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Brutalität nach Wiener Rathausart

Gute Ärzte sind Mangelware. Auf Grund der schlechten Bezahlung von Jungärzten in Österreich sind hierzulande teuer ausgebildete Mediziner in Heerscharen ins Ausland abgewandert. Aber dennoch ist es jetzt in der Stadt Wien zu einem neuen Skandal gekommen: Ein Arzt, der sich gewerkschaftlich betätigt, ist gefeuert worden.

Das zeigt: Der Terror in der Gemeinde Wien wird immer schlimmer. Das System zeigt immer mehr Eigenschaften, die es als totalitär qualifizieren.

Der Hinauswurf von Menschen, weil sie sich betriebsrätlich oder gewerkschaftlich betätigen, kommt nur noch ganz selten bei ganz brutalen Unternehmern vor. Und wenn er einmal passiert, rollt dagegen sofort eine breitangelegte Kampagne der gesamten Sozialdemokratie und Gewerkschaft an. Wenn jedoch die Gemeinde Wien der Arbeitgeber ist, und wenn die gewerkschaftliche Betätigung bei einer freien Ärztegewerkschaft stattfindet, die nicht zum ÖGB gehört, dann werden die Genossen plötzlich selbst zu den allerbrutalsten Arbeitgebern.

Das ist dann doppelt ungeheuerlich, wenn der Gefeuerte noch dazu einem absoluten Mangelberuf angehört, wenn er eine besondere Spezialausbildung aufweist und wenn er auch eine exzellente Beschreibung im Dienstzeugnis hat.

Es geht um den Obmann der Ärztegewerkschaft Asklepios (angeblich 1800 Mitglieder), Gernot Rainer. Sein befristeter Vertrag im Otto-Wagner-Spital wurde ungewöhnlicherweise nicht verlängert, obwohl sein Abteilungsvorstand zuvor den Antrag auf eine Dauerbeschäftigung gestellt hat.

Besonders grauslicher Aspekt der Affäre: Ärztliche Leiterin des Spitals ist niemand anderer als Barbara Hörnlein, die Frau von Bürgermeister Häupl. Wobei ja schon die Tatsache ihrer Beschäftigung im Machtbereich Häupls ein Skandal an sich ist. Und ihr gerüchteweise bevorstehendes Avancement an die Spitze des KAV, also des Verbundes der Wiener Gemeindespitäler, wäre gleich ein weiterer.

In anderen Ländern wäre jedenfalls beides absolut unzulässig. Sobald etwa in den USA eine Beziehung oder gar eine Eheschließung in einem Unternehmen bekannt wird, muss umgehend einer der beiden Partner die Firma verlassen. Das ist bei hierarchischen Situationen extrem sinnvoll. Und es kann ja gar keine Frage sein, dass es zwischen Bürgermeister und allen KAV-Amtsträgern eine solche Hierarchie gibt. Auch wenn pro forma der Bürgermeister sicher keine Weisung ans Otto-Wagner-Spital gibt. Dazu hat man ja eine Stadträtin (ja genau: Wehsely heißt sie) und eine KAV-Direktion.

Der KAV teilte anfragenden Journalisten nur schnippisch mit, dass er keine Auskünfte zu dem Fall gebe. Der Arzt selber sagt, dass ihm gegenüber der Hinauswurf schriftlich damit begründet worden ist, dass ihm eine „Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt Wien“ fehle.

Also, wir lernen: Im Häupl-Wien ist es nicht entscheidend, ob ein Arzt ein guter Arzt ist, ob er sich gut um Patienten kümmert, ob er wissenschaftlich up to date ist, sondern ob er sich mit den „Gesamtinteressen“ der rotgrünen Stadt identifiziert. Wobei allein schon das verräterische Wort „Gesamtinteressen“ die Bezeichnung „totalitär“ rechtfertigt. Denn es macht klar: Damit sind auch (oder nur?) die Interessen der beiden Machtparteien gemeint. Und zum zentralen Interesse der einen Machtpartei zählt auch der ÖGB, zählt dessen Monopol gegenüber jeder Konkurrenz.

Bei SPÖ wie ÖGB ist Feuer am Dach, wenn nun eine frische Konkurrenzgewerkschaft den – gegenüber roten Arbeitgebern ja immer extrem zahmen – ÖGB herausfordert. Da geht es für sie um den Kern der Macht. Da geniert man sich nicht, brutale Methoden anzuwenden.

Die Wiener haben freilich gelernt, wie dieses Verhalten im dialektischen Neusprech der Machthaber zu bezeichnen ist: als „Haltung“.

Wenn man Haltung hat, da ist es auch nicht mehr wichtig, ob man genug Ärzte für eine gute Versorgung der Patienten hat . . .

 

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