Man soll die EU nicht ständig tadeln: Dass um das Budget in den letzten Wochen so heftig gerungen worden ist, ist eigentlich ganz normal. Wird doch auch in Österreich monatelang um den Staatshaushalt gekämpft – dabei gilt der nur für ein Jahr, oder bisweilen für zwei. Europa hat sich aber jetzt für sieben Jahre festgelegt. Und der Gipfel hat etwas erreicht, was sonst kaum wo erreichbar ist: Der gesamte Ausgabenrahmen ist trotz Inflation niedriger als in den letzten sieben Jahren. Das ist überaus anerkennenswert.
Umso selbstverständlicher ist es, dass das noch immer fast ein Billion ausmachende Budget eine Zeitlang heftig umstritten war und im Parlament noch wochenlang für Streit sorgen wird. Muss es doch nicht nur wie bei uns daheim von einer Regierungsmehrheit, sondern einhellig von allen Mitgliedsstaaten und dann eben noch von einer Parlamentsmehrheit angenommen werden. Zur Inszenierung dieses Ringens gehören auch Nachtsitzungen, Verspätungen und vertagte Gipfeltreffen. Wäre es anders, würde sofort jemand schreien, dass man da Geld leichtfertig hergegeben hätte.
Insofern ist der nunmehrige Kompromiss jedenfalls ein Erfolg.
Am wichtigsten und an diesen Budgetkampfwochen positivsten ist aber zweifellos die gewaltige Reduktion des Ausgabenrahmens, für die vor allem der Brite David Cameron gekämpft hat. Er hatte auch Angela Merkel, die Niederlande und Schweden an seiner Seite, wie Cameron berichtete. Damit konnten die Big spender in die Schranken gewiesen werden. Leider hat in dieser erfolgreichen Phalanx der Nettozahler ein Land gefehlt: nämlich Österreich. Was noch für etliche Diskussionen sorgen müsste.
Jetzt wird nun wohl jedes Land versuchen, irgendwo einen Erfolg des Gipfelringens darzustellen. Auch Österreich kann das trotz Kürzung etlicher Budgetposten und das Rabatts. Auf den der Bundeskanzler ursprünglich schon ganz verzichten wollte.
Fast jeder Ausgaben-Bereich hat durch die Kürzungen einen Grund zum Jammern bekommen. Gleichmäßig verteiltes Jammern gilt aber in der Politik und in den meisten Medien ohnedies als ein Zeichen der gerechten Verteilung notwendiger Schmerzen. Ob das Wie dieser Verteilung wirklich gerecht und klug ist, scheint freilich zweifelhaft. Das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten noch zeigen.
Vor allem sollte man sich über den Kompromiss nicht allzu voreilig freuen. Denn diesmal hat auch noch das EU-Parlament ein massives Mitsprache- und Vetorecht. Nachdem sie jahrzehntelang so heftig darum gerungen haben, werden viele Abgeordnete jetzt wohl nicht einfach alles absegnen wollen, was da beim Gipfel ausgehandelt worden ist.
Dabei haben die Abgeordneten in zwei Punkten absolut recht mit ihrem kritischen Blick auf das Budget, in einem jedoch absolut unrecht.
Recht haben sie mit der Sorge, ob das EU-Budget nicht erstmals eine Verschuldung bedeutet. Eine Verschuldung ist aber der EU nicht nur vertraglich komplett verboten. Sie wäre auch ökonomisch eine ganz üble Öffnung für einen neuen Defizitmechanismus. Der Anlass der Sorge vieler Parlamentarier: Der Kompromiss konnte ja nur deshalb gefunden werden, weil man die Differenz zwischen den finanziellen Verpflichtungen der Union und ihren wirklichen Zahlungen so weit gedehnt hat wie noch nie.
Diesen Unterschied kennt beispielsweise das österreichische Budgetrecht gar nicht, ebenso wie das der meisten anderen Länder. Er beruht auf der Erfahrung, dass viele Länder auf Grund unzureichender eigener Anstrengungen oder wegen inkorrekter Anträge bei der EU gar nicht alles Geld effektiv abholen können, das ihnen eigentlich zugedacht gewesen ist. Dabei taten sich in den letzten Jahren vor allem die Reformstaaten mit ihrer noch eher amateurhaften Verwaltung und ihrer Korruption oft schwer. Aber eigentlich müsste man annehmen, dass sich diese Defizite im Lauf der Jahre bessern werden, dass also auch Osteuropa bald mehr Geld abholt. Wenn das wirklich passiert, kann das dann eben nur mehr über Kredite finanziert werden, welche die EU aufnimmt.
Noch in einem zweiten Bereich hat die Kritik aus dem Parlament am Gipfel-Kompromiss Berechtigung: Die Abgeordneten vermissen die nötige Flexibilität. Ein Budget, das auf sieben Jahre gilt und kaum Spielraum für unvorhergesehene Entwicklungen hat, ist eigentlich absurd.
In diesen beiden Punkten kann man dem Parlament also durchaus zustimmen. Umso mehr muss man es in einem dritten Punkt tadeln. Da geht es um die Gesamtdimension der Ausgaben. Die Abgeordneten sind nämlich neuerlich weit ausgabenfreudiger als die Kommission und noch mehr als die im Rat versammelten Regierungschefs. Sie forderten daher stets einen höheren Ausgabenrahmen und rufen auch jetzt noch danach.
Das darf aber eigentlich nicht wahr sein. Die Volksvertreter wollen mehr Geld ausgeben als die Bürokratie! Eine unglaubliche Sauerei der Herren Karas, Swoboda und Co. Denn das Volk, das sie zu vertreten behaupten, will das Gegenteil: mehr Sparsamkeit und weniger Ausgaben. Aber die EU-Parlamentarier vertreten eben nicht mehr ihre Wähler, sondern die EU selber, und bestenfalls noch einige Lobbys, die beispielsweise irgendwo Tunnels bauen wollen.
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Es tut mir leid. Aber ich habe bei derartigen Veranstaltungen immer den Eindruck, daß es sich um rituelle Schaukämpfe, um Balzgehabe von sich wichtig dünkenden Politikern und am allerwenigsten um die wahren Interessen der betroffenen Bevölkerung geht. Sicher sind 99,99% aller Positionen bereits vorher paktiert. Auch die jedem Land "hart erkämpften" Erfolge sind vorab abgesprochen. Es ist wie bei gewerkschaftlichen Gehaltsverhandlungen. Wenn unter den Sachbearbeitern alles geklärt ist, werden noch rasch 1 oder 2 Prozentpunkte draufgeschlagen, die dann - o Wunder - in nächtlichen Maratonsitzungen von den "Spitzenpolitikern" wieder wegverhandelt werden. Alles Show. Glauben Sie mir: "Der Wähler will betrogen sein!"
Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, wie in finanziell derart unsicheren Zeiten wie heute jemand auf sieben(!) Jahre einen verbindlichen Haushaltsplan erstellen will. Aber das einzig wirklich Verlässliche in der EU ist ja ohnehin der Wortbruch und daher ist es völlig egal was gesagt, niedergeschrieben, proklamiert oder sonstwie dahergelogen wird.
"Entscheidend ist, was hinten rauskommt", um einen deutschen Ex-Kanzler zu zitieren, denn wie uns das EU-Parlament bereits ankündigt, ist die Zustimmung zu diesem Budget-Kompromiß noch keine ausgemachte Sache.
Die beiden zurecht kritisierten Punkte, nämlich das Defizitloch von ca. 52 Milliarden Euro und der mangelnde Spielraum für Unvorhergesehenes bei einer 7-jahres Planung scheinen der Kommission offensichtlich wenig Kopfzerbrechen zu bereiten. Ist man ja das Schuldenmachen von den Nationalstaaten gewohnt und wenn alle Stricke reißen, müssen halt die immer wieder ins Spiel gebrachten EUROBONDS her, mit denen sich auch unser Kanzlerdarsteller wiederholt mehr als einverstanden erklärt hat.
Die Zukunft unserer nachkommenden Generationen wird jetzt nicht nur auf nationaler, sondern auch auf EU-Ebene verbaut - doppelt hält besser!
P.S.: Die Einsparungen von 5% Personal bei den EU-Institutionen über einen Zeitraum von 4 Jahren hätten wesentlich höher ausfallen können. Da wurde den "Unruhestiftern" lediglich ein Placebo verabreicht.
Ich kann keine Verbesserung erkennen. Ein Budgetentwurf dieser Grössenordnung ist eine Themenverfehlung, das sei den Staats- und Regierungschefs ins Buch geschrieben – setzten fünf!
Die EU wäre eine grossartige Sache, wenn man sich auf die Werte Subsidiarität und Freiheit beziehen würde, leider hat man ein Umverteilungsmonster geschaffen.
Warum muss die Agrarförderung, der größte Budgetposten, über die EU laufen? Warum macht die EU Spitze nicht einfach Regeln wie das ohne grobe Wettbewerbsverzerrung (?!?!) gehen kann und die Nationalstaaten setzen das um? Dann gibt es keine Überweisung nach Brüssel und von dort, nach Abzug der Verwaltungs- und Betrugskosten, wieder zurück.
Auch die aufgeblähte Verwaltung in Brüssel (und Staßburg!), welche um eine zweifelhafte Existenzberechtigung vorzuweisen sich in alle Lebensbereiche einmischt, ist sinnlos.
Welchen Zweck soll ein Europa-Parlament haben? Tun sich doch im kleinen Österreich die Abgeordneten in Wien schon schwer die Vorgänge in den Bundesländern zu begreifen. Wie man an der aktuellen Diskussion um Duschköpfe für das Wassersparen ja gut sehen kann. Die Eurokraten haben keine Ahnung, daß bei uns eher zu viel als zu wenig Wasser da ist. Europaweit gleiche Wärmedämmvorschriften für Sevilla und Tampere? Die Liste ließe sich leider fast unendlich fortsetzten.
"Der gesamte Ausgabenrahmen ist trotz Inflation niedriger als in den letzten sieben Jahren."
Das stimmt so nicht! Martin Schultz hat das gestern in seiner Stellungnahme sehr deutlich gesagt, wenn er es auch anders deuten wollte.
Die 960 Mrd. Euro sind zwar weniger als die 1000 Mrd. Euro, das heißt aber nicht, daß sich díe EU um diese Differenz einsparen will. Die Differenz wird mit Schulden finanziert.
Damit wird nur der Betrug an den europäischen Bürgern fortgesetzt, der völlig unschuldig von Frankreich und Schröder-Deutschland mit dem ersten Bruch von Maastricht begonnen wurde.
Wie so viele Institutionen der EU hat auch das Parlament einen möglicherweise lethalen Geburtsfehler: die Zahl der Sitze pro Land richtet sich nicht nach der Bevölkerungszahl sondern wurden bzw. werden ( bei Neuaufnahmen) von den Regierungen nach machtpolitischen Regeln ausbaldowert.
Die Konsequenz ist, daß weder die Kommission noch die Bevölkerung das EU Parlament ernst nimmt, sondern es als Deponie für versorgungsbedürftige Politikzwergerln betrachtet.(Ausnahmen bestätigen die Regel)
Welche nationale Regierung( zumindest in Europa und Amerika) riskierte derartige Machtkämpfe und Unverschämtheiten mit dem nationalen Parlament ihres Landes wie es die Kommission mit Straßburg tut?
Die Bevölkerung hingegen betrachtet die aufgestellten Kandidaten für das EU Parlament als die zweite Garnitur jener Parteien, zu deren erster Garnitur sie schon kein Vertrauen haben und gehen daher zur Abstimmung garnicht hin.
(Ausnahme war die Vorzugsstimmenbewegung wegen der Schweinerei, die man Karas angetan hat. Was aber haben wir anstelle von Karas bekommen? Und vom Karas hat man seither ja auch praktisch nichts mehr vernommen)
Und doch: ungeachtet aller Sottisen und Gaunereien: das vereinigte Europa ist eine gute Sache.
Der Schwiegersohn seines weiland durchaus ehrenswehrten Schwiegervaters ist ja schon längst nicht mehr als ehrenhafter Politiker zu betrachten.
Wir sollten bis zu den Wahlen keinesfalls vergessen, dass mit diesem Verhandlungsergebnis, das nach Faymann vernünftig und nicht egoistisch ist, jedem Österreicher, vom Baby bis zum Greis, fast DREISSIG EURO monatlich zusätzlich aufgebürdet wurden.
Der erste Punkt, dass eine effizientere Geldabholung in Brüssel eintreten könnte, damit mit Sicherheit zu Nachtragshaushalten führen wird müssen, dh man gibt vertraglich mehr her als man überhaupt in der Börse hat, erfüllt den Tatbestand der Verschleierung. Eine Schuldenaufnahmemöglichkeit der EU wurde jedoch bereits von Kommission und Parlament geprüft. Hier ist vom Bürger und Steuerzahler größte Aufmerksamkeit geboten.
Für den zweiten Punkt wird man bestimmt rechtzeitig Nachtragshaushalte beschließen.
Zum dritten Punkt, dass die Volksvertreter ausgabefreudiger wären als die Kommission wird wohl aus der Tatsache geboren, dass dieser Haufen im Parlament Angst um ihre eigenen Pfründe hat. Mich würde nicht wundern, steckten Kommission und Parlamentsvertreter im Hintergrund unter einem wohligen Tuchent.
Karas ist ein Fanatiker, der sich zu Aussagen hinreißen lässt, wer nicht für die EU sei, gehöre nicht zu uns. Er ist ein Büttel eines Systems, von dem er profitiert.
Swoboda ist Befehlempfänger der Sozialistischen Internationale.