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Michael Spindelegger, ein wirklich netter Mensch

Michael Spindelegger hat sich seinen begeisterten Anhängern in einer großen Rede präsentiert. Er hat dabei etliches Richtiges und Wichtiges gesagt. Er hat aber gleichzeitig Lücken und Defizite gezeigt, die er bis zum Wahltag nur noch schwer schließen kann.

Der ÖVP-Obmann ist ein richtig netter Mensch, den jeder gerne zu einem angenehmen Abendessen zu sich nach Hause einladen würde. Dabei wird es mit großer Wahrscheinlichkeit keinerlei Streit geben, sondern nur freundlich-wohlerzogene Konversation. Spindelegger ist auch ein kluger Mensch, der besser als sein Vorgänger zu spüren scheint, wo die ÖVP seit 2006 ständig Wähler verloren hat, also bei den Wertkonservativen und Wirtschaftsliberalen, und nicht bei Grünen oder Linken. Aber: Ist er auch der Mann, dem man persönliches Leadership zutraut? Immerhin tritt er ja im Rennen um den Job des Bundeskanzlers an.

Und in diesem Job wünscht man sich halt jemanden, der bisweilen auch ganz hart Nein sagen kann. Der mit eindrucksvoller Energie ein klares Ziel, eine Vision transportieren und durchziehen kann. Im Grund hatte Österreich freilich nur drei Kanzler, die an diesem Anspruch messbar waren: Julius Raab, Bruno Kreisky und Wolfgang Schüssel. Der Rest war und ist Restware. Spindeleggers Trost: Auch für die Konkurrenz trifft diese Qualifikation voll zu.

Einmal blitzte diese Perspektive einer mutigen Führerschaft in der langen Rede Spindeleggers auf, als er sagte, dass die ÖVP nicht unbedingt in der Regierung sein müsse. Da keimte Hoffnung, dass er jetzt einmal ganz glasklar sagen würde, unter welchen Umständen die ÖVP nicht in die Regierung gehen würde. Aber nichts kam. Schon war das Thema wieder gewechselt. Da hat ihm dann wieder der Mut gefehlt.

Statt dessen hört man viele teure Versprechungen Spindeleggers: Fonds für dieses und jenes; Gelder für Bauern wie für Klein- und Mittelbetriebe; die Forschungsquote will er gar mehr als verdoppeln; und am teuersten wie auch unsinnigsten: Hunderttausend Green Jobs sollen entstehen (bekanntlich jene Form der Geldverbrennung, die wir über immer teurere Stromrechnungen zahlen, während die solcherart geförderten Green Jobs in Wahrheit in chinesischen Solarindustrien entstehen). Angesichts dieses Schlaraffenlandes bleibt es ein wenig unglaubwürdig, gleichzeitig vom Schulden- und Steuerabbau zu reden. Vor allem nach dem jüngsten „Sanierungspaket“, das ja erst vor wenigen Wochen durchaus höhere Steuern gebracht hat.

Und gar nichts zu hören bekamen jene vielen einst schwarz wählenden Österreicher, die sich vor den Auswirkungen der massenweisen Migration fürchten, die in einer fortschreitenden Islamisierung eine dramatische Bedrohung spüren. Nichts zu hören bekamen jene vielen Bürgerlichen, die Europa eine völlig falsche Richtung nehmen sehen (nämlich die zur Inflation). Relativ wenig zu hören gab es schließlich auch in die Richtung jenes Motivs, das seit Jahrzehnten das stärkste für ÖVP-Wähler gewesen ist: Die ÖVP als stärkstes Bollwerk gegen den Sozialismus. Freilich: Das ist nicht ganz einfach zu transportieren, wenn man mit den Sozialdemokraten in einer Regierung steckt. Und wenn man das jüngste „Sanierungspaket“ unbedingt als hundertprozentigen Erfolg darstellen will, obwohl es weit von der ursprünglichen eigenen – und richtigen – Position abweicht.

Auf der Positivseite kann man dem ÖVP-Obmann zugute halten, dass er den Mut hat, sich auf den Slogan „Zukunft aus Tradition“ festzulegen (auch wenn das in der Inszenierung der Spindelegger-Weihestunde mit Fahnenläufern und vier mickrigen Balletttänzern peinlich mickrig drübergekommen ist). Aber natürlich hat er in der Sache recht: Die ÖVP hat nur eine Chance auf Wiederbelebung, wenn sie sich als konservative Partei im besten Wortsinn inszeniert.

Beifall spenden kann und muss man ihm auch für sein die ganze Rede dominierendes Bekenntnis zu Freiheit und Eigentum. Das sind zentrale Eckpfeiler jedes Liberalkonservativen, ja noch mehr: Diese entscheidenden Grundlagen unserer Gesellschaft müssen von einem bürgerlichen Politiker mit aller Kraft verteidigt werden.

Erfreulich ist an sich auch, dass die ÖVP in ihrer Selbstdarstellung nun auf „Werte aus Österreich“ setzt. Viel problematischer ist jedoch der mit Plakaten in den Vordergrund gestellte Katalog dieser Werte: Verantwortung, Tatkraft, Vertrauen, Zusammenhalt, Offenheit und Fleiss. Nichts gegen diese Eigenschaften. Aber den emotionalen Solarplexus der Wähler trifft Spindelegger so überhaupt nicht. Und vor allem bleibt unverständlich, warum in diesen Schwarz-Geboten ausgerechnet jene zwei Werte fehlen, die weit stärkere Bindungskraft in dem von der ÖVP angepeilten Wählerspektrum ausüben: Heimat und Familie.

Bleibt die Frage: Kann Spindelegger all das noch aufholen, woran er derzeit scheitert? Das gelingt ihm absurderweise wohl nur dann, wenn er eine Wandlung durchmacht, die man einem Menschen in der eigenen Umgebung normalerweise nicht wünscht. Spindelegger wird nämlich nur reüssieren, wenn aus dem netten und angenehmen Mann ein konfliktfreudiger wird. Und wenn zweitens die ÖVP auch wieder ein besseres Gespür für Taktik und Strategie entwickelt.

Genauso entscheidend für ihn wird auch noch ein Drittes sein. Nämlich ob er das unmittelbare und mittelbare Team rund um ihn noch deutlich verbessern kann. Handlungsbedarf herrscht da von seinem Kabinett und seinen Redenschreibern über etliche Minister bis zum Parlamentsklub, der ja im letzten Jahr überhaupt nur noch aus Werner Amon als Experten für Alles und Jedes bestanden haben dürfte. Aber um da noch eine positive Erneuerung umzusetzen, müsste Spindelegger gleich in mehrere Richtungen sehr unangenehm werden …

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