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Auch Richter sind nur Politiker, pardon: Menschen

Es ist unfair, stets alle Fehlentwicklungen, die Staaten in kritische Situationen stürzen, der Politik anzulasten. Des öfteren sind es auch ganz entscheidend Gerichte, die sich gerne ohne Rücksicht auf die Kosten für die Allgemeinheit als Robin Hood und Wohltäter positionieren. Die gerne jedem Bürger Ansprüche an den Staat bis zum Exzess zusprechen, die dabei das vernünftige Maß völlig ignorieren. In Österreich und anderswo.

Viele Richter begreifen nicht, dass der alte Juristenspruch des „Ultra posse nemo tenetur“ auch zugunsten der Allgemeinheit Grenzen der Zumutbarkeit verlangen würde. Vor allem – aber nicht nur – in Zeiten wie diesen.

Da hat etwa der OGH beschlossen, dass die Bezieher von Kleinpensionen, also von solchen Renten, die niedriger als die Ausgleichszulagengrenze sind, überdurchschnittlich erhöht werden müssen. Das klingt scheinbar gerecht, ist aber in Wahrheit völlig unbegründet und populistisch. Denn solche „Kleinpensionen“ sind nur ein Zubrot zu anderen, in der Regel viel größeren Pensionen oder zu Bezügen im Ausland.

Niemand muss nur von einer Kleinpension leben. Denn müsste er das, würden ja ohnedies die Pensionsbezüge sofort auf die Höhe der Ausgleichszulage erhöht. Und deren überdurchschnittliche Erhöhung ist zumindest begründbar und jedenfalls ohnedies immer beschlossen worden. Besonders pikant: Dieses Kleinpensionisten-Privileg wurde ausgerechnet von der Arbeiterkammer erkämpft, die sich immer mehr als übler Privilegienverein entpuppt, die sich aber als Beschützer der Kleinen ausgibt.

Ähnlich Robin-Hood-artig entscheiden die Gerichte auch in Arbeitskonflikten in 90 Prozent der Fälle immer zugunsten der Arbeitnehmer. Was vielfach sicher gerechtfertigt ist, aber bei eklatanten Minderleistern auf Grund der Beispielswirkung schweren Schaden anrichtet. Dieser ist dann oft weit größer als die erkämpften Bezüge des Betreffenden. Zumindest im Unterbewusstsein glauben offenbar viele Richter, dass man im Zweifel immer ohne Gewissensbisse zu Lasten der Allgemeinheit oder eines Unternehmens judizieren solle, um auf der richtigen Seite zu stehen. Getroffen werden damit aber in Wahrheit immer die Steuerzahler oder die Arbeitsplätze der anderen.

Ein besonders aktuelles Beispiel ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs zugunsten von AMIS-Anlegern. Auch hier wurde der Steuerzahler zur Tragung eines Teils der Ausfälle nach einem betrügerisch herbeigeführten Konkurs verdonnert. Der judizierte Grund: Die Finanzaufsicht habe zu wenig genau hingeschaut. Das kostet die Allgemeinheit wieder einen zweistelligen Millionenbetrag.

Ohne den Akt im Detail zu kennen, ist auch hier der Eindruck nachhaltig: Pragmatisierte Richter begreifen nicht wirklich, dass hohe Ertrags-Aussichten wie bei solchen Anlagesystemen immer auch mit hohem Risiko verbunden sind. Unmoralischen Moral hazard nennt man es hingegen, wenn Anleger zwar Gewinne bei riskanten Geldanlagen kassieren, aber bei Verlusten immer auf die Allgemeinheit zurückgreifen können. Wenn die Judikatur so weitergeht, haftet der Steuerzahler (dieser und der nächsten Generation) bald für jeden Betrüger. Was den Opfern zwar Freude macht, den Staat aber ruiniert.

Zumindest eigenartig und blauäugig ist auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem er Abschiebungen von Flüchtlingen nach Ungarn gestoppt hat. Dort würden ihnen menschenunwürdige Bedingungen drohen. Es kann nun wenig Zweifel geben, dass in Ungarn Flüchtlinge nicht so gut behandelt werden wie in Österreich. Aber am Ende wird wohl überhaupt nur noch Österreich menschenwürdig genug sein, um die Flüchtlinge aller Länder aufzunehmen.

Die naiven Richter sollten einmal die Landkarte anschauen: Der überhaupt größte Flüchtlingsstrom aus Asien und Afrika Richtung EU kommt über Griechenland – wohin sie Rück-Abschiebungen sowieso schon länger nicht mehr erlauben –, einige total chaotische Balkanländer und Ungarn. Wenn all diese Länder für Flüchtlinge ungeeignet sind, wenn dorthin niemand zurückgeschoben werden kann, dann können nun alle ungehindert nach Österreich kommen.

Vielleicht sitzen in jenem – dem äußeren Anschein nach strikt rot-schwarz besetzten – VfGH lauter heimliche Blaue. Und die wollen solcherart den derzeit strauchelnden Freiheitlichen über die Bande wieder einen Wahltriumph zuschanzen. Was ziemlich raffiniert wäre.

Derart kurzsichtiges Verhalten von Gerichten ist aber keineswegs nur in Österreich zu beobachten, wie an Hand einiger Beispiele gezeigt werden darf:

So haben in Deutschland die Gerichte vor einigen Monaten eine Erhöhung des Urlaubsanspruches auch für unter-40-Jährige im öffentlichen Dienst verordnet. Was dort die Kommunen eine Viertelmilliarde Euro kostet. Alljährlich. Viele deutsche Kommunen sind bankrott. Aber der Urlaub und seine ständige Ausdehnung sind heilig.

So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einem Tunesier 20.000 Euro „Schmerzengeld“ zuerkannt, weil er von Italien (noch unter der diesbezüglich etwas konsequenteren Berlusconi-Regierung) nach Tunesien abgeschoben worden ist. Der Grund: In Tunesien könnte ihm ja die Folter drohen.

In diesem Fall – und vielen ähnlichen – ist der psychologische Untergrund solcher Entscheidungen nicht wie in den anderen Exempeln die persönliche Pragmatisierung der Richter, sondern die Tatsache, dass viele der Richter selbst aus dubiosen Staaten, etwa des Kaukasus, stammen. Und dort haben ganze Nationen jedes Interesse, dass die Immigrationstore ins EU-Europa möglichst weit geöffnet sind. Im Menschenrechts-Gerichtshof urteilen ja auch griechische, rumänische, bulgarische und ungarische Richter ungeniert, dass Österreich alle Asylwerber aufnehmen muss, weil Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Ungarn so böse zu den Immigranten sind.

Mehr als seltsam sind auch jene Juristen, die über den internationalen Flotteneinsatz gegen die somalischen Piraten zu urteilen hatten: Sie erlaubten den westlichen Schiffen nur den Einsatz auf hoher See. Angriffe auf alle jene Küsten und Häfen, von denen die Piraten starten und wohin sie sich zurückziehen, sind hingegen für tabu erklärt worden. Solcherart behindert wird die lustige Jagd der Piraten auf Frachter und Kreuzfahrer noch lange erfolglos weitergehen können. Die Piraten sind ja nicht gerade untätig: Zuletzt sind sie jede Woche im Schnitt weit mehr vier Mal „erfolgreich" gewesen. Sie lassen sich ganz offensichtlich von Pseudo-Flotteneinsätzen nicht einschüchtern.

In Portugal wiederum hat das Verfassungsgericht vor kurzem eine wichtige Sparmaßnahme gekippt. Die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für Beamte und Rentner sei gleichheitswidrig, weil sie nur für bestimmte Gruppen gelte. Offenbar nicht gleichheitswidrig ist es für das Gericht, das alle anderen Bevölkerungsgruppen in Zeiten der Krise einem noch viel größeren Übel ausgesetzt sind: der großen Gefahr eines Verlusts von Arbeitsplatz und Existenz. Aber dieses Risiko ist ja Richtern unbekannt. Und jedenfalls viel weniger wert als das Weihnachtsgeld.

Besonders gravierend war vor einigen Jahren das Gutmenschentum argentinischer Höchstrichter: Sie haben alle verzweifelten Sparversuche der Regierung unterbunden, irgendwo Gehälter und sonstige Zahlungen zu kürzen. Sie haben überall wohlerworbene Rechte gefunden. Bis das Land dann in den Totalbankrott geschlittert war, wo dann kein einziges Recht mehr valide war. Dasselbe wird man demnächst mit gutem Grund auch vielen europäischen Richtern nachsagen können.

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