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Renzi ist spannender als Hofer

Während Österreich und eine große Anzahl nach Wien gereister politischer Journalisten gespannt auf den nunmehr vierten Anlauf zur Wahl eines Bundespräsidenten blicken, schauen die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft fast nur auf den südlichen Nachbarn. Denn in Italien findet gleichzeitig ein Referendum über eine große Verfassungsreform statt. Und dessen von vielen Umfragen prophezeiter Ausgang droht eine Kettenreaktion für ganz Euroland auszulösen.

Das steht in seltsamem Kontrast zu der guten Stimmung, die derzeit an den US-Börsen herrscht, wo vor allem die vielen von Donald Trump angekündigten Investitionen Euphorie auslösen (und sich offenbar niemand sorgt, wie diese finanziert werden).

Dabei steht in Italien gar kein Wirtschaftsthema, sondern eines der Verfassung zur Abstimmung. Es geht um deren zweifellos notwendige Vereinfachung; darum, die langwierigen Abläufe der Gesetzesproduktion zu beschleunigen; darum, die Zahl der fürstlich entlohnten Abgeordneten zu reduzieren; darum das lähmende Gleichgewicht zwischen zwei gleichberechtigten und einander oft blockierenden Parlamentskammern zu beenden; darum, das erstarrte Land besser regierbar zu machen.

Eigentlich sind das Reformen, für die jeder Italiener (außer jenen, die dadurch ihr Amt verlieren) bei ruhiger Betrachtung sein müsste, auch wenn man gewiss bei jedem Detail diskutieren kann, ob das nun so oder so besser gelöst ist. Jedoch droht in Italien das, was auch in anderen Ländern passiert, wo es nur ganz selten Volksabstimmungen gibt: Viele Menschen stimmen dabei nicht über die vorgelegte Frage ab, sondern benutzen die seltene Gelegenheit, der Regierung den eigenen Unmut zu zeigen.

Dieses Verhalten kann fast schon als Regel gesehen werden, sobald sich eine Regierung bei einem Referendum für ein bestimmtes Ergebnis engagiert. Und das tut Italiens Premier Renzi seit Monaten.

Er hat sogar mit Rücktritt gedroht, sollten die Italiener, wie alle Umfragen andeuten, wirklich Nein zu den Verfassungsreformen sagen. Renzi versucht zwar in den letzten Tagen, seine Drohung wieder ein wenig abzuschwächen. Aber ein Rücktritt von der Rücktrittsdrohung wird ihm in der Stunde der Niederlage nicht mehr viel helfen: Er dürfte dennoch seine parlamentarische Mehrheit verlieren. Italienische Abgeordnete verzeihen einem Ministerpräsidenten eine solche Niederlage nicht.

Dann aber drohen Neuwahlen und ein wahrscheinlicher Sieg der linkspopulistischen Grillo-Partei. Und diese erklärt es als fixe Absicht, Spar- und Sanierungsreformen nicht einmal zu versuchen, sondern aus dem Euro auszutreten. Das aber wäre dann wohl dessen europaweites Ende. Mit unabsehbaren Folgen für ganz Euro-Europa.

Gewiss: Bis dorthin sind die Geleise noch mit ein paar Weichen in eine andere Richtung versehen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Zug in die skizzierte Richtung fährt. Wo es dann bald keine Geleise mehr gibt…

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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