Fast 500 Verletzte hat das brutale Vorgehen der spanischen Polizei gefordert, welche versucht hat, ein friedliches Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien zu verhindern, was ihr dennoch nicht geglückt ist. Der Rest Europas schweigt aber betreten (mit ganz wenigen Ausnahmen). Eine Schande nicht nur für Spanien, sondern auch für ganz Europa.
Diese Brutalität der spanischen Zentralregierung war überdies eine enorme Dummheit. Denn bisher hat die Hälfte der Katalanen die Sezessionsbemühungen der anderen Hälfte und der Regionalregierung in Barcelona durchaus skeptisch eingeschätzt. Jetzt aber sehen auch sie: Katalonien wird von Spanien wie eine Kolonie des 19. Jahrhunderts behandelt, so wie die absolutistischen Monarchen bis zum 18. Jahrhundert Territorien als ihr Privateigentum angesehen haben, in dem sie willkürlich über leibeigene Untertanen verfügen können.
Es ist schlimm, wenn auch noch im 21. Jahrhundert ein europäischer Staat, ein EU-Mitglied in dieser Gesinnung gegen seine eigenen Bürger vorgeht, die vollkommen gewaltfrei lediglich einen Zettel in eine Urne werfen wollten. So werden Demokratie und Menschenrechte mit Füßen getreten.
Und Europa schaut feige weg. Es muss ja nicht Partei für die Katalanen ergreifen. Es müsste lediglich laut und deutlich sagen: "So nicht! Ein EU-Mitglied kann kein Verließ mit erbarmungslosen Kerkermeistern sein." Vor allem dürfte die EU-Kommission keine Signale aussenden, dass sie an der Seite der gewalttätigen Zentralregierung steht, die sich offenbar noch immer im Faschismus wähnt, der ebenfalls erbarmungslos gegen die Katalanen vorgegangen ist.
Man vergleiche diese Haltung nur mit der anhaltenden Empörung der Brüsseler Kommission, weil sich andere Mitgliedsstaaten – im breiten Konsens mit ihren Bürgern! – geweigert haben, Drittwelt-Migranten aufzunehmen.
Wir sehen die schlimmsten Vorurteile über die EU bestätigt: Sie ist ein exklusives Machtkartell zwischen einer aufgeblähten Bürokratie und 28 staatlichen Regierungen. Sie ist ein Eliten-Kartell, in dem die Bürger und ihre Wünsche wenig gelten.
Viele meinen: Die Restspanier hätten doch das gleiche Recht, gegen die Sezession zu sein, wie die Katalanen dafür sind, nur wären halt die Spanier die Mehrheit. Das sei zu akzeptieren.
Dieses Argument irrt. Denn für die restlichen Spanier ändert eine Sezession der Katalanen nichts. Sie kämen deswegen unter keine von ihnen gehasste Regierungsstruktur. Die Katalanen würden hingegen durch Sezession einer solchen Herrschaft entkommen. Daher haben Kastilien, Andalusien & Co keineswegs das gleiche Recht wie die Katalanen, um über deren Los zu entscheiden.
Unter den europäischen Staaten hat Großbritannien das Selbstbestimmungsrecht wirklich umgesetzt. London hat dem Wollen der betroffenen Bürger klar den Vorrang über irgendwelche papierene Verfassungsregeln eingeräumt. Es hat verbindlich gesagt, Schotten oder Nordiren können das Vereinigte Königreich verlassen, sobald die Mehrheit der dortigen Menschen das so will.
Gewiss, auch die Briten waren erst vor einem Vierteljahrhundert so weit. Vorher hatten gerade sie eine lange Geschichte an blutigem Imperialismus und Kolonialismus. Aber sie waren mit britischer Konsequenz zu einem ehrlichen Umdenken und Abgehen vom Chauvinismus bereit. Zuerst entließen sie zwischen den 40er und 60er Jahren relativ geordnet ihre Kolonien in die Freiheit (und zwar ohne jahrelange Kriege, wie sie etwa in Algerien und Vietnam das Ende der französischen Kolonialherrschaft begleitet haben). Und dann öffneten sie eben in den 90er Jahren auch den anderen Teilen der britischen Inseln die Möglichkeit eines Wegs in die Freiheit.
Das Entscheidende an der britischen Haltungsänderung in den 90er Jahren auf den Punkt gebracht: Die Sezession eines Landesteils ist nur noch an den Mehrheitswillen der dortigen Bürger gebunden, nicht mehr an den der restlichen Briten. Dem Vereinigten Königreich gebührt dafür großer Respekt.
Das britische Verdienst ist vergleichbar mit der historischen Entwicklung unter dem Sowjetführer Gorbatschow, der den jahrzehntelang unterjochten und gequälten Völkern die Freiheit zugestanden hat. Zuerst den Ungarn, Tschechen, Polen & Co und dann (freilich in einem mehr turbulenten als geordneten Vorgang, der vor allem von seinem Rivalen Jelzin gesteuert worden ist) den Esten, Georgiern, Ukrainern & Co.
Die Engländer, die Russen können heute viel stolzer auf sich sein als damals, als sie noch an das imperialistische Prinzip glaubten, dass man umso bedeutender sei, je mehr Menschen, je mehr Gebiete man unterjocht hat. Dass sich die Russen inzwischen wieder mit militärischer Gewalt Teile jener frei gewordenen Gebiete zurückgeholt haben, gehört freilich nicht mehr zu den lobenswerten Kapiteln der russischen Geschichte, aber das ist hier nicht das Thema.
Zwar nicht durch ein demokratisches Votum, aber sonst wirklich vorbildlich, weil total friedlich und geordnet, haben sich Tschechen und Slowaken getrennt. Den von den Pariser Vororteverträgen in Jugoslawien unter serbische Herrschaft zusammengepferchten Völkern gelang das hingegen nur durch einen langen Befreiungskrieg – den schlimmsten Krieg, den wir im Nachkriegseuropa miterleben mussten (bei dem übrigens Franz Vranitzky als Bundeskanzler eine sehr üble Rolle gespielt hat, der sich im Gegensatz zu Außenminister Mock damals lange auf die Seite der serbisch gesteuerten Zentralregierung gestellt hatte).
Natürlich hat jeder der neugeborenen Staaten einen im Detail sehr unterschiedlichen Weg in die und in der Unabhängigkeit genommen. Aber es gibt große Gemeinsamkeiten: Die Initiative dazu ist immer von den jeweiligen Völkern ausgegangen. Die internationale Politik und Staatengemeinschaft hat hingegen zuerst immer gesagt: Nein, wie furchtbar! Sezession ist böse! Ihr müsst beieinander bleiben!
Dabei wird im obersten Dokument des Völkerrechts, im Artikel 1 der für alle geltenden UN-Charta, die "Achtung" vor der "Selbstbestimmung der Völker" sogar ausdrücklich beschworen. Es wäre absurd, wenn diese Achtung nur für den Befreiungskampf der Kolonien gelten sollte, wie manche Völkerrechtsprofessoren behaupten, und nicht auch für europäische oder nahöstliche Völker, die sich nach staatlicher Selbständigkeit sehnen. Wie etwa die 15 Millionen Kurden.
Auch empirisch zeigt sich, dass sich all die Warnungen vor einer Sezession nachher jedes Mal als unbegründet herausgestellt haben. Vorher hieß es überall, dass die kleine Slowakei, die kleinen baltischen Länder, das kleine Slowenien alleine nicht lebensfähig wären. Das Gegenteil hat sich gezeigt: Gerade die Kleinen haben sich prächtig entwickelt, sobald sie das in Frieden und unabhängig tun konnten. Wichtig ist immer nur, dass auch nachher voller Freihandel möglich ist. Das ist zumindest bisher in der EU eindeutig der Fall. Tschechen und Slowaken sind heute darüber hinaus sogar die besten Freunde.
Es gibt also weder einen moralischen, noch einen naturrechtlichen, noch einen ökonomischen, noch einen empirischen Grund, eine Sezession für schlecht zu halten. Ganz im Gegenteil: Nur das Selbstbestimmungsrecht ist dem demokratischen Grundprinzip und der Menschenwürde adäquat. Wer wirklich für Frieden in der Welt ist, der sollte für die Schaffung geordneter Abläufe und Richtlinien beim Weg in die Unabhängigkeit kämpfen. Natürlich ist eine gelungene Sezession keine Entscheidung von heute auf morgen. Natürlich sind dabei hunderte Aspekte und Fragen zu regeln.
Aber der EU fällt nichts anderes ein, als den Katalanen zu drohen, dass sie im Fall der Unabhängigkeit aus der Union draußen sind. Das ist infam.
Dennoch ist zugleich zu sagen: Der Einsatz für Selbstbestimmung ist zwar immer ok. Aber der Einsatz von Gewalt dabei ist moralisch erst dann legitim, wenn ein Volk, ein Landesteil brutal unterdrückt wird, wenn es also um eine kollektive Notwehr geht. So wie es etwa bei den Südtirolern bis in 60er Jahre der Fall war, die sich damals mit viel Mut eine recht brauchbare Autonomie herbeigebombt haben.
Auch bei den Kurden, insbesondere in der Türkei, ist ganz eindeutig die brutale Unterdrückung so schlimm, dass man ihren Freiheitskampf als legitim sehen kann (etwas ganz anderes ist natürlich die Frage, ob der Kampf auch irgendwelche Erfolgschancen hat). Selbst auf österreichischem Boden haben erst am Wochenende hier lebende Türken mehrfach gezeigt, wie aggressiv und handgreiflich sie gegen friedliche Kundgebungen der Kurden vorgehen, wie sehr sie unterschwellig allein die Existenz des kurdischen Volkes als Provokation ihres imperialen Türkenstolzes empfinden.
Zurück nach Katalonien: Nach diesem blutigen Sonntag ist erstmals seit Ende der Franco-Diktatur auch dort zu fragen, ob nicht die Grenze überschritten worden ist, wo man auch den Katalanen ein Widerstandsrecht zusprechen muss. Jedenfalls hat der Unabhängigkeitstrieb der Katalanen angesichts des brutalen Vorgehens der zu Tausenden von Madrid ausgeschickten Polizisten eine ungeahnte Unterstützung und emotionale Dynamik bekommen.
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Nachdem die Abspaltung Kataloniens von allen muslimischen Organisationen (von den offiziell 7,5 Millionen Einwohnern sind 500.000 Muslime!) unterstützt wurde, der Attentäter von Barcelona auch in der Unabhängigkeitsbewegung aktiv war und eine Mehrheit der Katalanen muslimische "Flüchtlinge" gegenüber spanischen Nicht-Katalanen bevorzugt, scheint einem europäischen Mini-Kalifat nichts mehr im Wege zu stehen. Und wieder scheint Spanien das Einfallstor für den Islam zu sein und wieder sind es die grenzdebilen Linken (Katalonien wird von einer Koalition von links bis linksextremen Parteien regiert), die glauben, religiöse Fanatiker für ihre Zwecke instrumentalisieren zu können, ohne zu merken, dass es genau umgekehrt ist (siehe Iran). Und vergessen wir bitte nicht, dass dieses Referendum auch Signalwirkung auf die Basken haben wird. Damit könnte ein weiteres Land, nämlich Frankreich, in eine ähnliche Zwangslage wie Spanien geraten. Südtirol, anybody?
... und das erklärt auch das Schweigen der EU. Oder ist es am Ende das, was sich die EU wünscht, ein "Europa der Regionen" und entmachtete Nationalstaaten? Auf jeden Fall braut sich etwas zusammen ...
Der Autor vergisst, dass die EU genau aus diesem Grund den Krim-Russen deren berechtigte Sezessions-Bestrebungen nicht durchgehen lassen wollte.
Wenn man sich die Entwicklungen in Bosnien und Kosovo ansieht, ist man versucht der serbischen Seite von damals recht zu geben.
Den einzigen Faschismus, der sich in Europa vor unseren Augen ausbreitet, ist der türkische Islam-Faschismus -- bereits mit festungsartigen Stützpunkten in jedem Wiener Bezirk, einer Armee auf Abruf, die täglich an Köpfen zunimmt (siehe etwa den Mangel an Hebammen in Wien wegen Geburtenbooms) und fester personeller Verankerung in den blauäugigen Systemparteien und staatlichen Institutionen.
Aber auch dazu wird geschwiegen. ;-)
Unabhängig von der katalanischen Causa (sie ist für einen Beitrag zu komplex) - da ist doch wohl an manchen Stellen im Ausgangskommentar ein bisschen zu flott eher breit drübergewischt worden. Und es leuchtet dieser anglo-amerikanische Patriotismus durch, der dem Blogautor zu eigen ist und der uns die Welt und ihre Bereicherung durch das britische / US amerikanische Wesen ein bisschen so erklärt wie in einem Weihnachtsmärchen von Charles Dickens. Aber sei's drum - wir werden dann halt eben auch einwenden: die Briten haben den allerletzten Grund, die Beendigung ihrer imperialen und kolonialen Vergangenheit als eine Art Triumphzug des Völkerrechtes darzustellen, denn mit die schärfsten Konflikte bis in unsere Gegenwart sind unmittelbare Folge dieser Entwicklung. Einer Entwicklung die im übrigen durch die Sowjets und ihre Unterstützung der Kolonialvölker, teilweise auch durch US Politik herbeigezwungen wurde und unmittelbare Folge der völligen Erschöpfung Großbritanniens und seines Empire durch den sinnlosen Krieg, der durch die antideutsche Fraktion in England wegen Danzig und des Korridors vom Zaun gebrochen wurde (die beide übrigens keinesfalls nach den Regeln des Selbstbestimmungsrechtes Polen zugeschlagen wurden), entstanden war.
Friedlich? Als die Briten den NAHEN OSTEN räumten, hinterließen sie mit Israel / Palästina - Ägypten und dem Irak, dem Yemen und dem Sudan genau jene Region, die in den letzten sechzig Jahren die meisten und die gefährlichsten Kriege hervorbrachten. Schauplatz eines bis zum heutigen Tage anhaltenden Kräftemessens und zufolge der aus der Kolonialzeit stammenden, bewusst nach dem Prinzip 'divide et impera' ethnische Räume ignorierenden Grenzziehung damit geradezu unlösbare politische Dauerprobleme schufen. Teilung auch zwischen Indien und Pakistan - die mehrfach blutige Kriege führten und sich nun als regionale Atommächte gegenüberstehen - diesem Wettrüsten verdanken wir es übrigens, daß es mittlerweile so etwas gibt wie eine islamische Atombombe.
Tja, das mit der Balfour Declaration einerseits den Zionisten Israel auf einem Territorium versprochen wurde, das mit der üblichen gespaltener Zunge britischer Diplomatie auch den Arabern zugestanden worden war, machte unsere Welt kaum friedlicher. Und was sich die britische Diplomatie durch ihre Teilnahme an den Konferenzen von Yalta und Potsdam geleistet hat, das ruft übrigens nach jenen Regeln, welche sie selbst für andere aufstellten, nach einem internationalen Kriegverbrecher Tribunal. Bitte uns zu verschonen mit Lobgesängen auf britische Aussenpolitik. Es ist deren, bis zum heutigen Tag mehr oder weniger offen gezeigter Hass auf Deutschland, der sie zum eigenen Schaden und zum Schaden vieler anderer Fehlentscheidungen treffen lässt, die weitreichendste Auswirkungen zeitigen. Wie es Großbritannien mit dem Selbstbestimmungsrecht im eigenen Land hält, zeigt die gefälschte Abstimmung in Schottland und der Jahrhundertkonflikt mit Irland, der nun endlich erst zu ende zu gehen scheint. UNd was die britische Diplomatie in den neunziger JAhren beim Zerfall Jugoslawiens durch einen gewissen CArrington angerichtet hat, wäre wohl einen eigenen mehrseitigen Beitag wert. Bitte uns zu verschonen mit Lobgesängen auf britische Aussenpolitik. Wir kennen uns nämlich aus.
Da fallen mir drei Dinge ein.
Einmal ist der König ein Volltrottel, der seine eigene Herrlichkeit nicht mag. Denn wenn der den Katalanen (Basken, Galiziern …) einen über die Krone verbundenen Bundesstaat vorstellt, wo nur Aussenpolitik und Militär bei der Zentrale liegen, also Spanien bleibt gleich ‚mächtig‘ in der Welt, aber alles andere bei den Teilstaaten, dann ist er am Ende des Tages der gefeierte König aller Spanier, vielleicht sogar mit mehr Macht als heute, und die Teilvölker haben was sie wollen.
Der Unterschied zwischen Schottland oder gar Nordirland und den Katalanen ist einfach: Geld! Die Katalanen sind Nettozahler in Spanien, die Schotten und Nordiren waren das nie.
Und wie die EU auf ihre Position kommt, muss mir jetzt erstmal jemand erklären. Denn wenn sich ein Staat aufspaltet, so gehen Rechte und Pflichten auf die neuen Staaten über, wo kämen wir da hin, wenn man so seine Schulden und Bündnispflichten einfach entsorgen könnte! Also ist nach jeder Sezession jeder Teilstaat automatisch Mitglied in der EU und kann dann halt an Austritt denken, die Engländer zeigen gerade wie das geht. Schon alleine weil die menschenverachtende Bürokratie in Brüssel nur die Verwaltungseffizienz sieht, gehört sie auf den Misthaufen der Geschichte.
Sonderbarerweise gilt das Recht der Selbstbestimmung für manche Länder schon, für andere nicht. Ja nach belieben der Nachbarn oder der EU. Spannend wird es bei uns nach der Wahl, wenn die Donnerstag Kerzerlmaschierer wieder unterwegs sind, sollte die Wahl nicht zu Zufriedenheit des roten Gesindels ausgehen.
Da gab es doch einmal den Begriff des Völkerkerkers. In unserer K.u.k. Monarchie.
Aber so wurde nie vorgegangen.
Und jetzt passt der Begriff wieder sehr gut. In der heutigen EU! Die ach so guten Gutmenschen schweigen. Wird es Sanktionen geben? Ah die gab es ja damals gegen blau schwarz in Österreich. Wie viele Leute haben die niedergemetzelt? Ach keine? Umgekehrt war es? Die wöchentlichen aggressiven Demos seitens der Linken? Und initiiert durch ..ah wieder einmal die SPÖ.
EU nein danke. Wir sollten alle austreten und Europa neu gründen.
Ohne Sozialismus und ohne Islam!