Jetzt ist auch noch das Gasthaus in Rom, wo Joseph Ratzinger einst gelegentlich gegessen hat, medial vielerorts porträtiert worden. Nichts symbolisiert deutlicher die krampfhafte Hilflosigkeit der Öffentlichkeit, mit einer Institution zurecht zu kommen, die nicht von dieser Welt ist. Noch weniger sind die meisten Medien mit dem Phänomen eines aus Bescheidenheit zurücktretenden Papstes fertig geworden, von dem wir vermutlich nach dem großen und bewegenden Abschied nicht mehr viel zu sehen bekommen werden.
Die Medien haben die Kirche nie begriffen. Sie waren aber zugleich immer absolut fasziniert von einer geheimnisvollen Institution mit großem historischen Atem, bei der man nicht ständig durch Pressekonferenzen eines Parteiobmannes oder Ministers informiert – beziehungsweise meist desinformiert wird. Daher haben sie, insbesondere die italienischen Zeitungen, mit großer Gier jedes Gerücht und selbst die wildesten Spekulationen veröffentlicht.
Umgekehrt begreift aber auch die Kirche nicht die Rolle der Medien. Wie mit ihnen umgehen? Es ist ja auch kein Zufall, dass beim Nachlesen der Konzilsdokumente jenes über die Medien das weitaus schwächste und platteste ist. Den Umgang mit dieser Medienwelt hat der einstige Konzilstheologe Ratzinger viel weniger verstanden als etwa der polnische Papst, der sein Pontifikat weniger mit Theologie als mit Charisma geprägt hat.
Gibt es aber überhaupt eine richtige Umgangsform zwischen den Medien, die auf Inszenierung, auf Schlagzeilen, auf Gschichteln aus sind, und einer Institution, die zumindest im Prinzip für Wahrheit, Freiheit und Transzendenz steht? Man darf zweifeln.
Der Umgang wird umso schwieriger, als auch die Kirche selbst meist nicht die Spannung zwischen ihrem hehren prinzipiellen Ziel und Anspruch auf der einen Seite und ihren oft sehr diesseitigen Akteuren auf der anderen Seite zu überbrücken versteht. Daher stehen dann stehlende Kammerdiener, sich in schwulen Zirkeln treffende Vatikan-Prälaten und kindesmissbrauchende Mönche alleine im Scheinwerferlicht. Hat doch die Kirche sehr oft und sehr lange den Eindruck zu erwecken versucht, als ob das Hehre ihres Anspruchs auch automatisch ihre Akteure zu besseren Menschen machen würde.
Dieser Eindruck ist auch theologisch in keiner Weise gerechtfertigt. Selbst manche Päpste der langen Kirchengeschichte waren böse, katastrophale Persönlichkeiten. Daher ist es auch nicht sehr weise, wenn der Wiener Kardinal in fast jeder Wortmeldung der letzten Tage dem Heiligen Geist die Verantwortung für durchaus menschliche Personalentscheidungen zuschiebt.
Es würde der Kirche am besten tun, wenn sie wieder viel stärker die logische und oft gewaltige Diskrepanz zwischen ihrer geistigen Dimension und dem durchaus irdischen Personal zu akzeptieren und klarzulegen bereit ist. Sie verkörpert ja den Glauben an Gott und nicht jenen an irgendeinen Kaplan oder Kardinal oder Papst.
Daher sollte die Kirche nicht ständig den lieben Gott für alles Mögliche bemühen. Von den Schulnoten bis zum Wetter. Denn sonst wird sie von der unbeantwortbaren Frage überrollt, wie Gott die vielen Katastrophen zulassen kann, die auch zahllosen Guten und Unschuldigen Leid und Tod bereiten. Ob das nun große Naturkatastrophen sind oder Massenmorde wie jene in Auschwitz oder im Gulag.
Die Kirche darf aber natürlich dennoch auch die Mittel der diesseitigen Welt für ihren Auftrag einsetzen. Das mag das Theater sein, das etwa die barocken Jesuiten für kirchliche Zwecke entdeckt hatten; das mag die Liturgie sein, die sie seit Jahrtausenden als Mittel der Inszenierung ihres transzendenten Kerns verwendet; das mag die kulturelle Vielfalt zwischen Afrika, Asien oder Europa sein; das mag die seit dem Mittelalter verwendete Kirchenmusik sein; das mag die Kraft der Mystik sein.
Aber trotz all dem wird sie nur dann auch von Nichtgläubigen respektiert werden, wenn sie sich auch selbst vor allem anderen und immer als etwas im Kern über diese Welt Hinausweisendes begreift. Solange sie das tut, bleibt sie die wichtigste Institution der Weltgeschichte. Und sich selbst treu. Freilich wird sie dann aber auch automatisch immer Hassobjekt sein. Für Kommunisten, für Nationalsozialisten, für militante Atheisten, für geifernde Boulevard-Journalisten. Mit anderen Worten gilt aber auch: Nur solange die Kirche Hassobjekt ist, wird sie kein beliebiges Etwas sein. Nur dann kann sie auch geliebt werden.
Hinter dieser Herausforderung verschwimmen viele heute so laut diskutierte Fragen zu Details. Wie es etwa das Thema verheiratete Priester ist, um nur eine einzige zu nennen. Solche hat es ja in Wahrheit in der römischen Kirche immer gegeben, von den unierten, also papsttreuen Ostkirchen bis zu den neuerdings zum Katholizismus übergetretenen anglikanischen Geistlichen.
Benedikt XVI., der intellektuelle Papst und große Theologe, hat all diese Zusammenhänge gespürt und kommuniziert. Als Person hat er aber erst durch seinen Rücktritt wirklich Emotionen ausgelöst. Solche waren ihm eigentlich Zeit seines Lebens unangenehm. Er sah – und sieht – Emotionen nur gegenüber Gott, Kirche und Religion als gerechtfertigt an. Eben weil er die Kirche immer als etwas ganz Anderes begriffen hat.
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Die kurz zusammengefaßte Botschaft, welche Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt hinterläßt, ist einfach, klar nachvollziehbar und sollte in der katholischen Kirche bis in höchste Kreise beherzigt werden:
Innerer Zusammenhalt, geschlossenes Auftreten nach außen, die Warnung vor Relativismus und die Rückbesinnung der Gemeinschaft auf christliche Werte.
Ich wünsche ihm, daß er eine Entwicklung in diese Richtung noch miterleben und auch als "emeritierter Papst" weiterhin seinen Beitrag dazu leisten kann.
Grazie di cuore, Benedetto!
Statt vieler Worte:
Benedikt XVI war seiner Herde ein guter Hirte!
Sein Abgang würdig, still, menschlich;
er wird im Gedächtnis der Gläubigen bleiben!
(mail to: gerhard@michler.at)
Anlässlich einer Streitkultursendung in Ö1 zum Rücktritt des Papstes hat der Altabt von Heiligenkreuz, Henckel-Donnersmark, hinsichtlich der demographischen Entwicklung in Europa, die Äußerung getätigt, es sei ihm Wurst, wer in 200 Jahren Europa bewohne.
Dazu ist festzuhalten, das ist Internationalismus und Globalismus, das heißt, reines Judentum im Christentum und völlig falsch verstandener katholischer Universalismus.
Das Christentum hat zwar, wie das Judentum die Aufgabe, die natürliche Unmittelbarkeit der Völker aufzubrechen und sie zu vergeistigen, aber anders als im Judentum geht es im Christentum nicht um die Überwindung der Völker, sondern um deren Vollendung als Schöpfungsideen und –gestalten Gottes.
Daher ist es völlig normal, dass das Herz eines jeden christlichen Europäers daran hängt, dass es auch in zweihundert Jahren in Europa kein Mischvolk unter der Führung des “auserwählten Volkes“ (Coudenhove-Kalergi) gibt, sondern die alten europäischen Kulturvölker, Italiener, Deutsche, Polen, Spanier und all die anderen Völker auch.
"Denn sonst wird sie von der unbeantwortbaren Frage überrollt, wie Gott die vielen Katastrophen zulassen kann"
Diese Frage ist unvermeidbar.
Wenn die Kirche meint, Gott würde die Papstwahl lenken, dann stellt sich die Frage wieso teilweise so suspekte Gestalten dabei herauskommen.
Meint sie er tut es nicht, dann stellt sich genauso die Frage warum er es nicht tut, wenn doch sonst so suspekte Gestalten herauskommen. Kann er nicht - obwohl er doch allmächtig ist? Will er nicht - obwohl er doch unendlich gut ist?
Außerdem beruht die katholische Theologie eben nicht nur auf dem überlieferten Leben Jesu und dem der jüdischen Propheten, sondern auch sehr stark auf (frühkirchlichen) Traditionen. Das ist nur dann zu rechtfertigen, wenn man eben davon ausgeht, dass der heilige Geist in der Kirche wirksam war (und ist), und zumindest teilweise die Entscheidungen der weltlichen Akteure steuert. Gerade beim Papst.
Die Antwort auf die Frage nach dem Bösen und den Katastrophen in der Welt: Gottes Wege sind unergründlich. Im Endeffekt ist es gut, dass es so ist wie es ist und auch alles Böse ergibt einen Sinn, wenn auch unbegreiflich für Menschen, die nur in 3-4 Dimensionen (27 bei Theoretischen Physikern) denken.
Der Grund mag für einen von Naturwissenschaften geprägten Menschen nach einer schwachen Ausrede klingen, weil eben völlig unbeweisbar.
Aber der Grund wird eben auch nicht besser oder schlechter, wenn der Wiener Kardinal "weise" ist und dem heiligen Geist keine Rolle bei der Papstwahl zuspricht.
Benedikt XVI. hat den Vatikan verlassen und mir ist zum Heulen.
Wer kommt nach? Hoffentlich nicht unser Kardinal, denn von dem bin ich sehr enttäuscht.
Dem emeritierten Papst, vor dem ich demütig den Hut ziehe, mögen noch viele glückliche Jahre gegönnt sein.
(Zitat: A.U.) - „..der polnische Papst, der sein Pontifikat weniger mit Theologie als mit Charisma geprägt hat…“
Bei einem DJ (Disc Jockey) mag „Charisma“ nicht ganz unwesentlich sein.. Ob ein Papst dem „Dancing Star“-Hype entsprechen muss, um die Medienmeute zu besänftigen…? Ich habe da meine Zweifel. Wenn man denen Gehör schenkt, wollen die alsbald, dass Schwulenpaare mit den Ehesakrament „geheiligt“ werden… und zumindest einer der Pelinkas sich als „papabile“ sieht. Man kann von Stronach halten was man will, aber sein Umgang mit den Medien und den Journailisten ist beispielgebend… :-)
(Zitat: A.U.) - „..Sie verkörpert ja den Glauben an Gott und nicht jenen an irgendeinen Kaplan oder Kardinal…“
Ich fürchte, hier hat sich die Kirche selbst „gefangen“. Mit dem „Volksaltar“. Die körperliche Hinwendung des Priesters zum Kirchenvolk ist einfach zu „verlockend“ für die Gläubigen in der PERSON das „Objekt der Verehrung“ zu suchen… und leider auch zu finden.
Den Abgang von Johannes Paul II. - der sich wie ein Strudelteig in die Länge zog - haben sehr viele Menschen nicht als eindrucksvolles Martyrium begriffen, sondern als unnötige Sesselpickerei.
Dass dieser Papst in den letzten Jahren noch imstande war die Kirche zu leiten, ist natürlich völlig illusorisch. In Wirklichkeit kochten die Kardinäle längst ihr eigenes Süppchen.
Ratzinger kann man hingegen zu seiner Charakterstärke nur gratulieren; er wollte nicht als Heiliger in die Geschichte eingehen, sondern verstand sich vielmehr als einfacher Hackler im Weingarten des Herren, der wusste wann es Zeit ist in die Pension zu gehen.