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Spaniens gewisse Vergangenheit und ungewisse Zukunft

Die spanischen Wahlen haben der absolut regierenden Volkspartei einen argen Dämpfer versetzt. Sie ist aber mit 29 Prozent dennoch Nummer eins geblieben, vor den Sozialisten (22 Prozent), die ebenfalls viel verloren haben. Das Wahlergebnis hat drei Hauptursachen – von denen nur eine in Spanien zu finden ist. Für die Zukunft bedeutet es die massiv erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es bald wieder zu Neuwahlen kommen wird.

Mit Ausnahme eines Bündnisses der Mega-Loser Volkspartei-Sozialisten hat nämlich keine Zweierformel eine ausreichende Mehrheit. Die schwarz-rote Koalitionsvariante ist aber auch aus emotionalen Gründen besonders unwahrscheinlich. Es wäre eine Zusammenarbeit erstmals seit dem Bürgerkrieg.

Die Gruppen der Sozialisten und der Nichtsozialisten sind ungefähr gleich stark. Jede Regierungsformel bräuchte mindestens drei Parteien an Bord – etwa auch die Kommunisten und die baskischen sowie katalanischen Nationalisten, die natürlich einen hohen separatistischen Preis verlangen würden.

In einem Land, das bisher fast nur absolute Mehrheiten einer der beiden Altparteien gekannt hat, ist die Fähigkeit und kulturelle Tradition, die in einer Koalition nötigen Kompromisse zu schmieden, extrem gering. In Spanien sind diesmal ja vier Parteien in der emotionalen Überzeugung in die Wahl gegangen, dass sie künftig den Premier stellen werden. Was wohl alle Aussichten auf eine baldige Regierung zunichte macht – und solche auf eine stabile schon überhaupt.

Die Ursachen des Debakels der beiden Altparteien liegen ganz eindeutig in den vielen Korruptionsfällen, die in letzter Zeit aufgeflogen sind. Viele Spanier haben angesichts des Kontrasts zum persönlich verspürten Spardruck gesagt: „Es reicht“ und sich zwei von den Medien stark forcierten Neuparteien zugewandt: einer linksradikalen, die ganz an die griechische Syriza erinnert (21 Prozent), und einer liberalen, die 14 Prozent hat.

Unbedankte Sanierung

Trotz der unerträglichen Korruptionsfälle ist die Niederlage der Volkspartei freilich in einer anderen, ebenfalls wesentlichen Hinsicht völlig unverdient: Sie hat das Land in einer eindrucksvollen Art aus einer schweren Krise herausgeführt und auf Wachstumskurs gebracht. Eigentlich müssten alle Spanier bangen, dass das nicht wieder durch sozialistische Experimente kaputt gemacht werden sollte.

In Wahrheit jedoch mussten die Spanier in den letzten Monaten stark den Eindruck gewinnen: Die EU gibt am Schluss eh immer nach. Also braucht man sie nicht mehr sonderlich ernst zu nehmen. Also braucht man nicht zu sparen und kann wieder sozialistisch Geld verteilen.

Brüssel und der Euro-Raum haben ja in der Tat gegenüber den griechischen Eskapaden am Schluss immer nachgegeben. Griechenland hat nie einen konsequenten Spar- und Sanierungskurs gefahren, fast immer nur blumige Sprechblasen und weitgehend leere Versprechungen abgesondert – und dennoch immer wieder neues europäisches Geld bekommen.

Die Lektion für die anderen Euro-Länder war die allerschlimmste Folge der von Angela Merkel diktierten Griechenland-Politik. Am Schluss wird man eh immer gerettet, also wozu sich selber mit Sparen plagen und die eigene Wiederwahl gefährden?

Haargenau dasselbe ist ja auch vor ein paar Wochen in Portugal passiert. Auch dort hat eine konservative Partei große Sanierungserfolge erzielt. Auch dort blieb sie bei der Wahl zwar deutlich Nummer 1, hat aber viele Stimmen verloren. Dort haben sich dann drei Linksparteien – darunter auch eine hart kommunistische – zur Regierungsbildung zusammengeschlossen.

Mit Sicherheit wird jetzt schon in allen linken Parteien Spaniens nach Wegen gesucht, ob man das nicht auch zusammenbringt.

Es würde daher wenig überraschen, wenn beide iberischen Länder bald wieder schlechtere Wirtschaftsdaten hätten; wenn beide bald wieder europäisches Geld einfordern würden. Denn wer einmal nachgegeben hat . . .

Das dritte Ursachenbündel ist ein gesamteuropäisches Phänomen. Bis auf Deutschland ist in absolut allen Ländern die Parteienlandschaft so dramatisch in Bewegung geraten wie noch nie seit dem Krieg. Parteibindungen erlahmen rapid; Die Altparteien wirken (vielleicht mit Ausnahme der britischen Tories) leer und ausgebrannt; es entstehen ganz neue Parteien; und die Wähler sind immer ratloser und erbitterter.

 

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