Irgendwie muss ich die Tschechen beneiden. Sie haben einfach die viel schöneren Skandale. Sie haben keinen Präsidenten, der die nichtssagende Langeweile in Person ist. Sie haben keinen Regierungschef, der zwar seine Karriere jahrelang aus der Kassa der Staatsbahn und Autobahn-Gesellschaft finanziert hat, der aber dennoch sorglos bleiben kann, weil die Staatsanwälte es nicht wagen, ihm deswegen einen Prozess zu machen. Die Tschechen haben von allem das Gegenteil.
Neuerdings können sie sich sogar berühmen, dass ihr Regierungschef wegen einer richtig gschmackigen Sex-and-Crime-Geschichte mit einer ordentlichen Würze aus Geheimdiensten und Eifersucht zurücktreten musste. Der Mann ist zwischen seine Ehefrau und seine Kabinettschefin geraten, die ihm in letzter Zeit viel näher zugetan war als die eigentlich Angetraute.
Diese Dame hat die Ehefrau geheimdienstlich überwachen lassen. Sie hat selbst ein heftiges Plagiatsproblem am Hals. Und sie hat auch gleich - möglicherweise im Auftrag - drei Abgeordnete geschmiert, um ihrem Herzbuben den Job zu retten.
Sehr humorlos und für einen Österreicher undenkbar, wie die tschechischen Strafverfolger darauf reagiert haben. Sie haben ungeniert und überfallsartig Razzien im Büro von Herrn Necas durchgeführt und die Kabinettschefin einfach festgenommen.
Bei uns in Bagdad hingegen ist das alles undenkbar. Hier füllen die Zeitungen ihre Spalten und noch mehr das Fernsehen seine Sendeminuten mit dem peinlichen europa- und sicherheitspolitischen Herumstottern der Regierungsspitze. Sie nehmen das auch noch ernst. Und lassen die Skandale unter dem Teppich.
Dabei hat sich Necas politisch durchaus große historische Verdienste erworben, die nun alle im Hormonkrieg untergehen: Er hat so viel für die Versöhnung mit den Sudetendeutschen getan wie kein anderer tschechischer Regierungschef. Er hat auch eine grundvernünftige Wirtschaftspolitik betrieben. Und jetzt muss er wegen ein bisschen Korruption zurücktreten. Das kann der Österreicher nicht wirklich verstehen.
Freilich kann sich der Österreicher die meisten Necas-Episoden bei einem Werner Faymann nicht wirklich vorstellen. Etwa dass sich mehrere Frauen um diesen raufen würden. Oder dass sich der Mann jemals in irgendeiner historischen Hinsicht Verdienste erwerben würde. Oder dass er seine Abgeordneten schmieren müsste, weil die sonst eigenständig abgestimmt hätten. Oder dass ihm jemand angesichts seiner totalen Reformverweigerung eine grundvernünftige Wirtschaftspolitik nachsagen würde. Oder gar, dass die Staatsanwälte wagen würden, Faymanns Unsauberkeiten mit Razzien und Verhaftungen aufzurollen.
Denn die Zeitungen ignorieren manche Taten dieses Mannes wie einst die Liebesaffären im Hause Habsburg. Fast nirgendwo liest man über Faymanns Korruptionsaffären. Auch die Tatsache, dass sein Maturazeugnis oder ein sonstiger Beweis eines Schulabschlusses leider, leider unauffindbar ist, wird nirgendwo sonderlich thematisiert; ebensowenig der seltsame Umstand, dass im Lebenslauf des Mannes ein sich über fünf Jahre erstreckendes schwarzes Loch klafft. In anderen Ländern würden solche Dinge hingegen politische Erdbeben auslösen.
Eigentlich wäre der Mann also doch zumindest in dieser Hinsicht durchaus interessant. Dennoch machen ihn die Zeitungen und die televisionären Hofberichterstatter so uninteressant, indem sie auf politisch relevante Aussagen des Mannes warten. Vielleicht sollten sie einmal bei den heutigen Tschechen Journalismus lernen.
Auch mit ihren Staatspräsidenten sind uns die Tschechen voraus. Da hatten sie zuerst Vaclav Klaus, den blitzgescheiten und ständig mieselsüchtigen Ökonomen, der es geradezu liebt, Gesprächspartner, die er gering schätzte, öffentlich fertig zu machen. Da er – ein wirklich liberaler Ökonom – die EU besonders gering schätzte, machte er sie besonders oft fertig. Freilich, ohne dass dort jemand auf ihn hört. Leider.
Und jetzt nahtlos Milos Zeman. Wie sehr muss sich jeder Journalist nach einem solchen blutvollen Menschen sehnen! Da gibt es immer genug Saftvolles zu schreiben. Etwa darüber, dass Tschechien keine Auslandsbotschafter mehr ernennen kann, da sich Präsident und Außenminister einen öffentlichen Watschentanz um die Besetzungen liefern. Noch pikanter: Dabei geht es vor allem um die Frau des Vorgängers, die Zeman zur Botschafterin machen will, während sich der Minister weigert.
Dunkel werden sich übrigens manche erinnern, dass auch in Österreich die Frau eines früheren Präsidenten als Botschafterin entsorgt wurde. Nur gab es da Null öffentliche Debatten. Alle Involvierten knirschten zwar insgeheim mit den Zähnen, aber niemand widersprach offen den Avancement-Wünschen der Dame. Außenminister Schwarzenberg tut das hingegen mit erstaunlicher Härte gegen Frau Klaus.
Zeman gibt aber auch sonst viel her: Er fällt immer wieder durch seinen exzessiven Alkoholkonsum auf. Dadurch werden viele seiner Auftritte zu wackeligen Sachen. Aber als echter Tscheche bekennt er sich offen dazu und rechtfertigt sich mit dem Bonmot, dass Hitler ein Abstinenzler und Churchill ein fester Trinker gewesen seien. Ein Vergleich, der zumindest schmunzeln lässt.
Bei uns hat freilich schon jeder Jüngstpolitiker vor dem ersten Auftritt im Gemeinderat längst gelernt: Vergleiche, in denen Hitler vorkommt, sind absolutes No-Go. (Denn irgendein Grüner würde darin sicher irgendetwas Entsetzliches, Auschwitz weit Übertreffendes erkennen).
Zeman – eigentlich ein Sozialist! – hat auch politisch total unkorrekt einen homosexuellen Universitätsprofessor brüskiert. Er hat ihm brüsk die sonst üblich persönliche Ernennung verweigert. Bei uns hingegen bekommt ja schon jedes Kindergartenkind behördlich vermittelt, dass eigentlich nur Homosexuelle wirklich gute Menschen sind.
Zeman steckte es schließlich auch mit einem lockeren Schmäh weg, als Faymann beim jüngsten Wien-Besuch Zemans einfach keine Zeit für ihn hatte. Das ist zwar gegenüber dem Staatspräsidenten eines Nachbarstaats eine grobe Ungehörigkeit, aber Zeman lachte nur. Die tschechischen Zeitungen haben den Eklat groß thematisiert. In Österreich freilich werden solche Sachen von den medialen Hofberichterstattern brav unter den Teppich gekehrt (es könnte ja ein Inserat ausbleiben).
Irgendwie bekommt man da als Österreicher ob der grauen Mäuse in der Politik und der dank vieler Inserate zahnlosen Medien Minderwertigkeitskomplexe. Zum Glück fällt einem da aus der Vergangenheit doch noch ein Name ein: Thomas Klestil. Auch bei ihm gab es immerhin schlimme Alkoholexzesse. Der Unterschied: Nur ein Privatsender wagte, diese zu zeigen. Und auch Klestil wurde zwischen zwei Frauen geradezu zerrieben.
Freilich: Die – für andere – lustigen Seiten an Klestil wurden lang geheimgehalten (nämlich die Affäre um die Zweitfrau, die dann die Erstfrau verdrängte). Oder sie wurden bis zum Tod nie zugegeben (nämlich sein Alkoholproblem, das eng mit seinen Frauenproblemen zusammenhing). In Österreich passten höchstens die Nachrichtendienste auf, dass Klestil beim Stelldichein im Rennverein abgeschirmt blieb.
Nur in einem Punkt glich er Vaclav Klaus. So wie der Tscheche erfolglos die EU mahnte, so blieb Klestil innerösterreichisch erfolglos. Nämlich mit seinen Koalitionswünschen. Er hatte ja geglaubt, im Trio Infernal mit Krone-Boss Hans Dichand und ORF-Boss Gerhard Weis seine Wunschkoalition gegen den Willen der Wähler- und Parlamentsmehrheit durchsetzen zu können.
Nur tat es Österreich damals sehr gut, dass Klestil erfolglos blieb, während es der EU gar nicht guttut, dass sie nicht auf Klaus gehört hat. Dann wäre es jedenfalls nie zur Schuldenexplosion gekommen.
Ganz ehrlich: Ich beneide die Tschechen. Da ist noch blutvoll was los. Und das Land ist nicht von lauter anämischen Gestalten und Nichtberichterstattern wie bei uns geprägt.
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(Zitat: A.U.): "...dass eigentlich nur Homosexuelle wirklich gute Menschen sind...
... der wahre Grund für die "globale Erwärmung".
Nun, ich würde nicht sagen, daß die Tschechen die "schöneren" Skandale vorzuweisen haben, wir stehen nicht viel hinten nach, nur, daß sie bei uns, v.a. wenn es um Linke geht, von den Medien weitgehend ignoriert, bzw. schön geschrieben werden und von der Justiz mit Glaceehandschuhen angefaßt werden.
Die österr. Justiz war nicht interessiert am Verbleib der BAWAG Mrd., die Justiz kümmert sich NICHT um die beweihräuchernden Inserate (72 Mio.€ im ersten Quartal), die Justiz spielt eine fragliche Rolle im Kampusch Fall, die Justiz interessiert nicht daß Fr. Brauner 2 Mrd. versenkt hat, die Justiz interessiert sich auch nicht für Claudia Schmieds Kommunalkreditdebakel, etc.....
Finden Politiker und Justiz ein für sie falsches Wort der Blauen, dann gewinnt man den Eindruck, als würden die Tag u. Nacht arbeiten um den Menschen die richtige politisch korrekte Ausdrucksweise einzuhämmern - natürlich meist gegen die Volksmeinung.
Eine treffliche Satire über das Regierungsmelodram in Tschechien.
Wenn unsere korrumpierten Medien mehr Aufdeckungs- anstatt Kampagnenjournalismus betrieben, könnte Österreich mit den filmreifen Politikerskandalen bei unserem Nachbarn eventuell mithalten.
In Sachen Alkoholismus hätten wir ein paar Anwärter, die durchaus konkurrenzfähig sind, jedoch aus genannten Gründen lieber auf Kommunalebene bleiben und keine führenden Regierungsposten mehr anstreben.
Was "Rosenkriege" betrifft, behandelt man das hier entweder diskreter, gemütlicher oder in ausweglosen Situationen auch radikaler, wenn verlassene Politikergattinen wie in der Vergangenheit das eine oder andere Mal ganz einfach ihr Leben beendeten.
Darüber hinaus fehlt es derzeit in der heimischen Politik an geeigneten Objekten der Begierde. Wer kommt denn bei diesem "winning team" schon in Versuchung:
http://img713.imageshack.us/img713/9531/9ivf.jpg
Tschechien ist nicht wirklich zu beneiden, aber wir mit unserer Regierungsmannschaft ebenfalls nicht unbedingt, oder?
wird scho kummen, nur nicht brummen!
Die demokratie, wie die meisten ideologien, wird am anfang von idealisten getragen. bald aber kommen die karrieristen und systemausnutzer, radikalisieren die bewegung und erobern ihre spitze. das kann man von der franzoesischen revolution bis zu den gruenen verfolgen.
Die tschechen brauchen noch ein paar jahre, dann sind sie unte r kontrolle der Macht.
Für Faymann muss man sich schämen, für die österreichische Regierung muss man sich schämen, für die österreichischen Medien muss man sich schämen.
Das desinformierte österreichische Volk 'kann nichts dafür', außer dass es halt bei der 'Futterkrippe' steht wie eine Herde Kühe und diese alle wählt, die eigentlich keinen österreichischen Pass mehr verdienen würden, weil sie halt was 'versprechen'. Sie halten ihre Versprechen auch 'ein' und erklären sich auf unsere Kosten für solidarisch mit Griechenland&Co.
Seit die österreichische Politik begonnen hat, sich selbst zu bedienen und nur noch Parteipolitik betrieben hat, hat sie sich vom wirklichen österreichischen Volk, das sehr fleißig ist und diszipliniert ist und vieles zustande bringt, so weit entfernt wie die Arbeitsverweigerer von der Arbeit.
Hausverstand wäre die Mindestanforderung an die österreichische Politik.
Köstlich fand ich in dem Beitrag die Gegenüberstellung unserer fetten 'lahmen Enten' mit den tschechischen Politikern.
Das paßt zwar nicht unbedingt zum Thema hier, aber das Messen mit zweierlei Maß nimmt immer groteskere Formen an: Es gibt also Maturafragen, die man einer moslemischen Schülerin nicht stellen darf, einer einheimischen hingegen schon. Wo bleibt da die von den Linken stets erzwungene Gleichheit?
http://www.unzensuriert.at/content/004908-Intrige-gegen-Lehrer-Muslima-l-sst-sich-nicht-instrumentalisieren
@A.U. schreibt:
"Zum Glück fällt einem da aus der Vergangenheit doch noch ein Name ein: Thomas Klestil. Auch bei ihm gab es immerhin schlimme Alkoholexzesse. Der Unterschied: Nur ein Privatsender wagte, diese zu zeigen. Und auch Klestil wurde zwischen zwei Frauen geradezu zerrieben."
Daß Klestil dem Alkohol mehr zusprach, als ihm guttat, höre ich hier zum ersten Mal---so diskret waren unsere Medien also!
Margot Löffler, die maßlos ehrgeizige Nebenfrau Klestils, die er nach der Scheidung von seiner Frau Edith auch ehelichte, hat garantiert in ihrem Leben keinen Meinl-Kaffee mehr getrunken! Wer erinnert sich noch an die feine Rache, die Meinl der 1. Frau Klestil bot, als sie für die Kaffeemarke PRÄSIDENT im FS verschmitzt schwärmte, sie wüßte, wie der "Präsident" schmecke?