Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Das Ende eines Präsidenten und seine Hintergründe

Und nun schon zum zweiten Mal kurz hintereinander: Deutschland verliert vorzeitig seinen Bundespräsidenten durch einen plötzlichen Rücktritt. Das ist ein Schock, obwohl dieses Amt ja so wie in Österreich nur sehr begrenzte Macht-Bedeutung hat. Aber gerade dieses machtarme Ersatzkaisertum macht die modernen Staatsoberhäupter so exponiert und zugleich hilflos.

Zweifellos war der Rücktritt von Christian Wulff letztlich unvermeidlich geworden, als zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik der Staatsanwalt gegen ein Staatsoberhaupt Erhebungen für notwendig angesehen hat. Aber schon die letzten zwei Monate breitgefächerter medialer Attacken haben ihn lahm geschossen – und die Staatsanwälte überhaupt erst mobilisiert. Sein Vorgänger Horst Köhler ist überhaupt nur wegen einiger kritischer Leitartikel zu einer politischen Aussage zurückgetreten. Was viel unverständlicher war als der Wulff-Rücktritt.

Waren frühere Politiker sauberer und fehlerloser, haben sie im Gegensatz zu den Wulffs jede private Nähe zu reichen Geschäftemachern gemieden? Die Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten. Was sich geändert hat, ist vielmehr der Verlust jeder Untertanenscheu der Medien vor den Großen und Mächtigen. Im Gegenteil: Je mächtiger jemand – wenn auch oft nur in der protokollarischen Scheinhierarchie wie ein Präsident – erscheint, umso lieber nehmen ihn die Journalisten als Angriffsziel, während sie sich eine Generation früher schon für investigativ gehalten haben, wenn sie das Menü eines Staatsempfangs rapportiert haben.

Eindeutig ist aber auch, dass die Medien bei einem Staatsoberhaupt, das rechts der Mitte gewählt worden ist, umso lieber in den Angriff gehen. Stehen doch in Deutschland die wichtigsten Medien links – wenn auch nicht so geschlossen wie in Österreich. Man denke nur als Beispiel an die sechs Jahre ununterbrochener Verhöhnung  und Beschimpfung Kurt Waldheims mit lauter unhaltbaren Vorwürfen, die nach dem von der SPÖ in einem Wahlkampf gezündeten Start nie mehr auf den extrem mageren Tatsachenkern zurückgeführt wurden. Einem Karl Renner etwa ist hingegen nie sein Verhalten gegenüber Nazis und Stalin zum Vorwurf gemacht worden.

In den USA – wo es ja auch durchaus rechtsstehende Medien gibt – hat der mediale Furor einst auch den von der Linken kommenden Bill Clinton getroffen. Er wurde zwar nicht aus dem Amt gekippt, aber doch am Ende seiner eigentlich erfolgreichen Amtszeit schwer beeinträchtigt. Gerade bei Clinton kann man die enorm gewachsene Aggressivität der Medien sehr klar nachweisen. Steht sein Los doch in deutlichem Kontrast zu dem rund drei Jahrzehnte davor amtierenden John F. Kennedy. Während Clinton eine einzige – durchaus konsensuale – Affäre mit einer Praktikantin und deren anfängliche Leugnung fast das Genick gebrochen haben, hat Kennedy während seiner ganzen Amtszeit zahllose Beziehungen mit mehr und mit weniger prominenten Frauen gehabt. Damals drang jedoch nicht die leiseste Andeutung nach außen, sondern erst viele Jahre nach seinem Tod. Vielmehr standen zu seiner Amtszeit alle Dienste des Staates im geschlossenen und durch kein Leak gestörten Einsatz, um zu tarnen und täuschen, um das gefälschte Image des Präsidenten zu stützen.

Das ist heute in keinem westlichen Land mehr möglich. Das ist ein Schritt zu mehr Sauberkeit und Ehrlichkeit. Das kann jedoch auch zum Todesstoß für die Demokratie werden. Denn es gibt wohl nur sehr wenige Menschen, die wirklich persönlich wie finanziell wie politisch immer untadelig geblieben sind, die jahrzehntelang jede private Einladung und Gefälligkeit immer skrupulös überprüft haben, ob man sie auch annehmen kann. Und wenn, dann sind sie für Führungsaufgaben oft unbrauchbare Ellbogenschoner-Typen, die zu keiner politischen Führung imstande sind.

Was bleibt von Wulff? Das Bild eines ehrgeizigen Strebers, mit einer noch ehrgeizigeren und attraktiven Zweitfrau an der Seite, der zwei bedeutende Reden gehalten hat. Eine positive, als er im letzten Sommer in Lindau vor den Wirtschaftsnobelpreisträgern massive Kritik an der exzessiven Hilfe für Griechenland & Co geübt hat. Und eine negative, als er – mehrfach – den Islam als „Teil Deutschlands“ bezeichnet hat. Was viele Deutsche entsetzt und befremdet hat.

Letztlich wird die Bundesrepublik trotz der nun sofort ausbrechenden Nachfolge-Kämpfe den Abgang Wulffs aushalten. Was bei den Causen Islam und Griechenland ff. keineswegs so sicher ist.

 

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung