Die USA, zwei Kandidaten und warum beide nicht gewinnen werden

Wer auch immer die Wahlen in den USA im November gewinnt, steht auf jeden Fall vor riesigen Problemen: ein Budgetdefizit in Fantastillionen, eine relativ hohe Arbeitslosigkeit von acht bis neun Prozent, und Lebenserhaltungskosten, die in den letzen Jahren empfindlich gestiegen sind. Der allseits ersehnte „Change“ ist ausgeblieben. Der Schauspieler Matt Damon, der wie so viele seiner Kollegen vor vier Jahren Barack Obama lautstark unterstützt hat, sagte kürzlich auf CNN in Anspielung auf Obamas Buch „the Audacity of Hope“ (das Wagnis Hoffnung) „I no longer hope for audacity“.

Wer auch immer die Wahlen im November gewinnt, ist auf jeden Fall ein guter Rhetoriker. Barack Obama und Mitt Romney haben beide bei den Nominierungsparteitagen in wohl orchestrierten Reden ihre Anhänger zu Tränen gerührt, „USA!“ Sprechchöre provoziert und ihren Gegner als Vollidiot hingestellt.

Auf den ersten Blick springen dem kleinen Europäer die Ähnlichkeiten der beiden Kandidaten und Programme ins Auge: Beide sprechen in James-Bond-Anzügen in Sporthallen über den amerikanischen Traum, über Immigrantenschicksale, und wie es dieses Land ihren Familien erlaubt hat, ganz nach oben zu kommen. Mitt Romneys Vater zum Beispiel, geboren in Mexiko, hat es mit einer Zimmermannlehre als einzig abgeschlossener Ausbildung an die Spitze der Automobilindustrie und zum Gouverneur von Michigan gebracht.

Beide unterstreichen ausgiebigst die amerikanischen Tugenden der harten Arbeit, des unerschütterlichen Optimismus und der Familienwerte. Sie lieben ihre Ehefrauen, glauben an Gott und daran, dass der Sprit zu teuer ist. Und sie finden, dass dieses großartige Land, das Beste auf der Welt, etwas Besseres verdient hat. Wie sie das genau anstellen wollen, bleibt vor lauter rhetorischer Brillanz etwas vage.

Auf den zweiten Blick gibt es aber interessante Unterschiede. Romney wird von WASPs (White Anglo-Saxon Protestants) in Anzügen bejubelt, Obama von ethnischen Minderheiten in Freizeitkleidung. Bemerkenswertes Fussnötchen: Vor einigen Monaten war in einer Washingtoner Zeitung zu lesen, dass die demokratischen Abgeordneten aus Angst, die Unterstützung der Minderheiten zu verlieren, speziell gebrieft wurden, alles was mit dem freien Markt – über den Republikaner immer besonders gerne reden – zu tun hat, als rassistisch hinzustellen.

Katholiken und die Religionsfreiheit

Romney gedenkt die Religionsfreiheit zu ehren: No na, die ist der erste Verfassungszusatz in God’s own country, die heilige Kuh schlechthin. Aber wie der elegante Kameraschwenk zu Newt Gingrich (vor einigen Jahren zum römisch-katholischen Glauben konvertiert) unterstreicht, ist das als spezieller Appell an die traditionell eher demokratischen Katholiken zu verstehen.

Das protestantisch geprägte Establishment der Republikaner hat nie besonders liebenswürdig versucht, die mit Abstand größte Glaubensgemeinschaft ins Boot zu holen, immerhin sind knapp 25 Prozent der Amerikaner Katholiken. Diese Nachfahren gestikulierender Italiener und raufender Iren, die vor irgendeinem absoluten Monarchen in Weiß irgendwo in Italien in die Knie gehen. Das war den stolzen Protestanten, die außer ihrer Verfassung und der privaten Bibellektüre nichts und niemandem Autorität zugestehen, immer sehr suspekt.

Warum Obama nicht gewinnen kann

Doch Obama hat es sich mit den Papisten gründlich verscherzt. Seine Reformen in der Gesundheitspolitik sehen unter anderem vor, dass ein Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, Abtreibungen zu finanzieren und Ärzte entlassen werden können, wenn sie sich weigern, eine Abtreibung durchzuführen. Wenn man also aus religiösen Gründen einen solchen Eingriff für unmoralisch hält, aber vom Staat gezwungen wird, ihn aktiv zu unterstützen, ist das ein direkter Angriff auf die amerikanische Lieblingsfreiheit.

Obama hat sich in diesem Zusammenhang gegenüber der ohnedies eher linkslastigen amerikanischen Bischofskonferenz äußerst ungeschickt angestellt. Auf diese Weise hat er knapp 70 Millionen Katholiken zu den Republikanern hinübergeschickt, was ungefähr der absoluten Stimmenanzahl entspricht, die ein Präsident insgesamt am Wahltag auf sich vereinigen muss.

Fassen wir zusammen: WASPs und Andersfarbige oder Andersglaubende halten sich zahlmäßig ungefähr die Waage. Die Katholiken sind futsch, für die ethnischen Minderheiten wird die Rassismuskeule reaktiviert. Doch Obamas Strahlkraft dürfte unter steigenden Preisen und Arbeitslosigkeit ziemlich gelitten haben. Sein Parteitag wurde von einem großen Stadion unter freiem Himmel in eine Halle verlegt. Die Wettervorhersage war schlecht und man hatte Angst, dass seine Fans für Hope and Change keine nassen Füße mehr in Kauf nehmen. Bei seiner Angelobung vor vier Jahren haben sie noch tagelang in Eiseskälte auf der großen Rasenfläche zwischen Kapitol und Lincoln-Memorial (das Areal sieht man immer bei den Washington-Korrespondenten im Hintergrund) campiert.

Warum Romney nicht gewinnen kann

In den kommenden Monaten wird es nun spannend, ob Mitt Romney seine Basis mobilisieren und enttäuschte Obama-Anhänger für sich gewinnen kann. Seine Basis sind gottesfürchtige Mittelstandssüdstaatler plus jeweils eines radikaleren Flügelchens religiöser und wirtschaftliberaler Natur, die ihre Vorstellungen für den Mainstream nur schwer verdaulich artikulieren. Der 08/15-Amerikaner liest aber vielleicht nicht ganz so eifrig die Bibel und hält nicht jede staatliche Einrichtung für ein von Stalin und Pol Pot ersonnenes Machwerk des Teufels.

Die meisten Kommentatoren bezweifeln, dass Romney die nötige Strahlkraft besitzt, einen solch diversifizierten Haufen zu einigen. Er ist ein sehr guter Redner, ihm fehlt aber das Charisma von Obama, Reagan oder Kennedy. Sein Programm klingt im Großen und Ganzen vielversprechend, aber der Teufel steckt halt in den Details, in denen er seine Meinung im Zuge seiner politischen Karriere einige Male geändert hat. Das liegt wohl einerseits daran, dass er mit der Zeit auch älter und weiser wird und dass er auch in der Politik einen unternehmerischen trial-and-error Zugang hat und nicht, wie man Reagan gerne nachsagte, ein „fixed set of ideas“. Andererseits schien er in der Vergangenheit in dem oben angesprochenen Spagat seiner erhofften individualistischen Wählerschäfchen seine Mitte zu suchen.

Und dann wäre da noch die unrühmliche Tatsache, dass er sich als einer der unbeliebtesten Gouverneure des Landes in Massachusetts 2006 nicht einer möglichen Wiederwahl gestellt hat. Er war ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Aber Manager haben bei der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Großwetterlage ein gröberes Imageproblem. Wer weiß schon, was eine Private-Equity-Investmentfirma genau macht. Und hilft es wirklich, einer Zunft anzugehören, deren Angehörige in populären Filmen wie Wallstreet oder Pretty Woman wenig schmeichelhaft als arbeitsplatzvernichtende Großkapitalisten portraitiert werden?

Wer auch immer die Wahl in den USA gewinnt, ich werde überrascht sein.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz).

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