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Van der Bellen darf alles und versteht nichts

Der neue Bundespräsident hat, mit dem Bundeskanzler als nachtrappelndem Ministranten, seinen ersten Auslandsbesuch bei der EU in Brüssel und nicht in guter österreichischer Tradition im Nachbarland Schweiz gemacht. Soll sein. Aber was gar nicht sein soll, ist ein eigentlich skandalöser diplomatischer Eklat, den sich Van der Bellen dabei geleistet hat. Samt etlichen Dummheiten.

Der HBP hat nämlich direkt und öffentlich Großbritannien beschimpft, eines der größten europäischen Länder und eines der Signatarländer des Staatsvertrages. Diese Signatarländer sind mehr als 60 Jahre von der offiziellen Politik Österreichs immer überaus respektvoll behandelt worden. Das ist jetzt offensichtlich vorbei. Freilich: Solche öffentliche Beleidigungen sollte sich ein Staatsoberhaupt im Amt nicht einmal gegenüber Kleinststaaten leisten.

Alexander Van der Bellen warf den Briten wörtlich vor, durch das Brexit-Votum eine „fatale Entscheidung“ getroffen zu haben und – noch deutlicher – eine „tragische Fehlentscheidung“.

Wie auch immer man das britische Votum sieht: Einem Präsidenten steht es in keiner Weise an, die Entscheidung des obersten Souveräns eines Landes in offiziellen Äußerungen als Fehlentscheidung zu brandmarken – unabhängig davon, was er von der Brexit-Entscheidung denkt. Und das sind nun einmal die Stimmbürger. Das ist ein grober Fauxpas und eine Beleidigung der Briten. Deren Massenblätter haben das natürlich auch sofort groß thematisiert.

Das wäre genauso, wie wenn ein ausländischer Spitzenpolitiker die Wahl Van der Bellens als Fehlentscheidung der österreichischen Wähler bezeichnet hätte.

Noch schlimmer ist freilich die Tatsache, dass ich in keiner österreichischen Zeitung auch nur eine kritische Anmerkung zu diesem Fehler Van der Bellens gelesen habe. Dabei zählen die heimischen Medien fast täglich alle Fehler des amerikanischen Präsidenten auf, die großen und auch die kleinen Lappalien. Dass es Druckfehler in Einladungen des Weißen Hauses gegeben hat; oder dass Trump beim japanischen Regierungschef Vor- und Zunamen verwechselt hat; oder dass er komisch Hände schüttelt (dazu werden sogar Ferndiagnosen einer deutschen Händedruck-„Expertin“ eingeholt).

Das alles erregt die österreichischen Medien. Ein US-Präsident darf einen Richter des eigenen Landes nicht beschimpfen, ohne dass die österreichischen Medien vor Zorn hyperventilieren. Der eigene Präsident hingegen darf sogar ungetadelt andere Völker beschimpfen. Das ist für die hiesigen Medien belanglos. Man könnte ja die Presseförderung gefährden. Oder die Einladung zum nächsten Präsidentendinner.

Wo bleibt das „Heimat“-Gesulze?

Ein zweiter Aspekt der Van-der-Bellen-Auftritte in Brüssel und Straßburg wird vor allem die heimischen Wähler erstaunen. Diese müssen sich jetzt nämlich heftig angeschwindelt vorkommen. Hat sich doch der Bundespräsident in der EU mit großer Intensität als europäischer Vorkämpfer gegen „Nationalismen“ profiliert; hat er dabei doch behauptet, „mit einem glasklaren Bekenntnis zur EU“ und einer „betont europäischen Haltung“ die Wahl gewonnen zu haben.

Dabei haben alle österreichischen Wähler einen ganz anderen Wahlkampf des Grünen in Erinnerung. In diesem hat man von einem solchen „glasklaren Bekenntnis“ nichts gehört. Statt dessen hat man Trachtenanzüge und unzählige Plakate mit dem riesigen Wort „Heimat“ und österreichischen Wanderszenen in Erinnerung. Wo hat der Mann da eine europäische, antinationalistische Haltung „betont“? War also auch dieser Wahlkampf wieder einmal nur eine „Fake News“-Inszenierung?

Nur "gemeinsam lösbar"?

Seltsam ist aber auch, wenn der Mann vor den EU-Gremien wörtlich behauptet, dass Flucht, Migration, Energiepolitik, Arbeitslosigkeit und Krieg nur „gemeinsam lösbar“ seien. Wie sieht es mit all diesen Dingen aus, wenn man sie objektiv untersucht?

Ad Flucht und Migration: Weiß Van der Bellen nicht, dass Österreich noch immer tagtäglich von großen Mengen illegaler Migranten überschwemmt würde, wenn es auf die „gemeinsame“ Lösung durch die EU gewartet hätte, wenn Außen- und Innenminister nicht wider den Willen der EU und Deutschlands im Vorjahr mit den Balkanstaaten im Alleingang die Abriegelung der Balkanroute organisiert hätten?

Ad Energiepolitik: Weiß er nicht, dass gerade derzeit auf Wunsch von EU-Gremien der gemeinsame Strommarkt zwischen Deutschland und Österreich aufgebrochen wird, was Österreich einige hundert Millionen kosten wird? Dass uns also die EU gerade dort, wo internationale Lösungen sinnvoll wären, zurück in nationale Lösungen zwingt?

Ad Arbeitslosigkeit: Weiß er nicht, dass in Österreich die Arbeitslosigkeit steigt, während sie in anderen EU-Ländern zurückgeht, weil Österreich eben nicht so wie die anderen Staaten eigene, „nationale“ Anstrengungen zur Wiederbelebung der Wirtschaft unternommen hat? Soll weiter auf „europäische Lösungen“ dafür gewartet werden, die nie kommen werden (und können)?

Und ad Krieg: Was meint er eigentlich, wenn er da „gemeinsame Lösungen“ fordert? Redet er in der üblichen linken Wolkigkeit nur so vor sich hin? Meint er (wie viele Österreicher), dass die Nato zwar ein Kriegsende durchsetzen soll, dass wir aber abseits bleiben sollen, um dann vom neutralen Hafen aus unsere moralistischen Verurteilungen über die Nato auszusprechen? Oder will er, dass Österreich an friedensschaffenden, das heißt an nur im Kampf durchsetzbaren Lösungen teilnehmen soll (etwa um in Libyen eine Zone zur Rückkehr aller „Flüchtlinge“ nach Afrika zu schaffen)? Dann soll er das bitte auch sagen und nicht nebulos herumreden. Ich selbst bin übrigens seit langem der Meinung, dass Österreich moralisch dazu sogar verpflichtet wäre und nicht immer nur sicherheitspolitischer Schwarzfahrer und gutmenschlicher Klugschwätzer sein dürfte.

Last not least: Was soll das flammende Bekenntnis zu "Grundrechten" wider eine "Rhetorik des Ausschließens", wenn der gleiche Mann mehrfach behauptet hat, eine Partei von der Regierungsmacht ausschließen zu wollen?

Am Ende der EU-Tage von Van der Bellen kann man sich daher nur eines wünschen: Wär er doch beim traditionellen Schweizer Ziel geblieben! Da hätte er etliches lernen und weniger Unsinn reden können.

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