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Strafe für Österreichs Hetze

Aggressive Hetze bleibt selten folgenlos und unbestraft. Wenn man an eine höhere Gerechtigkeit auch auf dem Weg des Sportes glauben will, dann ist diese Strafe beim Euro-Spiel Österreich gegen Ungarn prompt passiert. Aber unabhängig von allem sportmetaphysischen Aberglauben: Österreich, insbesondere seine Regierungsspitze, verhält sich Ungarn gegenüber politisch seit Monaten skandalös. Und das rächt sich irgendwann. Logischerweise.

Der sichere Fußball-Sieg der Ungarn über Österreich mag manchen als ausgleichende Gerechtigkeit für politische Arroganz erscheinen. Aber jedenfalls ist er ein Ausgleich für sportlichen Hochmut. Denn wieder einmal haben sich die österreichischen Fußballer vor einem Spiel für die großen Sieger gehalten. Und wieder einmal haben sie nach der satten Niederlage heftig auf den Schiedsrichter geschimpft. Zumindest im ORF, im deutschen Fernsehen hingegen gab es diese Kritik überhaupt nicht zu hören, obwohl der Kommentator auch dort eher österreichfreundlich war.

Um die Bewertung eines Fußballspiels geht es aber hier nicht. Fußballexperten sind ohnedies alle 8,7 Millionen Menschen in Österreich. Auch wenn 15 Prozent davon für ein anderes Land bangen, weil sie eine andere Staatsbürgerschaft haben. Auch wenn mindestens eine weitere halbe Million im Herzen trotz des rot-weiß-roten Passes noch lange nicht in Österreich angekommen ist, wie etwa auch drei Teamspieler, die sich weigern, die Bundeshymne mitzusingen. Auch wenn eine halbe Million Grünbewegter rot-weiß-rote Fahnen und Patriotismus als bösen „Nationalismus“ beschimpfen.

Wirklich skandalös ist vielmehr die Art und Weise, wie das offizielle Österreich in den letzten Monaten Ungarn behandelt hat. Ausgerechnet die beiden sozialistischen Bundeskanzler an der Spitze des Landes benahmen sich den Nachbarn gegenüber wie Kolonialherren. Faymann denunzierte die Ungarn, indem er ihr – damals völlig korrektes – Verhalten mit dem Holocaust vergleicht. Und sein kongenialer Nachfolger Kern bezeichnet das Nachbarland gar als „Führerstaat“. Für beide Äußerungen gab es weder eine Begründung, noch eine Berechtigung, noch eine Entschuldigung.

Wären solche Äußerungen nicht von SPÖ-Vorsitzenden gemacht worden, sondern einem normalen Bürger, wäre nicht gegen Ungarn, sondern ein islamisches Land so gehetzt worden, so wäre höchstwahrscheinlich schon die einschlägig so eifrige Staatsanwaltschaft aktiv geworden.

In Sachen Hetze getoppt werden die beiden Sozialisten allerdings noch durch das Anzeigenblatt „Weekend Magazin“, das unverlangt allwöchentlich die Briefkästen belästigt. In dem Heft wurde jetzt (im Zusammenhang mit dem Fußballspiel) sogar am Cover gegen Ungarn gehetzt. Das – bei mir immer sofort im Altpapier landende Heftchen – stellt am Cover die beiden Regierungschefs im Profil einander gegenüber und titelt: „Gut gegen Böse“. Und darunter noch deutlicher, dass ja klar wird, was gemeint ist: „Österreich gegen Ungarn: Mehr als ein Spiel.“

Böser kann chauvinistische Hetze gar nicht mehr werden. In früheren Epochen sind aus solcher ununterbrochener und unprovozierter Stimmungsmache heraus weit über bedrucktes Altpapier, verlorene Fußballspiele und minderbegabte Politiker hinausgehende Konflikte entstanden.

Ungarische Revanchefouls

Die Ungarn haben in den vergangenen Wochen auch prompt eiskalte Revanchefouls gesetzt: Sie nehmen erstens illegale Migranten, die Österreich abschieben will, einfach nicht mehr zurück. Obwohl diese schon in Ungarn als Asylsuchende registriert worden waren. Obwohl Ungarn dazu gemäß dem Dublin-Abkommen eigentlich verpflichtet wäre.

Aber Österreich kann sich dagegen höchstens mittels eines jahrelangen Rechtsstreits vor dem Europäischen Gerichtshof wehren. Die ungarische Argumentation: Österreich habe ja im Herbst begeistert die Asylanten aufgenommen, ist zwar rechtlich natürlich Unsinn. Aber sagen kann man es ja einmal.

Und zweitens hat Ungarn jetzt ganz nahe der österreichischen Grenze ein Asylantenlager eingerichtet. Von dort sickern die illegalen Migranten in letzter Zeit in wachsender Zahl über die grüne Grenze nach Österreich ein. Und Österreich ist hilflos.

Das löst in Budapest zweifellos insgeheim hämisches Gelächter aus. Rache ist süß. Ungarn macht jetzt einfach das, was schon jahrelang Italien und Griechenland gemacht haben: Diese beiden Länder haben immer auf Gutmensch gemacht, Hunderttausende illegale Migranten „gerettet“, dafür EU-, amtskirchlichen und sozialistischen Beifall eingeheimst, und dann die Asylwerber heimlich, still und leise über die Grenzen nach Norden entsorgt.

Das ungarische Vorgehen ist alles andere als in Ordnung. Aber psychologisch verständlich. Denn als die Ungarn die Grenzen streng zu kontrollieren und - natürlich auch im österreichischen Interesse! - abzuschirmen begonnen hatten, waren sie von Faymann, dem bestochenen Boulevard, den üblichen Gutmenschen und dem besonders heftig hetzenden ORF auf die widerlichste Gutmenschart beschimpft und attackiert worden. Jetzt zahlen es die Ungarn Österreich heim.

Aber im Herbst war dieses Tagebuch praktisch die einzige Stimme, die lebhaft gewarnt hat: So geht man nicht mit Nachbarn um. Vor allem wenn an deren Spitze ein hochintelligenter und willensstarker Mann steht, der sehr sensibel auf die bösen Untergriffe aus Österreich reagiert hat (dessen Partei noch dazu mehr Wähler hinter sich hat als die beiden Wiener Regierungsparteien zusammen).

Das Schlammassel kommt davon, weil an der österreichischen Regierungsspitze Menschen stehen, die keinerlei außenpolitisches Feeling haben. Die wie der Elefant im Porzellanladen dafür gesorgt haben, dass Österreich international keinen einzigen Freund mehr hat. So etwas kann sich ein großes Land wie Russland leisten, dessen mehr oder weniger einziger Freund Syriens Assad ist. Aber ein kleines, militärisch schwaches, wirtschaftlich marodes und migrationsgeographisch extrem exponiertes Land sollte das nicht tun.

Man kann die Ungarn mögen oder nicht mögen. Aber keinesfalls sollte man glauben, dass man sie folgenlos herumschubsen kann. Dazu sind sie durch viel zu harte Jahrzehnte gegangen, während die Österreicher immer verweichlichter wurden. Dazu haben sie in den letzten Jahren eine viel zu eindrucksvolle wirtschaftliche Aufholjagd begonnen. Dazu haben sie noch zu sehr österreichisches Herrenmenschenverhalten aus 1848ff im kollektiven Bewusstsein. Dazu haben die Ungarn den vielleicht größten Nationalstolz eines europäischen Landes.

Nur abgrundtiefe Dummheit kann einen solchen Nachbarn ständig provozieren und glauben, das bleibt ungerächt.

PS: Apropos Nationalstolz: Bei Ungarns Nationalmannschaft haben alle Spieler die Hymne des Landes mitgesungen.

PPS: Apropos Nationalstolz: Seit Dienstagabend kennen wir ein anderes europäisches Land mit einem noch größeren Nationalstolz: Island.

PPPS: Seit Bruno Kreisky und vor allem Wolfgang Schüssel hatte Österreich keine Regierungschefs, die wussten, dass gute Nachbarschaft für ein kleines Land oberste Priorität sein muss. Die meisten anderen haben aber wenigstens nicht grundlos provoziert.

 

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