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Das gibt’s ja nicht: Das Pensionssystem wird noch üppiger, statt nachhaltiger

So zynisch, wie Sozialminister Stöger in die Pensionsverhandlungen gegangen ist, so endeten diese: „Wir machen einen Pensionsgipfel, keine Pensionsreform.“ In der Tat. Nicht einmal mit dem stärksten Elektronenmikroskop ist da irgendetwas von einer Reform auszumachen, die das System nachhaltig absichern würde. Im Gegenteil: Es gibt sogar völlig überraschend etliche Maßnahmen, die das Pensionssystem noch teurer machen. Absolut unfassbar. (Mit nachträglicher Ergänzung)

Das, was nach dem Pensionsgipfel als beiderseits gelobtes Hauptergebnis herausgekommen ist, kann nur noch helles Gelächter auslösen:

  • Die Pensionskommission wird neu zusammengesetzt. Na wui!
  • Bei Abweichungen vom Kostenpfad soll sie Vorschläge vorlegen – das sollte mit Verlaub auch die alte Kommission schon!
  • Diese müssen dann von der Regierung entweder übernommen werden oder diese überlegt sich selbst etwas: „Fest steht, die Regierung muss handeln“, so Finanzminister Schelling – als ob die Regierung bisher nicht handeln hätte müssen!
  • Freilich behält das letzte Wort das Parlament und das ohne Zeit-Vorgabe. Eine absolute Lach- und Nullnummer!
  • Und bei den Invaliditätspensionen gibt es eine verbesserte Erfassung psychischer Erkrankungen sowie frühere Beratungen. Noch so ein Hammer!

Das war es dann schon mit den erhofften Einsparungen, mit mehr Nachhaltigkeit – zumindest nach dem, was nach dem Gipfel verlautbart worden ist. Das sind bürokratische Turnübungen, aber keine Einsparungen.

Dafür gibt es künftig für bestimmte Fälle (mindestens 30 Jahre Beitragszeiten) ohne jede versicherungsmathematische Rechtfertigung eine saftige Erhöhung der Ausgleichszulage – also etwas, was das System noch teurer machen wird.

Ebenfalls mehr kosten als bringen wird die angekündigte Senkung der Versicherungsbeiträge, wenn Frauen bis zu einem Alter von 63 Jahren arbeiten. Das ist überdies eine weitere massive Männerdiskriminierung: Denn für die gibt es eine solche Senkung nicht. Das ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit schon wieder eine Politiker-Schnapsidee, die vor den Höchstgerichten landen wird.

Dazu kommt: Wäre diese Senkung kostenmäßig wirklich positiv, wie manche nun meinen, so gäbe es keinen Grund, sie mit 63 zu befristen. Dazu kommt der schon bisher existierende Wahnsinn, dass man (Männer wie Frauen) sogar den vollen Pensionsbeitrag zahlen muss, wenn man nach Erreichen des Vollpensionsalters weiterarbeitet. Wofür es praktisch keine Gegenleistung des Systems gibt. Jetzt wird zuerst drei Jahre der Beitrag für Frauen halbiert, die nach dem Vollpensionsalter noch arbeiten. Dann ist wieder der volle Beitrag von all jenen zu zahlen, die trotz Erreichung der Pension noch arbeiten. Geht’s noch unlogischer?

Die einzige Ausgabenerhöhung, die man eigentlich begrüßen müsste, ist die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten, was vor allem für Frauenpensionen gut ist. Freilich könnte man auch dieser Erhöhung nur dann zustimmen, wenn es eben beim Antrittsalter (auch dem von Männern) die dringend notwendigen Einsparungsmaßnahmen gegeben hätte.

Die schwarzen Loser

Damit hat die ÖVP seit (Ohn-)Machtübernahme durch Reinhold Mitterlehner und Hans-Jörg Schelling wirklich sämtliche „Gipfel“ und Verhandlungen verloren. Vom Steuerpaket über das Bildungs- und Museumskapitel bis nunmehr zu dem Ereignis, das Pensionsgipfel genannt worden ist. Zwar hat die SPÖ bei diesem Gipfel nicht alles gewonnen und durchgesetzt. Aber es war jedesmal nur die SPÖ, die zumindest einen Teil ihrer Wünsche erreicht hat. Und es war und ist die ÖVP, die gar nichts durchgesetzt hat.

Damit ist wohl eindeutig: Die ÖVP hat die schwächste Führung ihrer gesamten Geschichte (höchstens der kaum noch jemand erinnerliche Josef Riegler könnte in diesem unrühmlichen Ranking noch mithalten). An der krachenden VP-Niederlage hat offensichtlich auch der Umstand nichts geändert, dass diesmal bei der Pensionsrunde der dritte Schwachpunkt im schwarzen Spitzenteam, Harald Mahrer, nicht an Bord war, der ja vom ersten Tag an seinen roten Gegenübern überhaupt nicht gewachsen war.

Allerorten taucht da in der ÖVP Sehnsucht nach dem in der Versenkung verschwundenen Michael Spindelegger auf. Dieser war zwar kommunikativ schwach und hat auch etliche missglückte (bis heute im Amt befindliche) Ministerernennungen zu verantworten. Aber er hat wenigstens Linie gehalten. Er hat einem völlig realitätsfremden Koalitionspartner nicht auch noch nachgegeben. Er wusste noch, wofür die ÖVP eigentlich zu stehen hätte. Und er hat mit Sebastian Kurz und wohl auch Gernot Blümel immerhin zwei Talente nach vorne befördert.

Spindelegger hat jedoch in einem jedenfalls geirrt: Er hat bei seinem Rücktritt erklärt, den „Populisten“ zu weichen. Wäre es nur so! In Wahrheit ist er der totalen Unfähigkeit gewichen.

Mitterlehner hat es nicht einmal geschafft, die einzige positive politische Regierungsentscheidung seiner Amtszeit als Erfolg der ÖVP erscheinen zu lassen, nämlich die Wende in der „Flüchtlings“-Politik. Auch in dieser Frage hat die ÖVP – bis auf Kurz – so lange herumgeeiert, dass für die Bürger keine klaren Konturen einer eigenständigen Haltung der ÖVP zur Völkerwanderung erkennbar wurden.

Der Pensionsgipfel war nun wirklich der Höhepunkt an politischer Unfähigkeit. Das zeigte sich insbesondere schon bei der Wahl des Zeitpunkts: der Beginn des (seit Jahren bekannten) Präsidentschaftswahlkampfes. Es zeugt von politischer Ahnungslosigkeit zu glauben, dass die SPÖ – die ja fast nur noch Pensionisten als Wähler hat – ausgerechnet in dieser Phase ihr zentrales Dogma aufgeben würde, also die totale Reformverweigerung in Sachen Wohlfahrtsstaat. Noch dazu, wo der oberste Reformverweigerer wie absehbar der SPÖ-Kandidat ist.

Mitterlehner ist zwar ein netter Mensch, auch wenn er oft grantig und unwirsch wirkt. Aber er ist ganz offensichtlich völlig unfähig zu strategischem oder zumindest taktischem Denken. Er ist die Personifizierung der Wirtschaftskammer-Linie: „Am Schluss geben wir eh immer nach“. In der gesamten Ära des Christoph Leitl ist die Kammer ja immer nur im Reden groß gewesen – oder sie hat gleich selbst sozialdemokratische Inhalte vertreten.

Zur Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Österreich oder der makroökonomischen Nachhaltigkeit ist hingegen in den letzten zehn Jahren absolut nichts Konkretes mehr geschehen. Es gab immer nur neue Schikanen oder Zukunftszerstörungsaktionen. Eine tolle Leistung, wenn man bedenkt, dass die angebliche Partei der Wirtschaftsvernunft in dieser Zeit immer in der Regierung gesessen ist.

Außer der schwarzen Angst vor Neuwahlen hat mir in den letzten Monaten jedenfalls kein einziger VP-Politiker eine Erklärung für das ständige Loser-Verhalten seiner Partei nennen können. Das ist aber nichts anderes als ein panisches Sesselkleben für noch zwei weitere Jahre.

Jedenfalls absurd – oder maximal eine billige Ausrede – ist die von Mitterlehner nun formulierte Begründung für das Nachgeben: Man könne wegen der Unpopularität der Willkommenspolitik des Vorjahres der Bevölkerung jetzt keine Pensionsreform zumuten. Der wahre Zusammenhang ist freilich ein umgekehrter: Gerade die Milliarden Kosten der Völkerwanderung würden es ja doppelt notwendig machen, dass Österreich wo anders spart!

Der ursprüngliche ÖVP-Standpunkt wäre auch durchaus gut populär zu verkaufen gewesen – wenn man nur ein bisschen die Fähigkeit hätte, Politik gut zu erklären. Die Menschen spüren ja, dass etwas geschehen muss. Daher hätte man der jungen Generation gut erklären können: NUR eine spürbare Erhöhung des Antrittsalters würde die künftigen Pensionen sichern. Gleichzeitig hätte man den Pensionisten feierliche Garantien geben können, dass bei bestehenden Pensionen absolut nichts gekürzt wird, sondern dass im Gegenteil nur eine Antrittsalter-Reform die Pensionen wirklich sicher machen würde.

Schelling: Die Zukunft hinter sich

Aber selbst zu solchen klaren und psychologisch wichtigen Argumentationen ist die ÖVP nicht mehr imstande. Statt dessen hat sie monatelang der SPÖ-Demagogie freie Bahn gelassen, dass die ÖVP Pensionen kürzen wolle.

Der Finanzminister wirkt zwar in seinen eigenen Auftritten sehr souverän. Aber auch er hat nicht die bei der SPÖ so professionelle Fähigkeit zur emotionalen Argumentation. Und inhaltlich ist er nun schon das zweite Mal völlig umgefallen. Damit hat auch Herr Schelling (auf den ich ganz am Anfang etliche Hoffnungen gesetzt habe) seine Zukunft weit hinter sich gelassen.

Dazu kommt, dass sein einziger Erfolg aus der Vor-Minister-Zeit (abgesehen vom Möbel- und Weinvermarkten) inzwischen wie eine Seifenblase geplatzt ist: nämlich die Gesundheitsreform, die Schelling als Chef der Sozialversicherung verhandelt hat, und die damals als Riesenerfolg verkauft worden ist. In Wahrheit war der „Erfolg“ aber ein einziger Schmäh. Kein Problem ist gelöst worden. Die Gesundheitskosten explodieren wider alle Garantien weiter. Die Wartefristen verlängern sich bei vielen Behandlungen. Und es gibt weiterhin keinen kostendämpfenden Wettbewerb und keine Gesundheitspolitik aus einer Hand, sondern nur den alten und teuren Kampf jeder gegen jeden.

Der Pensionsgipfel hat uns noch deutlicher denn je gezeigt: Wir haben eine jammervolle Regierung. Der triste Befund ändert sich auch dadurch nicht, dass leider weder Blau noch Grün eine echte Pensionsreform wollen. Auch diese beiden Parteien haben den Kopf tief in den Sand gesteckt und glauben, dass eine Reform zu unpopulär sei. Oder sie begreifen nicht ihre Notwendigkeit. Lediglich die Neos stehen in Pensionsfragen für Vernunft und Mut. Was ihnen aber nichts hilft, solange sie gesellschafts- und migrationspolitisch einen radikalen Linksaußenkurs verfolgen.

Nachträgliche Ergänzung: In einem Aspekt ist diese unmittelbar nach dem "Gipfel" geschriebene Analyse zu korrigieren: Es gibt ähnlich zu der Regelung für Frauen doch auch bei Männern eine dreijährige Halbierung der Sozialversicherungsbeiträge, wenn sie bis 68 arbeiten. Damit ist zumindest die Diskriminierung vom Tisch. Allerdings gibt es noch eine seltsame Verschlechterung: Menschen, die in Frühpension gehen und dann nach Erreichung der eigentlichen Pensionsgrenze wieder arbeiten (etwa weil dann wieder ein Arbeitgeber aus Personalnot an ihnen interessiert ist), werden durch eine Kürzung der Pension bestraft.

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