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Der Rechnungshof ist zu mutig und kommt daher an die Leine

Der Rechnungshof hat sich in den letzten Jahren zur weitaus wichtigsten und qualitativ besten Institution entwickelt, welche Fehler, Geldverschwendung, Faulheit, Korruption in Regierung, Verwaltung und Justiz schonungslos und auf hohem Niveau aufzeigt. Umso fassungsloser machen die durch Wien schwirrenden Informationen, dass sich die Koalition schon auf einen neuen Rechnungshof-Chef aus ihren eigenen Reihen geeinigt habe. Auf einen Sektionschef mit rotem Parteibuch. Bis diese Katastrophe realisiert wird, dürfen wir durch den Rechnungshof aber noch eine Zeitlang die staatlichen Sauereien erfahren. Wie etwa jetzt über den frühen Pensionsantritt im öffentlichen Dienst.

Der Zorn über diesen Pensions-Skandal wird auch dadurch nicht gemildert, dass anderswo, insbesondere in der Gemeinde Wien, Bedienstete noch viel früher in Pension gehen als beim Bund. „Wohlverdienten Ruhestand“ nennen das die Profiteure da wie dort.

Konkret hat der Rechnungshof herausgefunden: Im öffentlichen Dienst gehen nur drei Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen in Alterspension! Alle anderen Staatsdiener (besser: Koalitionsdiener) finden deutlich früher einen Weg in die Pension als im gesetzlichen Pensionsantrittsalter, im Schnitt weit mehr als fünf Jahre früher. Drei Ministerien wurden genauer untersucht: Im Sozialministerium war das durchschnittliche Pensionsantrittsalter 60 Jahre, Im Justizministerium 59,2 und im Innenministerium 58,3. Laut Gesetz sollte es aber bei Männern wie Frauen 65 betragen.

Gleichzeitig wurde die übliche Ausrede von Politik und Gewerkschaft widerlegt, dass Polizisten oder Justizwachebeamte größeren körperlichen Anstrengungen ausgesetzt sind; weshalb ein früheres Pensionsdatum nur natürlich sei. Jedoch fand der Rechnungshof heraus, dass man im Innenministerium auch bei reinen Verwaltungsjobs mit 58,4 Jahren in Pension geht.

Diese Zahlen betreffen das Jahr 2012. Sie erinnern aber auch an den vor kurzem vorgelegten Rechnungsabschluss für das Vorjahr. Dieser zeigt, dass das Sozialministerium gegenüber 2013 um 5,7 Prozent mehr ausgegeben hat! Das ist der weitaus größte Zuwachs eines Ministeriums. Was vor allem deshalb dramatisch ist, weil die 37,6 Milliarden Ausgaben des Ministeriums auch der weitaus größte Posten des Budgets ist und vor allem in die Pensionen fließt. Also auch im Vorjahr hat man die Zeitbombe Pensionssystem nirgendwo entschärft, sondern nur neuen Sprengstoff hinzugefügt.

Zurück zu den Bundesbediensteten. In der Exekutive (Polizei und Justiz) geht rund ein Drittel wegen Dienstunfähigkeit in Frühpension, erhob der Rechnungshof. Aber kaum einer dieser Dienstunfähigen wechselt in die Verwaltung: Denn dort würden die früheren Uniformträger im Vergleich zum Ruhestand einen Gehaltsverlust erleiden. Sie würden weniger verdienen, wenn sie weiter arbeiten, als wenn sie nicht arbeiten. Sie werden auf Grund des Zulagensystems in die Pension gelockt statt zu einem Schreibtisch-Job, den fast alle trotz der Unfähigkeit zu einem Uniform-Dienst noch ausüben könnten.

Das ist nicht einmal noch den Schildbürgern eingefallen.

Besonders schädlich ist die Budget-Systematik

Ein besonderer Unsinn liegt in der Budget-Systematik des Finanzministeriums: Die Ausgaben des Bundes für seine Mitarbeiter werden nämlich nur kollektiv, also nicht für die einzelnen Ministerien erfasst. Die Beschäftigung älterer Mitarbeiter (schon wegen der mit dem Alter automatisch steigenden Gehälter!) geht hingegen buchhalterisch zu Lasten des jeweiligen Ministeriums. Weshalb sich jedes Ministerium bemüht, Ältere möglichst früh loszuwerden. Damit man besser dasteht.

Das ist ein absolut irrsinniges System. Dagegen hat aber dennoch bisher kein Finanzminister erkennbar anzukämpfen versucht. Geschweige denn die zuständigen Sektionschefs des Finanzministeriums. Wahrscheinlich denken auch die primär daran, das Budget des eigenen Ministeriums schön zu frisieren. Zu Lasten des Steuerzahlers.

Schlafende Strafjustiz in Döbling

In den budgetären Dimensionen völlig unbedeutend, aber für die Betroffenen mindestens ebenso ärgerlich ist das, was der Rechnungshof bei der Überprüfung der Strafjustiz durch drei Bezirksgerichte herausgefunden hat: In Wien-Döbling dauert ein Verfahren über 17 Monate, in Graz-West hingegen nur 2,2 Monate. Der Rechnungshof lakonisch: „Ursachen lagen im Wesentlichen in der unterschiedlich effizienten Arbeitsweise der Richter und waren nicht sachlich begründet. Die Justizverwaltungsorgane nahmen die Dienstaufsicht teilweise nicht aktiv und konsequent wahr.“

Das sitzt. Das wird aber dennoch keinerlei Konsequenzen haben. Denn die Justizverwaltung liegt ja ebenfalls in den Händen unabsetzbarer und unversetzbarer Richter. Nicht einmal bei der Neubesetzung eines solchen Postens wird irgendwie geprüft, ob der Neue auch nur irgendeine Ahnung von Management hat. Da ist es kein Wunder, wenn der Rechnungshof ebenfalls festhalten muss: „Die Kanzleistrukturen entsprechen nicht mehr den Anforderungen eines modernen Gerichtsbetriebs.“

Dafür sind die Richter immer die schnellsten mit dem Streiken, wenn der Bund als Arbeitgeber nicht so tut, wie sie wollen . . .

PS: Wer nicht glaubt, was dem Rechnungshof durch eine großkoalitionäre Übernahme droht, der sollte auf den Europäischen Rechnungshof schauen: Dort ist heute schon allgemeine Devise, dass man nicht zu kritisch sein soll, weil man sonst den EU-Gegnern Argumente in die Hand liefern würde. Das wird künftig wohl auch Devise des Rechnungshofs werden. Bei den Medien – anderen potentiell unangenehmen Kritikern – sorgt man ja durch alljährlich Hunderte Bestechungsmillionen schon weitgehend für Ruhe (am effizientesten die Gemeinde Wien).

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