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Hypo-Heta: Die Rolle des Herrn Schelling

Nach der anfänglichen Euphorie tritt jetzt reihenweise Ernüchterung über die neueste Hypo-Heta-„Lösung“ ein, während ja am Anfang das Tagebuch mit seiner kritischen Einschätzung ziemlich alleine gestanden ist. Umgekehrt gibt es aber auch einen überraschend positiven Aspekt an der ganzen Malaise, den man ebenfalls nicht verschweigen darf.

Mit Verspätung sind jetzt die Bundesländer draufgekommen, dass sie nun jedenfalls ein ordentliches Stück der Kosten der angeblich-noch-nicht-Insolvenz trifft: Für etliche Papiere haben nämlich sie und ihre Hypotheken-Töchter gemeinsam mit der Kärntner Hypo gehaftet. Jetzt wird diese Haftung naturgemäß schlagend. Das tut allen weh. Daher versuchen sie den üblichen Bundesländer-Reflex und verlangen, dass ihnen der Bund die Kosten dieser Haftung ersetzt. Doch – potzblitz – der Finanzminister sagt eiskalt und sofort: „Nein“.

Das imponiert. Das ist zwar an sich logisch, denn bei Übernahme der Hypo-Solidarhaftung haben die Länder ja auch nicht beim Finanzministerium um Genehmigung angesucht. Das ist aber ungewohnt und so gar nicht der Stil dieser Koalition. Das hängt wohl mit der Persönlichkeit von Hans Jörg Schelling zusammen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass Schelling nicht Parteiobmann ist und daher nicht erpressbar.

Die drei letzten ÖVP-Chefs wollten hingegen unbedingt zugleich auch Finanzminister sein (weil das ja der wichtigste Minister zu sein scheint, zu dem halb Österreich betteln kommt). Aber letztlich sind alle drei an dieser Doppelfunktion gescheitert: Molterer, Pröll, Spindelegger. Ob es um den Finanzausgleich gegangen ist, um Steuerreformen, um sinnlose Geldverbrennungs-Aktionen wie die NMS oder das Mindesteinkommen, oder eben um die Hypo. Jedes Mal hat letztlich im jeweiligen Finanzminister die Koalitions- und Parteiräson über die Staatsräson gesiegt. Sie alle haben daher viel zu selten gesagt: „Nein. Punkt.“

Einmal konnte der Bundesländeregoismus siegen, der dem eigenen Parteiobmann (und Neffen!) als Druckmittel sogar die fälligen Parteibeiträge vorenthalten hat; ein andermal das schleimige Gerede, die ÖVP könne doch nicht so hartherzig und unsozial sein; ein drittes Mal der Irrglaube, dass man als ÖVP-Obmann „modern“ sein müsse und dass man das durch ständigen teuren Ausbau des Wohlfahrtsstaats und Ausdehnung der Witwenrente auch auf Schwule werde.

Das alles ist jetzt bei Schelling irrelevant. Das erweist sich zunehmend (hoffentlich auch noch bei den Steuerverhandlungen!) als das Gute an der jetzigen Konstruktion. Schelling ist mit den bisher üblichen Mechanismen nicht erpressbar. Er kann sich jederzeit aus der Politik verabschieden (was ihn bei geschickter Inszenierung dann sogar zum absoluten Helden der Nation machen würde!).

Durchaus kann sich auch Reinhold Mitterlehner die jetzige Personal-Konstruktion als Erfolg an den Hut stecken. Er hat im Gegensatz zu seinen Vorgängern und in weiser Einsicht auf das wichtigere Ministerium verzichtet, als er Parteichef geworden ist. Daher kann er jetzt immer geschickt auf das Schelling-Njet verweisen. Gegen das man halt leider gar nichts machen könne.

Der Steuerzahler muss sehr wohl für Hypo-Heta zahlen

Das heißt freilich keineswegs, dass es irgendetwas mit der Wahrheit zu tun hätte, was Schelling nun ständig überzeugungsstark verkündet: Der Steuerzahler müsse ab jetzt keinen Euro mehr für das Hypo-Heta-Schlammassel zahlen. Das hat ihm zwar nicht nur den Beifall der Medien, sondern auch der Grünen eingebracht. Aber es ist nur leider Unsinn - selbst wenn man letztlich ein rasches Ende mit Schmerzen als besser ansehen wird als Schmerzen ohne Ende.

Der Steuerzahler wird natürlich jedenfalls jenen Betrag (durch Steuern oder Schulden) zahlen müssen, den jetzt die Bundesländer in ihrer Solidarhaftung aufzubringen haben; schließlich finanziert er ja auch die Länder-Budgets. Er wird natürlich auch das zahlen müssen, wo der Bund direkt Haftungen eingegangen ist. Er wird wohl auch dafür zahlen müssen, dass das vom Hypo-Crash schmerzhaft betroffene Raiffeisenimperium nicht untergehen muss, was überhaupt unabsehbare Folgewirkungen hätte. Und der österreichische Steuerzahler wird wohl auch den allergrößten Teil der Forderungen an die Hypo-Heta-Masse zahlen müssen, für den ja formell „nur“ Kärnten haftet.

Denn der jetzt in fast allen Kommentaren und von vielen Politikern verbreitete Glaube ist ein Irrglaube, dass die Anleihegläubiger freiwillig auf all das verzichten werden, was von ihren Forderungen nicht durch die Verwertung der Hypo-Heta-Reste bedeckt werden kann. Die Gläubiger werden einem Schuldenschnitt großteils nicht zustimmen, sondern sagen: Den Rest holen wir uns halt bei Kärnten, das ja für diese Anleihen haftet (und das für diese Haftung übrigens auch immer Haftungsprämie kassiert hat). Schließlich ist ja Österreich doch irgendwie noch ein Rechtsstaat.

Ähnlich hat ja auch Argentinien seine Schulden nach dem Crash 2002 nicht einfach abschütteln können. Sondern es wird bis heute von all jenen Gläubigern verfolgt, die seither einem Schuldenschnitt nicht zugestimmt haben. Auch Griechenland hat bisher nicht das verwirklicht, was die neue Regierung gerne täte: einen einseitigen Schuldenschnitt.

Daher wird – wenngleich durch das jetzige Moratorium zeitverzögert – auch die Republik Österreich vor dem gleichen Problem stehen wie schon 2009: Kann sie Kärnten in Konkurs gehen lassen?

  • Das wäre zum einen ein gesetzlich nach wie vor total ungeregelter Fall ohne jede Präzedenz.
  • Das würde zum zweiten gewaltige Erregungswellen in Lehman-Dimensionen quer durch Europa auslösen.
  • Das würde zum dritten die Lehrer in Kärntens Volksschulen, die Ärzte und Schwestern in den dortigen Spitälern, die Straßenarbeiter und noch viele andere notwendige Menschen in Existenznöte bringen (bei Kärntner Landesräten, Landtagsabgeordneten und Verwaltungsbeamten hält sich das Mitleid hingegen in Grenzen; und beim jetzigen Landeshauptmann überhaupt: Will der doch ausgerechnet jetzt Millionen für eine zweite Eishalle in Villach zusagen!).
  • Und dass ein „kontrollierter“ Crash ohne jahrelange Monsterprozesse mit Hunderten Millionen Kosten gelingen kann, ist zweifelhaft.

Die Perspektive eines solchen Totalcrashs in Kärnten steht mit Sicherheit auch ein Schelling nicht durch. Auch wenn es ein durchaus heilsamer Schock wäre – nicht nur für Kärnten.

Am Ende wird also die Republik – der Steuerzahler – sehr wohl fast alles zahlen. Offen ist nur, ob die Vorteile der jetzigen Lösung (Zeitgewinn, ein teilweiser Forderungsverzicht bei einigen Gläubigern und eine hoffentlich disziplinierende Wirkung auf die heimische Politik) den Nachteil wettzumachen imstande ist. Der besteht vor allem in einem gewaltigen Imageverlust. Denn es ist einfach das Verhalten einer Bananenrepublik, wenn eine Gebietskörperschaft ihre Schulden und Haftungen nicht mehr bezahlt.

Nur wer die globale Finanzwelt nicht kennt, kann glauben – und auch öffentlich so argumentieren! –, dass da ja ohnedies nur eines von neun Bundesländern insolvent sei und dass der Bund eh alle seine Schulden zahle. So ein Imageverlust trifft vielmehr das ganze Land. Und zwar auf Jahrzehnte. Und zwar ganz konkret wirtschaftlich.

Dreifaches Verschulden

Noch einmal sei klar gemacht und auf den Punkt gebracht, was vom Griss-Bericht bis zu diesem Tagebuch immer wieder aufgezeigt worden ist:

  1. Das alles passiert nur, weil Jörg Haider einst in wohl krimineller Großmannssucht mit roten und schwarzen Mittätern mehr als das Zehnfache des Kärntner Landesbudgets an Haftungen eingegangen ist.
  2. Das alles passiert nur, weil viele Bankmanager auf zumindest stillschweigenden Wunsch der Bundesländer Kärnten und Bayern viel zu riskante Kredite vergeben haben, im Glauben, solcherart rasch auf dem Balkan und in Italien noch eine wichtige Großbank zu werden. Sie haben aber dort als letztkommendes Bankteam halt nur noch die aller schwindligsten Kreditkunden bedienen können.
  3. Das alles passiert nur, weil sich 2009 die Herrn Pröll, Faymann und Schieder eine bankrotte Tochter eines bayrischen Bank anhängen haben lassen. Nach allen Usancen der Finanzwelt hätte für diese Tochter natürlich die Mutter – bis hin zum eigenen Konkurs! – zu haften gehabt. Und nicht die Steuerzahler eines anderen Landes, auch wenn dessen Nationalbank und Finanzmarktaufsicht jahrelang reichlich schwach agiert hatten.

PS.: Man kann zwar lange streiten, ob in den letzten Jahren die diversen Hypo-Heta-Bilanzen zu schön frisiert worden sind. Aber eindeutig stinkt der Zeitpunkt zum Himmel, an dem die Heta und die Regierung plötzlich ein neues riesiges Milliardenloch entdeckt haben wollen: Es war nämlich ganz zufällig der Nachmittag nach den Kärntner Gemeinderatswahlen. Da fällts mir halt furchtbar schwer zu glauben, dass jetzt plötzlich eine rein sachliche und von aller Parteipolitik freie Objektivität eingekehrt ist.

 

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