. Die einstigen Vorteile des neutralen Standortes ziehen seit der Wende im Osten nicht mehr. Davor war Wien als Standort sehr beliebt, auf den sich Ost und West am leichtesten einigen konnten. Heute ist Wien hingegen nur noch in der Eigenpropaganda attraktiv. Heute werden im Ausland primär die Nachteile Wiens gesehen, von der internationalen Diplomatie wie auch von der multinationalen Wirtschaft. Diese zieht daher lieber an Standorte wie Prag oder Warschau, wenn sie neue Europazentralen aufbaut.

  • Dort ist die Steuerlast viel geringer (was jedem der involvierten Spitzenmanager persönlich sehr wichtig ist, auch wenn sie nie laut über eigene Interessen sprechen).
  • Dort ist das vor Ort anzuheuernde Personal viel billiger (was man sehr genau weiß, aber ebenfalls kaum anspricht).
  • Dort herrscht Aufbruchsgeist (was man zwar nicht messen kann, was man aber spürt).
  • Und dort gibt es keine Probleme mit Drittwelt-Migranten (worüber man aus Political Correctness erst recht nicht spricht).

In der EU hat man sich aber nicht für Reformstaaten, sondern für Paris und Amsterdam entschieden, also zwei Städte aus der Gruppe der allerersten sechs Mitgliedsländer. Auch Mailand und Frankfurt, die ebenfalls sehr gut im Rennen waren, liegen in diesen sechs Ur-EU-Staaten. Lediglich die irische Hauptstadt Dublin gehört zu einem der 21 später Gekommenen.

Das zeigt einen offensichtlich klaren Vorteil der Altmitglieder: Sie wissen noch immer am besten, wie man auf dem Basar, der die EU nun einmal ist, Mehrheiten für sich zimmert. Es ist irgendwie erstaunlich, dass das die anderen noch immer nicht gelernt haben, obwohl etwa Österreich schon seit bald 23 Jahren Mitglied ist.

Das bescheidene Ergebnis der Abstimmung über die beiden EU-Agenturen sollte jedenfalls klarmachen, dass Österreichs Außenpolitik dringenden Handlungsbedarf hat. Dabei geht es nicht nur darum, endlich wieder einen Regierungschef mit Profil im Europäischen Rat zu haben, was die beiden letzten ja in keiner Weise waren. Dabei geht es vor allem auch darum, dass sich Österreich Freunde und Partner suchen muss. Was es aus Dummheit oder Arroganz bisher unterlassen hat (Wir sind ja eh die Tollsten).

Österreich war bisher in seiner außenpolitischen Beziehungspflege viel zu sehr großmachtorientiert. Bis 1989 war das durch den alles dominierenden Ost-West-Konflikt und im Schatten des Staatsvertrags auch notwendig und richtig. Nachher war dann der deutsche Nachbar der richtige große Bruder, um Österreich in die EU (damals EG) zu hieven. Der austrophile Helmut Kohl war dabei sehr hilfreich. Er hatte auch viel Gespür für die Sensibilitäten kleiner Länder.

Mit Gerhard Schröder und Angela Merkel war das dann aber total zu Ende. Beide sahen und sehen Deutschland als Europas dominierende Großmacht, die in der EU maximal auf Frankreich Rücksicht zu nehmen hat. Für Österreich blieb da eher nur die Rolle einer Kolonie, die man zu bestrafen hat, wenn sie nicht pariert, wie etwa 2000, und die man nur dann nett behandelt, wenn sie sich wie Werner Faymann bis Anfang 2016 wie Merkels gehorsamer Pudel verhalten. Dass Österreich eigenständig denkt und handelt, wie es das dann 2016 – zum Glück – bei der Balkansperre getan hat, ist nicht vorgesehen. Aber zugegeben: Merkel hat heute auch wenig übrig für die beiden großen angelsächsischen Länder. Für sie gibt es neben Frankreich nur Russland und China. Was soll da Österreich?

Unter Merkels Nachfolger dürfte sich das deutsch-österreichische Verhältnis zwar wieder verbessern. Dennoch sollte die neue Regierung in Wien erkennen: Für Deutschland werden wir nie ein wirklich gleichwertiger Partner sein. Wir spielen halt in der Unterliga.

Was an sich kein Problem ist. Siehe andere kleine und mittelgroße EU-Länder: Sie agieren ständig in regionalen Zusammenarbeitsgruppen. Das tun vor allem die Benelux-Länder und die Skandinavier (wo übrigens auch Neutrale und Nato-Länder eng zusammenarbeiten, auch sicherheitspolitisch).

Österreichs Region ist natürlich Mitteleuropa, also der Raum mit den Nachbarländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien, aber auch mit Kroatien und dem prinzipiell österreichfreundlichen Polen, das ja zuletzt großes Desinteresse in Deutschland und Frankreich an seinen Großmachtallüren entdecken musste.

Es ist einfach nur dumm und rückständig, wenn man in Österreich noch immer hochmütig auf diese Länder herabblickt, wie es manche Linke tun. Prag, Budapest, Bratislava boomen unglaublich, die Arbeitslosigkeit ist niedriger als in Österreich, und die noch deutlich tieferen Gehälter werden rapid höher. Österreichs Wirtschaft von den Banken bis zum Handel ist mit diesem Raum enorm verquickt, aber es gibt vor allem aus Tschechien auch zunehmend Wirtschaftsaktivitäten Richtung Österreich.

Sie alle haben von Sozialismus mehr als genug. Was naturgemäß Österreichs restliche Linke stört.

Die Tatsache, dass diese Länder noch Netto-Empfänger von EU-Hilfe sind, spricht schon gar nicht gegen eine viel engere Kooperation. In Österreich hat man ja auch das Burgenland nicht ausgeschlossen, als dieses längere Zeit Ziel-1-Gebiet der EU-Hilfe war, sondern sich darüber gefreut und über gemeinsame Projekte nachgedacht, mit denen man an EU-Geld kommen kann.

Österreich sollte dringend eine viel engere Kooperation mit diesen Ländern suchen. Das ist ganz unabhängig davon möglich und sinnvoll, wie sich die formelle Visegrad-Achse zwischen vier dieser Nachbarländer weiterentwickelt.

Eine Kooperation bedeutet aber natürlich gleiche Augenhöhe, auf gut lateinisch ein "Do ut des". Ich gebe, damit auch du gibst.

Daher wäre es etwa Österreich als Vorleistung eines Zusammenrückens gut angestanden, sich jetzt bei der Agentur-Vergabe energisch hinter die Kandidatur Bratislavas zu stellen, statt einen chancenlosen Alleingang zu versuchen. Die slowakische Hauptstadt war ja auch ohne Österreich ganz gut im Rennen. Hätte sie den Zuschlag bekommen, wäre auf Grund der Nähe zu Österreich zweifellos auch ein Randnutzen für die Alpenrepublik abgefallen, so liegt zufällig das Wiener Bio-Forschungs-Zentrum genau Richtung Bratislava. Und vor allem könnte Österreich dann beim nächsten Mal auch seinerseits auf Unterstützung rechnen.

Das Funktionieren solcher Deals ist jedenfalls unter Nachbarn leichter möglich, als wenn Österreich primär auf Malta, Dänemark oder Zypern setzen wollte. Voraussetzung ist freilich auch, dass Österreich mit den üblen Beschimpfungen für seine Nachbarländer aufhört, die die zwei SPÖ-Kanzler der letzten Jahre in ihrem überheblichen Provinzialismus ausgestoßen haben. Aber für ein solches Ende scheint Sebastian Kurz eine gute Garantie zu sein, der ja mit Viktor Orbán ganz gut kann.

Vielleicht geschieht also jetzt, was längst geschehen hätte können. Und sollen.

PS: Dringend nötig wäre eine regionale Kooperation auch für die Balkanländer – aber das ist primär einmal deren Problem nach hundert Jahren mehr oder weniger aggressiv ausgetragener Konflikte.

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