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Was für eine Schande, ein Wiener zu sein

Ein Jahr lang hatten Rot und Grün behauptet, sie würden der Unesco schon alles erklären können und es würde schon ein Kompromiss gefunden werden. Deshalb sei der Status der Stadt als Weltkulturerbe keineswegs gefährdet. Aber siehe da: Jetzt ist es doch passiert. Die Unesco hat sich als ein korrektes und grundsatztreues Gremium erwiesen, in dem nicht so schmierig agiert wird wie rund ums Wiener Rathaus.

Deswegen steht Wien jetzt auf der Roten Liste der gefährdeten Weltkulturgüter. Deswegen wird Wien auch bald endgültig diesen Status verlieren, wenn nicht doch noch Fünf nach Zwölf ein Mittel gegen das Hochhaus gefunden werden sollte (etwa rechtliche Maßnahmen auf der Bundesebene nach den Nationalratswahlen, weil es ja bei der Unesco-Mitgliedschaft primär um Bundesrecht geht?).

Auffallend ist, dass die Unesco nicht nur das viel zu hohe Hochhaus im Stadtzentrum verdammt, sondern darüber hinaus auch die "massive städtebauliche Entwicklung der letzten Jahre". Wiens Altstadt verliere auch dadurch ihren "außergewöhnlichen, universellen Wert". Besonders genannt werden dabei Bauprojekte bei der Station Wien-Mitte und beim Hauptbahnhof. Gehört doch schließlich auch das Belvedere zum bisherigen Weltkulturerbe. Nicht genannt, aber wohl mit gemeint sind viele extrem hässliche Aufstockungen im Stadtzentrum. Es kann nur beim Intellekt - oder Charakter oder Kulturniveau - von Häupl und Vassilakou denkbar sein, dreistöckige Aufbauten auf Gründerzeithäuser für problemlos zu halten.

"Bravo!" kann man jedenfalls nur voll zynischem Hohn Richtung Rathaus rufen. Das ist die Leistung dieser grauslichen Stadtkoalition, die ihre Schweinereien im Wahlkampf auch noch als "Haltung" zu bezeichnen gewagt hatte. Sie hält diesen katastrophalen Imageverlust für einen hinnehmenswerten Kollateralschaden. Der Profit eines Immobilienspekulanten mit Luxuswohnungen für russische Oligarchen ist ihr viel wichtiger. Irgendwann werden wir aber hoffentlich erfahren, wer sonst noch aller profitiert hat. Und wer dafür hinter Gitter wandert.

Schmutzig gemacht durch ihre skandalöse Zustimmung zum Hochhausbau neben dem Konzerthaus haben sich vor allem die Chefs der Koalition. Ein Bürgermeister, der den Eindruck erweckt, primär beim Heurigen zu sitzen, altlinke Sprüche zu klopfen und jede Kritik an islamistischen Kindergärten für Verleumdung und Manipulation zu erklären, dessen Rücktritt im kommenden Herbst ein paar Jahre zu spät kommt. Und eine griechische Stadträtin, die Null emotionalen Bezug zu dieser Stadt hat, die niemals in diese Position hätte kommen dürfen.

Ungut aufgefallen sind aber auch fast alle anderen Gemeinderäte dieser Koalition. Lediglich eine Minderheit der Grünen hat sich tapfer gegen den schmierigen Deal gewehrt und mit der Opposition gegen das Hochhaus gestimmt. Der Rest hat sogar eine Urabstimmung unter den grünen Parteimitgliedern gegen das Hochhaus ignoriert.

Besonders übel ist aber auch die Wiener Wirtschaftskammer aufgefallen, die sich nicht geniert hat, ausdrücklich für das Hochhaus zu agitieren. Die damit frontal wider die Interessen Zehntausender von Tourismus und Kultur lebender Betriebe dieser Stadt gearbeitet hat (wenn man schon von einer Wirtschaftskammer kein kulturelles oder ästhetisches Denken erwarten kann). Dabei hat eine gleichzeitig mit dem Unesco-Beschluss veröffentlichte Studie gezeigt, dass Wiens Top-Sehenswürdigkeiten teurer sind als die in allen anderen Städten Europas. Was ja auch nicht eine wirklich gute Nachricht für den Wien-Tourismus ist.

Auch Teile der ÖVP und der Neos haben lange die Stadtbildverschandelung erkennbar unterstützt (mit Ausnahme der Schwarzen und Pinken aus dem ersten Bezirk). Und selbst der FPÖ, die am wenigsten unter den Parteien dafür gewesen ist, muss man vorhalten, dass ihr Widerstand nicht sehr engagiert gewesen ist, dass sie ihre Wähler nicht unter den kulturinteressierten Wienern ortet, dass sie deshalb kein Interesse an solchen Themen hat.

Besonders übel ist das Verhalten der Leitung des Wiener Konzerthauses. Sie hätte als Nachbar viel verhindern können, hat sich aber lieber in der Beschimpfung der paar nichtlinken Künstler in der Entertainment-Szene ergangen.

Es ist wirklich grauslich, was sich derzeit in dieser Stadt abspielt. Lobenswerte Helden sind nur jene vielen Bürger Wiens, die ganz aus eigener Initiative – und ohne ökonomische Interessen! – unverdrossen gegen dieses Verbrechen gekämpft haben. Und die weiter kämpfen werden.

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