Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Elefant Faymann im außenpolitischen Porzellanladen

Gute Außenpolitik heißt vor allem, sich Freunde machen, um seine Interessen wahren zu können. Ganz besonders gilt das dann, wenn man ein kleines Land ist. Und noch stärker relevant ist es in turbulenten Zeiten. Dieses Prinzip war jahrzehntelang wichtig für Österreich. Auch ein Bruno Kreisky hat sich lediglich mit Israel und den USA angelegt, sonst aber gute Beziehungen gesucht. Jedoch, seit Werner Faymann die Außenpolitik als erhofftes Profilierungsfeld entdeckt hat, liegen mit einer Ausnahme nur noch Scherben herum.

Faymanns Motive für sein neuentdecktes Faible zur Außenpolitik sind klar:

  • Er ist innerparteilich, nicht zuletzt ob der katastrophalen Umfragewerte für Person und Partei, die schon auf den dritten Platz abgestürzt ist, schwer angeschlagen (trotz der Tatsache, dass die SPÖ den Wiener Bürgermeister wider viele Erwartungen halten konnte) und muss Aktivität simulieren - etwas, was seine Karriere noch nie geprägt hat.
  • Er muss von der katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs seit seinem Amtsantritt in der Regierung ablenken.
  • Er muss auch von seinem ersten außenpolitischen Gehversuch ablenken, der extrem unpopulär geendet hat, als er an der Spitze jener gestanden ist, die dem reformunwilligen Griechenland weitere Zig-Milliarden Euro zugeschanzt haben.
  • Er will anderen - nämlich den Osteuropäern - die Schuld am Fiasko seiner (und Angela Merkels) „Alle-Migranten-dieser-Welt-Willkommen“-Politik zuschieben.

In solch einer Situation haben verantwortungslose Politiker in der Geschichte schon oft den Konflikt nach außen gesucht. So wie eben jetzt Faymann. Man muss geradezu froh sein, dass das Bundesheer schon fast völlig aufgelöst ist: Daher kann sich seine neue Konfliktfreude nicht auch noch ins Militärische hinein steigern.

So nah an Berlin wie noch nie

Lediglich mit Deutschland ist der Mann noch gut. Oder konkreter: mit der deutschen Bundeskanzlerin. Dorthin wird er hie und da sogar eingeladen.

Er positioniert sich freilich so nahe zum großen Nachbarn, wie es Österreich noch nie seit 70 Jahren getan hat. Gibt es da gar niemanden in der SPÖ mehr, dem das angesichts dessen, was vor mehr als 70 Jahren passiert ist, nicht als sonderbar auffällt?

So  wichtig es für Österreich immer ist, gute Beziehungen zum jeweiligen deutschen Regierungschef zu haben, so ist es doch skurril, dass das ausgerechnet in einer Phase geschieht, da auch in Deutschland der amtierende Regierungschef den steilsten Popularitätsabsturz binnen weniger Monate erlitten hat, den es je gegeben hat. Da scheint ein Lahmer einen Blinden zu führen und sich von ihm den Weg zeigen zu lassen.

Überall anders hat Faymann nicht einmal mehr zu Sozialdemokraten gute Beziehungen (höchstens die Franzosen wären interessiert, aber die sind ebenso eine Loser-Partie wie die SPÖ geworden, und außerdem reden sie so eine komische Sprache). Die Schweiz ist für ihn gar nicht existent. Und gegenüber sämtlichen osteuropäischen Nachbarstaaten hat Faymann so scharf auf Konfrontation geschaltet, wie es sie noch nie gegeben hat, seit in Prag keine gegen Österreich hetzenden Kommunisten mehr regieren. Jetzt aber geht die Hetze von Wien aus.

Es ist freilich auch atemberaubend, dass die Volkspartei als gleich großer Koalitionspartner kein Wort der Kritik an Faymanns außenpolitischen Amokläufen zu sagen wagt. Hat der Vizekanzler im Gegensatz zu Faymann noch immer nicht entdeckt, dass es auch eine Außenpolitik gibt? Dass der Bundeskanzler verfassungsrechtlich keineswegs legitimiert ist, alleine zu agieren? Und weiß der Außenminister nicht, dass sein Ressort sogar ausdrücklich die Bezeichnung „für Europäische Integration“ im Namen führt? Zwar setzt Sebastian Kurz bei seinen eigenen Aktivitäten ganz andere außenpolitische Akzente als Faymann. Aber längst wäre es auch für ihn dringend fällig zu sagen: „Das, was Faymann da in der EU aufführt, geschieht nicht in unserem Namen und nicht mit unserer Zustimmung.“

Es ist ganz sicher nicht in Österreichs Interesse, dass Faymann ständig als oberster Hetzer und Scharfmacher gegen die osteuropäischen Länder auftritt. Dem SPÖ-Chef fällt in seiner verzweifelten Hinwendung zur Außenpolitik und mit seiner Drohung, die Osteuropäier würden kein EU-Geld bekommen, wenn sie nicht Flüchtlinge aufnehmen, gar nicht auf:

  1. dass er der einzige Politiker in der EU ist, der den Osteuropäern öffentlich und ständig eine Kürzung der EU-Gelder androht;
  2. dass seit dem folgenreichen Ultimatum von 1914 Österreich noch nie anderen Ländern gedroht hat bis 2015 - da geschah das gleich zweimal und immer durch Faymann: zuerst hat er den Briten wegen eines Atomkraftwerks gedroht (vor dem sich die Kronenzeitung fürchtet) und jetzt ganz Osteuropa;
  3. dass sich sogar schon der EU-Kommissionspräsident öffentlich von Faymanns Ausfällen distanziert hat;
  4. dass in den nächsten Jahren gar keine EU-Budgetbeschlüsse fällig sind (seine Drohungen also auch völlig substanzlos sind);
  5. dass das EU-Geld, das nach Osteuropa fließt, streng gemäß europäischen Richtlinien und Verordnungen verteilt wird, die nicht einfach außer Kraft gesetzt werden können;
  6. dass sich in der Nachkriegsgeschichte noch nie ein österreichisches Regierungsmitglied dazu verstiegen hat, ein Nachbarland mit dem Holocaust zu vergleichen – noch dazu ohne jeden Grund.

Vor allem begreift der Mann nicht, dass Osteuropa heute die sich am raschesten entwickelnde Region des Kontinents ist. Österreich ist deshalb heute wirtschaftlich schon mindestens ebenso von Osteuropa abhängig wie dieses von ihm. Statt absurde Hetze speziell gegen die ungarische Ablehnung der "Flüchtlings"-Aufnahme zu betreiben – die längst von einer Mehrheit der Österreicher als richtig erkannt worden ist! –, wäre es aus wirtschaftlichen Gründen besonders wichtig, gute Beziehungen speziell zu Ungarn zu haben, um mit dem Land in jenen Fragen zu einem Kompromiss zu kommen, wo es wirklich um österreichische Interessen geht. Das sind die ungarischen Nadelstiche gegen österreichische Banken, Handelsketten und Bauern in Ungarn. Aber die alle sind Faymann völlig wurscht.

Längst ist nichts mehr übrig von den auch emotional guten Beziehungen, die Politiker wie vor allem Alois Mock und Erhard Busek, aber auch Wolfgang Schüssel und Heinz Fischer in mühevoller und psychologisch feinfühliger Kleinarbeit in diesem Raum aufgebaut haben. Sie haben noch gewusst, dass man jeden Eindruck vermeiden muss, hier würde neuerlich irgendjemand von der alten Kaiserstadt aus den Ton anzugeben versuchen. Faymann hingegen weiß wahrscheinlich gar nicht, warum das in Osteuropa ein besonders sensibles Thema  ist.

Vom Kurs dieser Männer hat Österreich in den letzten drei Jahrzehnten sehr profitiert. Faymann hingegen hat da inzwischen mehr zerstört, als zuvor aufgebaut worden war. Dagegen verblasst auch die ebenfalls wenig durchdachte Ostpolitik der Freiheitlichen, die zwar die Semi-Diktatur in Moskau verehren, aber nur wenig für die weit demokratischeren und rechtsstaatlicheren mitteleuropäischen Nachbarn übrig haben. Jörg Haider hat immerhin in seinen letzten Jahren mit Slowenien ganz gut zu kooperieren gelernt und die entscheidende Versöhnung vorbereitet.

Visegrad wäre eine tolle Perspektive

Auch wenn es in der Regierung niemand auch nur zu denken wagt, wäre es ganz im Gegensatz zur Faymann-Politik sehr im Interesse Österreichs, wenn die Republik an die sogenannte Visegrad-Gruppe andocken könnte. Diese besteht aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn; sie ist der wirtschaftlich dynamischste und am raschesten auch sicherheitspolitisch zusammenrückende Raum Europas. In Visegrad haben sich die einstigen österreichischen Mitteleuropa-Träume am stärksten konkretisiert – nur eben ohne Österreich. Da zwei dieser Länder einen sozialdemokratischen Premier haben, müsste eigentlich auch in der SPÖ jemand über eine solche Annäherung nachdenken.

Man könnte zusammen mit diesen Ländern auch sonst einige interessante Akzente setzen. So hat jetzt das tschechische Parlament beschlossen, entgegen den antiisraelischen Richtlinien der EU die gesonderte Kennzeichnung für Waren aus den jüdischen Siedlungen nicht umzusetzen. Eine große Mehrheit des Prager Parlaments sieht in einer solchen Kennzeichnung „unangenehme Erinnerungen an die Kennzeichnung von Juden während des Zweiten Weltkriegs“.

Gibt es nicht auch für Österreich ein paar – vielleicht sogar zusätzliche – Gründe, „unangenehme Erinnerungen“ an jene Zeit zu haben? Wäre es nicht mutig und übrigens gewiss nicht zum Schaden Österreichs, ähnliche Schritte wie Prag zu setzen? Oder fürchtet man sich schon zu sehr vor den – mindestens – 600.000 Moslems, die heute in Österreich leben?

Der Eindruck, dass der Islam nach Ansicht der Regierung offenbar schon mehr zu Österreich gehören würde als etwa das Judentum, ist gar nicht so absurd. Zumindest seit bekannt geworden ist, dass an einer österreichischen Universität (in Salzburg), also mit Steuergeldern, „Islamophobie“-Forschung betrieben wird. Was wohl als die Zusammenstellung von Proskriptionslisten jener aufgefasst werden kann, die sich vor dem rasch wachsenden Islam fürchten.

Jedenfalls wäre ein ähnlicher Parlamentsbeschluss wie in Prag ein viel deutlicheres Signal der Solidarität mit den Opfern des Nationalsozialismus als die lächerliche Aberkennung des Ehrendoktorats für den jahrzehntelang toten Konrad Lorenz. Dieser war zwar wie leider allzu viele Österreicher ein verbaler Mitläufer der NS-Ideologie, aber immerhin auch einer der allerletzten österreichischen Nobelpreisträger. Und etwa einem Karl Renner ist noch gar nichts aberkannt worden.

Faymann "Koalition der Willigen", wo keiner will

Noch einmal zurück zu der Elefantenrolle Faymanns im außenpolitischen Porzellanladen. Auch seine angebliche „Koalition der Willigen“ welche der Türkei weitere „Flüchtlinge“ per Direktflug abnehmen will, hat die Grenze zur Lächerlichkeit weit überschritten. Erstens weil selbst innerhalb der EU diese Koalition nur eine Minderheit ist. Und zweitens weil da mehrere Länder dabei sind, die in den letzten Wochen auf einen radikalen Stopp der Asylantenaufnahme geschaltet haben. Belgien, Frankreich oder Schweden etwa haben sich durch ihre (überwiegend linken!) Regierungen ausdrücklich gegen jede weitere Aufnahme ausgesprochen.

Fast alle Europäer haben längst begriffen, dass das angebliche Gegengeschäft der Türkei für die legale Abnahme von Syrern und Co nichts wert ist, nämlich das Abbremsen der illegalen Migration. Denn Migranten und Schlepper werden auch weiterhin viele Wege finden, um in die EU zu kommen. Sie werden das solange tun, solange nicht Österreich und Deutschland radikal damit aufhören, sie in ihr üppiges Wohlfahrtssystem aufzunehmen, sobald sie den Boden des Landes betreten haben. Und solange nicht wirklich alle ungerufenen Immigranten, die nicht selbst eine Verfolgung nachweisen können, konsequent abgeschoben oder in Hot Spots an der EU-Außengrenze zurückgebracht werden.

So aber ist das nur eine Koalition zwischen dem Willen eines heftig wackelnden Politikers, im Amt zu bleiben, zwischen dem Willen Deutschlands, aus dem selbstangerichteten Schlammassel wieder herauszukommen, und dem Willen einiger anderer Staaten zu politischen Ablenkungsmanövern.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung