Väterrechte versus Mütterrechte – eine Themenverfehlung

Das, was die kleine Sofia Povse erleiden muss, ist leider kein Einzelfall und nicht das einzige Obsorge-Drama des Sommers 2013, wie es von den Medien bezeichnet wird. Es ist nur eines, über das berichtet wird. Derartige traumatisierende Schicksale treffen leider viel zu viele Kinder – tagtäglich, und oft in ähnlicher Härte.

Aber solange alle immer wieder nur von „Väterlobby“ und „Mütterlobby“ von „Väterrechten“ und „Mütterrechten“ sprechen – solange wird es möglich sein, dass Kinder als eigenständige Rechtssubjekte überhaupt nicht wahrgenommen werden und Gerichte, Jugendämter oder Sachverständige darüber entscheiden, was gut für unsere Kinder ist.

Solange polarisiert wird, werden die Kinder zwischen den einzelnen Positionen zerrieben, bis sie letztlich aus Selbstschutz eine Seite – entweder den Vater oder die Mutter – aufgeben, verleugnen, ablehnen.

Die einzige Möglichkeit, derartige Familiendramen zu verhindern ist, dass Eltern es als von der Natur gegeben erachten, dass ein Kind für seine gesunde Entwicklung sowohl Mutter als auch Vater braucht, ohne Wenn und Aber – ausgenommen es ist tatsächlich Gewalt im Spiel.

Im „Kampf“ ums Kind wird aber immer wieder – und zunehmend öfter – dieser „Joker“ Gewalt, selbst bis hin zum wissentlich falschen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs, verwendet, um die eigene Position zu stärken und den anderen Elternteil zu vernichten oder für immer auszuschalten. Dieses Mittel bewährt sich leider immer wieder, da jeglicher Kontakt damit sofort blockiert werden kann. Sachverständige, aber auch ich persönlich in meiner Kanzlei registriere ein Ansteigen dieser falschen Vorwürfe. In vielen Fällen soll so die gemeinsame Obsorge verhindert, der „gegnerische“ Elternteil ausgeschaltet werden.

Eine besorgniserregende Entwicklung, die keinesfalls im Kindeswohl liegt. Doch einseitige Macht macht erfinderisch, oft zum Schaden der Kinder.

Die konkrete Situation ist für das kleine Mädchen Sofia schlimm, und ich finde es gut und wünschenswert, dass Menschen für Kinder und deren Wohlergehen auf die Straße gehen! Ich verstehe zum jetzigen Zeitpunkt auch die Angst und Sorge der Mutter und der kleinen Sofia.

Das, was mich aber maßlos stört ist, dass bei derartigen Fällen immer – auch von den Medien – ausgeblendet wird, wie es zu der jetzigen Situation gekommen ist. Alles wird alleine dem anderen (angeblich bösen) Elternteil zugeschoben, und schon wieder wird versucht zu polarisieren. Wie kann es sein, dass das Mädchen seit vier Jahren, also zwei Drittel seiner Lebenszeit, seinen Vater nicht gesehen hat? So weit kann es wohl nur kommen, wenn der Kontakt bewusst blockiert wurde und keiner der Verantwortlichen an einer Lösung – vier Jahre lang (!) – gearbeitet hat.

Was konkret haben alle für das Mädchen Verantwortlichen – und hier meine ich auch die Mutter (und das soll keine Provokation sein, sondern ein Denkanstoß) und den Vater – sowie Gerichte, Jugendämter, Sachverständige etc. die letzten vier Jahre getan, um eine Entfremdung des Mädchens von seinem Vater zu verhindern? Was wurde getan um den Konflikt zu deeskalieren?

Offenbar von allen Verantwortlichen jahrelang nichts – wie in so vielen Fällen.

Echter Kinderschutz ist in Österreich kein politisches Anliegen – man versucht politische Stimmen von Müttern oder Vätern zu lukrieren, man versucht weiter zu polarisieren, man stopft Millionen von Förderungen in zumeist einseitig orientierte Institutionen, die wieder die Polarisierung und den „Geschlechter-Kampf“ schüren.

Auf diese Weise wird man mit realem Kinderschutz, mit der gebotenen faktischen Umsetzung von Kinderrechten nicht weiterkommen. Aber will man das überhaupt? Eine Individualbeschwerdemöglichkeit von Kindern, über die von Österreich bereits 2011 ein internationales Abkommen unterschrieben, aber bis heute wieder mal nicht ratifiziert wurde, zeigt aufs Neue: Man fürchtet sich vor den Stimmen und Meinungen der Kinder, man will sie noch immer nicht als eigenständige Rechtssubjekte anerkennen!

Die Worte der Mutter: „Jene Bürger und Bürgerinnen, die uns helfen, sind keine Verbrecher. Es ist ein Zeichen von Größe, Menschlichkeit und moralischer Verantwortung. Leider sind das Werte, die in unserem Land scheinbar verloren gegangen sind“, kann ich nur zu 100 Prozent bestätigen. Jene Menschen, die sich aktiv für Kinderrechte einsetzen – wie all jene, die auch diesen August an der Demo teilgenommen haben – verdienen Anerkennung.

Doch leider muss ich immer wieder feststellen: Gebilligt wird ein solch öffentliches mediales Vorgehen in einem Pflegschaftsverfahren nur, wenn Mütter es tun. Schreiten Väter auf die Straße, ist es unliebsamer Aktionismus; treten Väter an die Medien heran, wird es als kindeswohlschädigend, aggressiv, empathielos gewertet und oftmals gleich kriminalisiert. Es wird damit argumentiert, dass die Öffentlichkeit dem Kind schade, das mediale Vorgehen zeige somit die Erziehungsunfähigkeit.

Diese Ungleichbehandlung durch die Gesellschaft, die Medien und die Verantwortlichen ist unerträglich und durch nichts zu rechtfertigen. Denn wenn staatliche Institutionen, Gerichte, Jugendämter versagen, das Kindeswohl auf der Strecke bleibt oder unter Aktenseiten verschüttet wird – dann bleibt nur mehr die Öffentlichkeit um Kindern zu helfen – und zwar unabhängig davon, ob eine Mutter oder ein Vater das Unrecht aufzeigt.

Wenn Justizministerin Karl Sofia ein Spielzeug schickt – wie angeblich berichtet – so hilft das Sofia nicht! Im Übrigen könnte sie dann gleich mehrere Lastwagen an Spielzeug kaufen, um all das Leid bei unzähligen Kindern, wo verantwortliche Stellen das Kindeswohl eindeutig missachten, zu mildern!

Deshalb kann ich die Aufforderung an die Justizministerin, durch die Anwältin der Mutter, endlich im Bereich Kinderrechte und Kinderschutz die Hausaufgaben zu machen, nur voll unterstützen!

Diese Hausaufgaben wären ihr jedoch von den mündigen Bürgern aufzutragen, von denen es im Bereich Familienrecht/Kinderschutz mehr als genug gäbe.

Ich wünsche der Mutter und dem Vater, dass sie mit wirklich professioneller Hilfe – z.B. mit internationaler Mediation, wie von der Rechtsvertretung der Mutter vorgeschlagen – eine gute Lösung für Sofia, ein schützenswertes kleines Mädchen, finden.

Alles Gute für die weitere Entwicklung!

Mag. Michaela Krankl ist Juristin und Strafverteidigerin in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei. Sie wurde 2010 mit dem Childrens Planet Award für ihren Einsatz zur praktischen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausgezeichnet.

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