Neben den für Herbst angesetzten deutschen Wahlen sind die jetzigen in Italien die weitaus wichtigste Entscheidung dieses Jahres. Selten waren sich Europas Medien so einig wie in Italien, wer die Guten und wer die Bösen sind. Sie haben dabei nur ein Problem: Sie müssen die Fakten kräftig verdrehen, um zu ihrem hundertfach verbreiteten Schluss zu kommen: Berlusconi furchtbar, alle anderen gut, Monti besonders gut.
Vor allem die Story „Mario Monti hat Italien vor dem Untergang gerettet“ hat mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun. Wohl haben sich die Zinsen, die Italien für seine Staatsanleihen zahlen muss, deutlich verringert. Das hängt aber weniger mit Monti, sondern mit ganz anderen Entwicklungen zusammen. Denn die Zinsen sind in diesem Winter in allen europäischen Krisenstaaten gesunken.
Dieses Sinken hat zwei klare Ursachen: Erstens die Überschwemmung der Geldmärkte durch billige Euros der Europäischen Zentralbank, sodass das Geld dringend nach jedem freien Ankerplatz sucht. Zweitens vertrauen die Anleger nun deutlich mehr darauf als vor einem Jahr, dass Deutschland auch weiterhin die Südländer durchfüttern wird. Das hat zwar naturgemäß die deutschen Zinsen nach oben getrieben, aber eben den Abstand, den Spread zu den Zinssätzen der anderen reduziert.
Die magere Bilanz Montis
Die eigentlichen und bleibenden Reformen durch Mario Monti blieben hingegen relativ marginal. Er hat die Staatsausgaben von 800 Milliarden Euro gerade einmal um vier Milliarden gekürzt (heuer sollen die Kürzungen allerdings mehr ausmachen). Ein Ansteigen der Produktivität und der Konkurrenzfähigkeit blieb de facto aus; die Lohnstückkosten sind hoch geblieben. Herzstück der Sanierungs-Maßnahmen Montis sind Steuererhöhungen, von der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 22 Prozent bis zu der von Berlusconi so heftig bekämpften Eigenheimabgabe.
Die lähmende Bürokratie ist von Montis Regierung nicht gezähmt worden. In der Weltbank-Liste, wie geschäftsfreundlich einzelne Länder sind, liegt Italien auf Rang 73. Die Wahlrechtsreform kam nicht zustande (weshalb das nun erneut zur Anwendung kommende Wahlrecht weiterhin fast alle verwirrt, statt zur Demokratiefreundlichkeit beizutragen). Das Arbeitsrecht mit seinem viel zu starken Kündigungsschutz blieb im wesentlichen gleich. Prozesse dauern immer noch unerträglich lang. Das Dickicht der Provinzen und Regionen konnte nicht beschnitten werden, wie es notwendig wäre. Die Beamtengewerkschaften verhinderten die meisten der eigentlich seit langem notwendigen Reformen des Staatsapparats. Taxifahrer, Notare und Apotheker bekämpften mit weitgehendem Erfolg eine Öffnung ihres geschützten Marktes. Viele Investoren meiden auch weiterhin Italien trotz dessen an sich gut gebildeter und kreativer Bevölkerung; denn sie fürchten die Rigidität des Arbeitsmarkts (auf deutsch: dass man Angestellte nicht mehr los wird), die Belastungen durch Korruption und die ganz nach Gusto von Beamten und Staatsanwälten anwendbaren hochziselierten Umweltgesetze.
Das heißt nun nicht, das unter Monti nichts passiert wäre. Vor allem zu loben ist er für die Erhöhung des allgemeinen Renteneintrittsalters auf 66 Jahre und die Beschneidung der vielfältigen Möglichkeiten einer Frühpension. Das war seit Jahrzehnten überfällig. Und das könnte auch für Italiens nördlichen Nachbarn Österreich ein exzellentes Vorbild sein. Wenn freilich deutsche Experten schon vorrechnen, dass selbst die Erhöhung des deutschen Pensionsalters angesichts der ständig steigenen Lebenserwartung auf 67 weiter hinauf getrieben werden müsste, relativiert sich auch diese echte Errungenschaft Montis ein wenig.
Zumindest darauf hinweisen muss man der Ehrlichkeit halber, dass auch Berlusconi schon lange Pensionsreformen versucht hat. Er ist aber gescheitert, an den Gewerkschaften, an den Linkskatholiken (mit denen sich Monti jetzt verbündet hat), und an der Demokratischen Linken (mit denen Monti nach der Wahl koalieren will).
Italiens zentrales Problem
Damit sind wir beim zentralen Problem Montis: Seine Bilanz ist zwar trotz der vielen angeführten Minuspunkte tendenziell positiv. Aber sein im Spätherbst erfolgter Bruch mit Berlusconi und seine Ankündigung, nach der Wahl der Linken zur Mehrheit verhelfen zu wollen, lassen viele Italiener zweifeln.
Denn die Linke ist total heterogen und in Sachfragen völlig uneins. Sie wird lediglich durch die gemeinsame Ablehnung Berlusconis zusammengehalten. Die Reformunwilligkeit der radikalen Linken hat ja bereits die Regierung Romano Prodi (2006-2008) scheitern lassen, die letztlich noch viel weniger vorangebracht hat als Berlusconi. Dabei wird von vielen Medien so getan, als hätte Berlusconi ewig über Italien regiert.
Auch ihr jetziger, gegen die drei anderen Spitzenkandidaten Berlusconi, Grillo und sogar Monti farb- und perspektivlos erscheinender Spitzenmann Bersani hat keinen Bruch mit der radikalen Linken gewagt.
Die Schulden sind vor allem das Erbe der Christdemokraten
Das heißt mit anderen Worten: Obwohl Monti trotz aller notwendigen Relativierungen der relativ beste Ministerpräsident für Italien wäre, wissen viele Italiener: Eine Stimme für Montis Liste bedeutet in Wahrheit eine Stimme für Bersani und damit auch für die Einbindung genau jener radikalen Linken, an denen Prodi gescheitert ist. Und die von der Mehrheit der Italiener abgelehnt wird. Das wäre dann eine ganz andere Formel als die letzte Regierungszeit Montis, in der sich dieser ja trotz der gegenwärtigen Stänkereien zwischen Berlusconi und Monti primär auf die Stimmen der Berlusconi-Abgeordneten stützen hat können (nicht allerdings auf die Lega Nord).
Die Mehrheit der Italiener steht tendenziell eher rechts der Mitte. Freilich hatte die einstige Dauerregierungspartei der Democristiani den italienischen Staatshaushalt aus katholischem Sozialutopismus mit vielen teuren Wohltaten fürs Volk dauerhaft belastet. Daher wird es sehr spannend, wie sehr die Italiener einen im Gegensatz zu Prodi wirklich linken Premier wollen.
Montis eigene Liste wird jedoch nach allen Umfragen weit hinter Bersani und Berlusconi liegen. Möglicherweise wird er sogar nur Vierter hinter dem programmlosen Radikalpopulisten Grillo. Dieser dürfte tatsächlich Dritter werden. Die wenigen erkennbaren Höhepunkte der Grillo-Politik sind die absoluten Tiefstpunkte der italienischen Realität: die Forderung nach einem Rückzahlungsstopp für sämtlichen italienische Staatsschulden; nationalistische Attacken auf Angela Merkel; und die Einführung des Leck-mich-Tages. Gegen Grillo ist das politische Personal sämtlicher europäischer Länder hochseriös.
Auffallend ist, dass Gianfranco Fini fast völlig weg vom Fenster ist. Der längjährige Verbündete Berlusconis und einstige Mussolini-Erbe hatte ja erst durch seinen Abfall vor eineinhalb Jahren den Sturz des Berlusconi-Kabinetts ausgelöst.
Berlusconis mehrfach belastetes Konto
Und wie ist nun Silvio Berlusconi, das vermeintliche Zentralgestirn der italienischen Politik, selbst zu bewerten? Die zuvor gemachten Hinweise können zwar den verbreiteten, jedoch total naiven Glauben an Monti beeinträchtigen. Aber zweifellos wäre eine neuerliche Berlusconi-Regierung alles andere als gut für Italien.
- Erstens genießt der Mann kein internationales Vertrauen mehr; was die italienischen Zinsen wieder belasten dürfte.
- Zweitens ist das Faible des 76-Jährigen für blutjunge Mädchen und für Schönheitsoperationen schlicht ungustiös.
- Drittens ist es immer extrem undemokratisch, wenn ein Medienmagnat wie Dichand, Murdoch oder Berlusconi seine publizistische Macht missbraucht, um politisch aktiv zu werden.
- Viertens sind seine im Wahlkampf gemachten Versprechungen, die von Monti (mit Berlusconis Stimmen!) eingeführte Eigenheim-Steuer zurückzuzahlen, absurd und verantwortungslos.
- Und fünftens hat seine Amtszeit immer wieder gezeigt, dass ihm der Schutz seiner eigenen Person gegen diverse Strafverfahren wichtiger war als die eigentliche Sachpolitik (auch wenn die ständigen Klagen Berlusconis über extrem links politisierte Staatsanwälte zumindest zum Teil berechtigt sein dürften).
Für Berlusconi spricht, dass er sozialpolitisch nicht ganz so utopistisch und populistisch war wie die meisten anderen Regierungen des Nachkriegsitaliens. In Sachen Pension etwa hat er sogar richtige Ansätze gezeigt. Es hat sich auch in seiner Zeit die von seinen Vorgängern angehäufte Staatsschuld des Landes (in BIP-Prozenten berechnet) kaum mehr weiter verschlechtert. Der Mann liegt trotz seiner privaten Bunga-Bunga-Eskapaden mit seinem zumindest verbal vermittelten Wertebild durchaus im Schnittpunkt der italienischen Mehrheit. Trotzdem hat sich auf seinem Konto vermutlich zu viel Belastendes angesammelt, als dass die Italiener das alles vergessen könnten.
Die Gewerkschaften kehren zur Macht zurück
Am wahrscheinlichsten ist also, dass Italien nach der Wahl von einem Exkommunisten regiert wird, der wohl einen ähnlich illusionären Kurs wie der Franzose Hollande versuchen wird; der jedenfalls eng mit den Gewerkschaften und den anarchistischen Linkssozialisten verbündet ist. Diese beiden wiederum sind die härtesten Gegner jeder weiteren Reform und wollen sogar die meisten Reformen von Montis kurzer Periode wieder zurückdrehen. Der als eher führungsschwach geltende Pier Luigi Bersani hat dabei ohnedies fast nur dort für sinnvolle Reformen gekämpft, wo es gegen Unternehmer wie die Apotheker gegangen ist. Möglich ist aber auch, dass Bersani auch nach einem Wahlsieg Monti den Vortritt lassen will, aber diesem nur noch so viel Spielraum einzuräumen bereit ist, wie Gewerkschaften&Co erlauben. Also keinen.
Für Europa heißt das aber auch mit Sicherheit: Italien, ein Land das praktisch genau so viele Einwohner hat wie Frankreich oder Großbritannien, bleibt auf der Intensivstation. Und auch wenn derzeit keine Lebensgefahr besteht, ist weiterhin höchste Alarmstimmung ohne Aussicht auf Besserung angesagt. Europa kann sich vielleicht ein Durchfüttern Griechenlands leisten. Aber sowohl bei Frankreich wie Italien wären die Kräfte der Union absolut überfordert. Und zumindest das Ende der Währungsunion da.
Mit guter Stimmung kann daher weder Europa noch Italien diesem Wahltag entgegensehen.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.
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Die Italiener haben die Wahl zwischen Pest und Cholera und für Rest-Europa wird es zweifellos eine Schicksalswahl.
Man weiß nicht genau, was man sich bei unserem südlichen Nachbarn wünschen soll - eher ein Schrecken ohne Ende wie derzeit in Frankreich, oder doch besser ein Ende mit Schrecken, das ein rasches Aufräumen in der EU ermöglicht.
Und nachdem ich eher zu Hermann Hesse tendiere: "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", wäre Letzteres zumindest die Chance auf eine grundlegende und vielleicht sogar noch rechtzeitige Änderung eines sowieso früher oder später drohenden Zusammenbruchs unseres Euro-Währungssystems.
P.S.: Der derzeitige Ministerpräsident in der nächsten italienischen Regierung wäre paradox. Dann würde einer jener das Land führen, der als Goldman Sachs-Vertrauter am Auslösen der Finanzkrise beteiligt war. MARIO MONTI - NEIN, DANKE!
Gleich vorweg ein Geständnis: wenn's um Italien geht, bin ich parteiisch!
Dieses herrliche Land!
Dutzende Urlaube, vierzig Jahre Geschäftsbeziehungen mit seriösen Firmen und tüchtigen, mehrheitlich liebenswerten Menschen: das prägt und lässt manche berechtigte Einwände in rosigerem Licht erscheinen!
Aus vielen ehrlichen Gesprächen mit Freunden weiß ich, dass sie mehrheitlich mit den politischen, gesellschaftlichen und finanziellen Real-Strukturen ihres Landes echt unzufrieden und total frustiert sind! Trotzdem machen sie weiter, mit einem Schuss Fatalismus und mit der ihnen eigenen und sympathischen Lebensfreude!
Natürlich kommt der Komiker Beppo Grillo mit seinen populistischen Fäkalsprüchen gewissen Frustrationsströmungen im Volk entgegen; er wird auch - ähnlich wie unser doch wesentlich seriöserer Herr Stronach - auch einigen Wahlerfolg einheimsen!
Beide werden sich im politischen Geschäft schlussendlich wohl als rasch verglühende Sternschnuppen erweisen!
Berlusconi, Bersani, Monti?
Da trau' ich mich nicht drüber: erst der Wahlausgang wird zeigen, wohin die politische Reise Italiens geht!
Armes, an Schönheiten so reiches Land!
Armes, sympathisches Italienervolk!
(mail to: gerhard@michler.at)
Auf Lug und Betrug gebaut, kann das nicht funktionieren, ganz Europa kann so nicht funktionieren.
Zurück zur Eigenverantwortung, zur Subsidiarität, zur Vertragstreue und Rechtsicherheit dahin soll die Reise gehen. Doch diesen Weg verbaut die Nomenklatura Europas, sie sieht die Lösung in immer mehr Planwirtschaft, in Subventionen, sie raubt den Arbeitenden in Folge die Luft.
Doch ich denke, die EU-Nomenklatura, die wünschen sich Bersani mit Monti, auch Monti ist einer von ihnen. Sehr enttäuschend, wohin das erfolgreiche vielfältige Europa marschiert.
Ja, auch dort in Italien kommt der Exekutor und fordert die Schulden ein.
Genau, wie in ganz Europa, vielleicht mit Ausnahmen, wie etwa Schweden, Finnland, Baltikum, etc., und Nicht-EU-Mitgliedern, wie Schweiz und Norwegen.
Österreich steht ja stramm in der ersten Reihe der Nettozahler, dank unserer 'Volksverrätergarde', Rot Schwarz, Grün.
Wo links regiert bricht Chaos aus und Unfinanzierbarkeit, Leid und Elend, wenn dann der Kredit ausgeht. Statt in Italien die Reformen anzugehen, die auch bei uns nicht angegangen werden, wird man dort, im Gegenteil, wie eine Anarchistenhorde vermutlich, wenn ich die Ergebnissen von Dr. Unterberger's Betrachtungen beachte, Italien ruinieren, wie es die Roten und Grünen und das ÖVP-Anhängsel bei uns tun.
Nach der Österreich Wahl wird auch bei uns der Kredit ausgehen. 40 Jahre haben wir die notwendigen Schritte nicht ausgeführt wegen Klientelfütterung und Linker in den Regierungen.
Statt Recht, Ordnung, Vernunft walten zu lassen, zu Eigenverantwortung, Fleiß, Bescheidenheit, etc. aufzurufen, werden auch bei uns haufenweise kreditträchtige und sündteure 'Goodies' versprochen, bis das Auge bricht ..., diesmal aber dann vermutlich die EU auch gleich mit, denn die schafft sich mit ihren eigenen Gesetzesbrüchen, da sind die Linken Meister darin, selbst ab, wenn dann 'nichts mehr gehen' wird.
A vergißt auf den fürchterlichen Chef der Staataanwaltschaft Palermo, Dr. Ingroia, jener Staatsanwaltschaft die zusammen mit der von Mailand als Hauptverschwörer, bisher übrigens ohne realen Erfolg, gegen Berlusconi seit seinem Eintritt in die Politik 1994, agitiert. Dieser hat jetzt eine extrem linke Partei gegründet die zum revolutionöären Umsturz aufruft, bleibt aber weiterhin als Ankläger im Amt! Wenn das keine politisierte Justiz ist was dann? Berlusconi hat keinen Verfolgungswahn sondern völlig recht! Die Kommunisten haben nach dem Krieg als der gewaltsame Umsturzversuch gescheitert war den Anklagepunkt: "Äussenstehende Unterstützung der Mafia" zum alleinigen Zweck eingeführt den politischen Gegner damit zu vernichten, auch wenn er nur zufällig mit einem Mafioso auf einem Foto zu sehen ist. Die subversive Agitation dieser gehässigen Ideologie müsste den sogenanten Bürgerlichen doch wenigstens fast einem Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall klar werden.
Einen Goldman& Sachs Typ, der von den internationalen Medien gelobt und gepriesen wird, sollte man genau deshalb nicht wählen. Berlusconi, durch eine Prostataoperation für Frauen keine Gefahr, der von denselben Medien verteufelt wird, schon eher. Das Medienimperium der Sozen in Ö ist genauso marktbeherrschend und korrupt, unsere Gerichte, die nur Gegner der Macht anklagen, die roten Genossen schützen und jahrelang nicht anklagen (C.Schmied) oder auf Urlaub nach D schicken, sind um nichts besser.