Die Medizinerschwemme und die nächsten Lügen der Politik
21. November 2013 13:09
2013-11-21 13:09:23
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 2:30
Hinten und vorne geht dieser Republik das Geld aus. Zugleich aber wird immer mehr davon beim Fenster hinausgeworfen. Wie etwa für die Linzer Medizin. Deren Absurdität ist nun durch eine große OECD-Analyse der Gesundheitspolitik aller Industrieländer endgültig offengelegt worden.
Während die Familien brutal ausgehungert werden und es seit 1999 nicht einmal mehr eine Inflationsanpassung der Familienbeihilfe gibt, hat diese Koalition beschlossen, in Linz eine komplett neue Medizin-Universität zu bauen. Als Argument wird ständig ein drohender Ärztemangel genannt. Damit nur ja nicht der katastrophale Geldmangel dieses Projekt noch abdreht, hat die ÖVP gleich Josef Pühringer, den Chef-Lobbyisten dieser neuen Medizinerausbildung, zum finanziellen Chefverhandler bei den Koalitionsgesprächen gemacht.
Der kann dann dort ungehindert das Geld für sich sichern. Auf Kosten der Familien, die dem ehemaligen Religionslehrer und nunmehrigen „Bildungsexperten“ offensichtlich völlig wurscht sind.
Und ausgerechnet in dieser Phase platzt die große OECD-Gesundheitsstudie herein. Blöd gelaufen. Die OECD zeigt, dass im Vergleich aller Industrieländer – also weit über die EU hinaus – Österreich bei den Zahlen der Absolventen eines Medizinstudiums an der absoluten Spitze liegt. In Österreich absolvieren fast doppelt so viele junge Menschen das teure Medizinstudium wie im OECD-Schnitt. Es ist also eine absolute Frechheit, ja eine neuerliche Lüge dieser Koalition, wenn sie uns dennoch – trotz aller „plötzlich“ entdeckten Löcher – noch mehr Geld für die Ausbildung von noch viel mehr Medizinstudenten abknöpft.
Für eine Sicherung ausreichender Ärzte-Zahlen wären zwei ganz andere Ursachen zu bekämpfen: die skandalöse Bezahlung junger Mediziner in Krankenhäusern und die schlechte Honorierung von Allgemeinmedizinern durch die staatliche Sozialversicherung; diese zahlt für viele Leistungen bloß noch ein Trinkgeld, das man sonst in dieser Höhe nur einem Kellner gibt. Beides treibt viele – auch österreichische – Jungmediziner rasch ins Ausland.
Bei diesen beiden Problemkreisen wäre dringend der Hebel anzusetzen und nicht bei der universitären Ausbildung. Das Linzer Projekt führt nur zu dreierlei:
- Das erstaunlich provinzielle Selbstbewusstsein des oberösterreichischen Landeshauptmanns und seiner Helfershelfer wird gehoben;
- Einige etablierte Ärzte können sich dann das image- und preistreibende „Univ.Prof“ auf das Ordinations-Schild setzen;
- Österreich zahlt noch mehr Entwicklungshilfe für die offensichtlich verarmte Bundesrepublik Deutschland, in die ja die meisten Auswanderer (in- wie ausländischer Staatsbürgerschaft) nach dem kostenaufwendigen Studium in Österreich wandern.
Diese OECD-Daten entlarven endgültig die völlige Unfähigkeit der politischen Machtelite zu sinnvollen Maßnahmen. Statt mutig auf Linz zu verzichten, werden die Minister Töchterle und Fekter eiskalt entsorgt. Offenbar weil sie da nicht gleich begeistert mitgespielt haben.
zur Übersicht
Die Errichtung einer Med-Uni in Linz ist ein Skandal der Sonderklasse, wurde hier im Forum schon ausführlich diskutiert und jetzt durch die OECD-Studie bestätigt.
Zu den Unzukömmlichkeiten im Gesundheitswesen ein paar persönliche Anmerkungen:
1. Praktische sowie auch Fachärzte in Wien:
Die Praxen mit Kassenverträgen sind zumeist völlig überlaufen, in manchen Bezirken belagern Horden von Zuwanderern samt ihren Familienclans die Ordinationen.
Lande Wartezeiten sind die Regel. Keine andere Branche könnte sich das leisten.
Besonders krass ist die Situation bei Augenärzten, die WGGK vergibt in diesem Fach viel zu wenige Kassenverträge.
2. Ambulanzen
Das gleiche gilt für die Spitalsambulanzen, dort ist es teilweise noch schlimmer.
Spitalsärzte mit - wie erwähnt - lausiger Bezahlung leisten vielfach Arbeit bis zum Umfallen. Ein mir bekannter Primararzt auf der Baumgartner Höhe, der selbst sehr oft Nacht- und Wochenenddienste leisten muß, zählt Ärztekollegen und Lehrer zu seinen "Hauptkunden".
3. Landärzte
Dort ist man zumeist besser aufgehoben, allerdings -Brigitte möge mir widersprechen -hat sich teilweise bei Ärzten mit Hausapotheke die Unsitte eingebürgert, gewünschte Medikamente, ohne den Arzt konsultiert zu haben, nur gegen Vorlage der E-Card durch die Assistentin zu verkaufen.
Fazit:
Wir brauchen nicht mehr Ärzte und auch keine ausländischen Medizinstudenten, wir brauchen eine effizientere Organisation des ganzen Systems bevor es völlig kollabiert.
Wir brauchen nicht nur eine freie Ärztewahl sondern auch eine freie Kassenwahl mit entsprechenden Selbstbehalten und einem Bonus-Malus System. Man muß nicht mit jedem Wehwehchen zum Arzt gehen, aber man sollte die Vorsorgeuntersuchungen fördern und bei wirklich notwendigen Behandlungen für eine rasche und fachlich kompetente Betreuung des Patienten sorgen.
P.S. Eine Bekannte lag kürzlich mit einem komplizierten Armbruch 2 Tage auf dem Gang des Wilhelminenspitals, da andere Operationen angeblich wichtiger waren, das kann es ja wirklich nicht sein, sie hätte sich ihre OP privat bezahlen müssen!
Die OECD-Studie kann als PDF hier downgeloaded werden:
http://www.oecd.org/els/health-systems/Health-at-a-Glance-2013.pdf
Auf Seite 65: Practising Doctors per 1.000 population: Österreich liegt auf Platz 3.
Auf Seite 73: Links oben: Medical Graduates per 100.000 population: Österreich belegt überlegen den Platz 1 - schon jetzt vor der Grundsteinlegung der Linzer Med-Uni.
Die Deutschen freuen sich dass wir Österreicher ihrem Gesundheitssystem finanziell so sehr unter die Arme greifen. Und wenn die Linzer Med-Uni fertig ist dann noch viel mehr.
Die Deutschen sollten sich zumindest bei den Fußball-Länderspielen einmal erkenntlich zeigen ;-)
Wenn es nicht so traurig und teuer wäre, könnte man ja glatt lachen über die "Josef Pühringer u. Alois Stöger Universität".
Was den Bedarf einer solchen Einrichtung betrifft, so wußten wir das auch ohne OECD Analyse, daß sie nicht nötig ist.
Das Budgetloch, das ja mittlerweile vehement "abgesagt" worden ist, wird sich mit der Installation einer zusätzlichen Med. Uni. möglicherweise wieder auftun. Aber nachdem das die Zukunft betrifft, wird sicher eine gesonderte Berechnung dazu stattfinden, od. eine - wie so modern in Ös Staatsbuchhaltungen - Auslagerung herhalten müssen.
Jedem Landesfürsten sein Baudenkmal, egal wieviel Steuermittel dafür verbraten werden - seid umschlungen Milliarden.
Nicht nur daß sich die Jungmediziner nach dem GRATISSTUDIUM (die Österreicher haben's ja!) aus erwähnten Gründen so rasch wie möglich ins Ausland absetzen, überschreiten solche Monsterbauten auch meist die Kostenvoranschläge, werden zum Loch ohne Boden (siehe diverse Flughafenprojekte etc.) und kein Politiker ist bereit dieser Geldvernichtungsmaschinerie einen Riegel vorzuschieben, wenn sich darin bestens viele dunkle Finanzflüsse verstecken lassen? ;-)
Vielleicht gibt es auch deshalb keinen Widerstand, weil man damit die Linzer Swap-Affäre in Höhe von bisher ca. 350 Millionen Euro Verlust kompensieren kann? ;-) Ein Schelm, wer Böses dabei denkt - nur Politiker müssen halt nach ihren Finanzpleiten ein bißchen weiter denken, nämlich bis zu ihrer Nasenspitze oder auch zu ihrer wohlbestallten Pensionierung. Alles weitere ist ihnen wurscht!
Nicht nur, dass viele deutsche Studenten nach dem absolvierten Medizinstudium wieder nach Deutschland zurückkehren, auch viele junge Mediziner mit österreichischem Reisepass gehen aus Österreich weg. Oder anderes ausgedrückt: die Entscheidungsträger in Österreich sind die Hauptverantwortlichen für diese Misere, welche dem Steuerzahler Millionen an Euros kostet und dem Land nichts bringt.
Zur geplanten Medi-Uni in Linz:
hier zeigt sich einmal mehr, dass eigentlich die Landesfürsten das Sagen haben und der Bund nur mehr fürs Steuereintreiben und im Rahmen des Finanzausgleiches zur Weitergabe der Gelder an die Länder zuständig ist.
Den Ärztemangel gibt es tatsächlich, aber dazu ist zu sagen:
1. Die freien Stellen von praktischen Ärzten in den dünnbesiedelten Gebieten bieten zu wenig Anreize, dass sich Nachfolger für die vielen nun pensionierten Leute finden lassen. Auch die Einstellung vieler Hausapotheken trägt dazu bei, dass eine wichtige Einnahmequelle bei diesen Ordinationen entfällt.
2. Die Honorartarife der Kassen sind, wenn man den Zeitaufwand betrachtet - gegenüber anderen Berufen oft sehr mickrig. Dadurch sind die Ärzte oft gezwungen, "Masse statt Klasse" zu arbeiten. Auch darf man bei den Stundensätzen nicht vergessen, dass Ärzte - im Vergleich zu vielen anderen Berufen - erst etwa um 10 Jahre später mit dem Geld verdienen beginnen können.
3. Die Gebietskrankenkassen (dort sind die meisten Leute versichert) sind - gemeinsam mit der Ärztekammer - sehr restriktiv bei der Vergabe von Verträgen. Daher müssen sich viele Mediziner mit den Brosamen der sog. "kleinen Kassen" begnügen bzw. als "Wahlarzt" hoffen, dass sich doch Patienten behandeln lassen, auch wenn diese später nur einen symbolischen Teil der Honorarrechnung von den Gebietskrankenkassen ersetzt bekommen.
Eine völlige Änderung des Versicherungssystemes (Selbstbehalt, freie Wahl der Pflichtversicherung) und der Kassenhonorare würde sowohl den Medizinern als auch den Patienten gut tun. Vor allem aber sollte jedem Staatsbürger die Gesundheit etwas wert sein und damit die Vollkaskomentalität der Vergangenheit angehören.
ein Tatsachenreport:
ohne es den Apothekern neidig zu sein - aber kann man das für gerecht finden?
Der Allgemeinmediziner untersucht den Patienten, bespricht das Ergebnis mit ihm und verschreibt das Rezept. Zeitaufwand rund 10 Minuten. Honorar von der Krankenkassa - nach meinen Informationen - rund EUR 15.-.
Patient geht mit dem Rezept in Apotheke. Ein Blick auf das Rezept für zwei, drei Medikamente. Griff in den Apothekerkasten. Zeitaufwand rund 1-2 Minuten. Handelsspanne der Medikamente, soferne es sich nicht um 10 Tabletten Aspirin handelt, sicherlich mehr als das Arzthonorar ...
Gerecht?
Was muss noch passieren, dass diese Politiker endlich kapieren, dass die Zeit zur Verwirklichung von teuren Prestigeprojekten mit nicht vorhandenen Geldmittel, dass heißt mit weiteren Schulden zu Lasten der derzeitigen Steuerzahler und nachkommenden Generationen, endgültig vorbei ist.