165 statt 183: ein Reformsymbol
09. Februar 2012 16:40
2012-02-09 16:40:00
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 2:30
Der Nationalrat wird von 183 auf 165 verkleinert. Zumindest dann, wenn das unter den vielen derzeit herumschwappenden Sparpaket-Ideen zu jenen zählt, die am Ende eines noch sehr langen Weges wirklich Gesetz werden sollte. Was man ja angesichts des Mutes von Faymann&Co bei keinem einzigen dieser angeblich fixen Vorhaben heute als sicher annehmen sollte. Diese Parlaments-Verkleinerung wäre aber jedenfalls ziemlich pikant.
Gleich aus fünf Gründen.
Erstens bringt sie nur eine geringe Ersparnis. Eine wirkliche wäre etwa eine Reduktion auf 100 Abgeordnete gewesen. Da könnte man dann zumindest ein ganzes jener Gebäude freigeben, die in den letzten Jahren zusätzlich fürs Parlament in Beschlag genommen worden sind. Das hätte dann auch die Bundesländer ordentlich unter Druck gesetzt, so wie die neuerdings vorbildlichen Steirer ihre Landtage zu verkleinern (in Wien ist der sinnloserweise ja sogar 100-köpfig).
Zweitens wäre eine ersatzlose Abschaffung des Bundesrates, eines reinen Schattengremiums zur Beschäftigung braver Parteisoldaten, noch viel dringender gewesen. Dieser soll hingegen ebenfalls nur verkleinert werden (Peinlicherweise kann man diesen Verein ja jetzt des öfteren im Fernsehen bewundern, was die Abschaffungsforderung noch viel eindringlicher macht).
Drittens ist das ein elegantes Revanchefoul an der Opposition: Diese hat ja unverständlicherweise die Zustimmung zu einer Schuldenbremse via Verfassung verweigert. Jetzt muss insbesondere das BZÖ doppelt zittern, ob es angesichts der verkleinerten Anzahl von Abgeordneten auch künftig noch den Sprung ins Parlament schafft. Eine Abschaffung des Bundesrats hätte das BZÖ hingegen nicht existenziell bedroht.
Viertens wird damit eine weitere der vielen „Errungenschaften“ der von der Linken so gepriesenen Ära Kreisky wieder rückgängig gemacht. Kreisky wollte damit ja damals auch die um ihre parlamentarische Existenz zitternde FPÖ beruhigen. Geld hat unter ihm und Androsch ja sowieso nie eine Rolle gespielt. Sie hatten’s ja offenbar. Und wir haben ganz sicher die Schulden.
Fünftens wird der Parlamentsreduktions-Plan zufälligerweise am gleichen Tag bekannt, da Denkmalschützer vehement Einspruch gegen den teuren Umbau des Nationalratssitzungssaals erheben. Bei diesem sollen sich offenbar wieder einmal Architekten an einem historischen Bauwerk auf unsere Kosten und zur Ehre der Parlamentspräsidentin selbstverwirklichen können. Obwohl eine normale saubere Reparatur aller aufgetretenen Schäden nur einen Bruchteil kosten würde.
Dennoch bleiben wir fröhlich und wollen nicht hoffen, dass dieses Herumkleckern ein Symbol für die sonstigen Reformpläne ist. Vor allem für die entscheidende Königsdisziplin des Sparpakets, nämlich die notwendige substanzielle Erhöhung des Pensionsantrittsalters.
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Apropos fröhlich: Verdächtig fröhlich lächeln heute Blecha, Khol und Faymann aus den Zeitungen. Sie "hau'n sich ab", wie der Wiener sagt. Vermutlich über die Jungen und zukünftigen Generationen.
Wieso werden eigentlich die beiden Oldies gefragt, ob sie zufrieden sind? Sie vertreten ja im wesentlichen jene, die schon in Pension sind bzw. deren baldiger Pensionsantritt dem notorischen "Vertrauensschutz" anvertraut ist. Erfolg? Eine Ausdünnung der Pensionsantritte in der restlichen Amtszeit der beiden Pensionistenmuppets wird so jedenfalls verhindert worden sein.
Wo bleibt aber die Einbindung der Jugendvertreter, die gegen den Hochsteuer-Mangelstaat, der sie dank Zinsen erwartet, ankämpfen könnten? Wo ist die verfassungmäßig verankerte 'Kammer der Jungen und zukünftigen Generationen'? Wo sind die Jungen selbst, die ernsthaft um ihre wirtschaftlichen Eigenbestimmungsmöglichkeiten kämpfen? Wo bleibt der Vertrauensschutz für unsere Nachfahren?
Die Pensionslösung selbt wäre sehr einfach: Man lässt nach schwedischem Muster bei den Abschlägen und Zuschlägen die Mathematik als zielkonformen Motivator wirken. Die Leute gehen in Pension, wann sie wollen und bezahlen oder lukrieren Ab- oder Zuschläge in Höhe von etwa 7 bis 8% p.a. Da bräuchte man aber jenen Blechtrottel, der schon unter Gusenbauers Endzeit vom damals kurz aufgehenden Stern OÖ-Haider verbannt worden ist, weil er so sozial kalt war...
Aber bei uns haben neuerdings ja zwei berühmte Finanzmathematiker eine revolutionäre Formel entdeckt, die die auf ewig unabänderliche "Voglar-Tumpel-Abschlagskonstante" von 4,2% ergibt. Und Herr Prof. Hundsdorfer hat dazu ein Denkverbot erlassen, damit sich ja niemand Sorgen machen darf.
Ein Trauerspiel mit sehr tragischem Ende - nicht für uns, sondern ja eh nur für unsere Kinder. Warum soll'n 's die auch so gut haben wie wir...
Wo bleiben die Proteste?
300 Millionen Euro für die Renovierung des Parlaments ist die reinste Chuzpe.
Und wie wir aus Erfahrung solcher Großvorhaben wissen, wird dann am Ende des Tages dieser Kostenvoranschlag bei weitem überschritten.
Wenn dann auch noch Geld in dunkle Kanäle von sogenannten "Lobbyisten" fließt, ist der nächste Bauskandal perfekt. Die Politiker schreien dann lediglich hilflos nach einem Untersuchungsausschuß, der den Abgeordneten teure Überstundenzuschüsse, den Parteien politisches Kleingeld sowie den Medien gierige Schlagzeilen und entsprechende Auflagensteigerungen bringt, aber dem Steuerzahler keinen einzigen müden Cent retour.
Daher ist die Verkleinerung auf 165 Abgeordnete und keine Abschaffung des Bundesrates die reinste Augenauswischerei und die Rache der Regierenden in Richtung Opposition vor dem nächsten Urnengang.
Vielen Dank, Herr Dr. h(umoris) c(ausa) Faymännchen!
Der große Wurf wirds nicht! Das Sparpaket.
Das stand schon vorher fest. Kann es gar nicht werden, solange nicht an den Strukturen zeitgemäße Anpassungen vorgenommen werden. Das würde aber voraussetzen, daß Österreich grundlegend neu aufgestellt wird. Zum Beispiel durch eine Verwaltungsreform, die diese Bezeichnung auch verdient. Und das schafft eine, in den alten Strukturen tief verwurzelte, Koalition von SPÖ und ÖVP nicht.
Daher doktern Sie herum, die politischen Stümper, an der volkswirtschaftlichen Mathematik, und meinen uns mit kosmetischen Korrekturen wie der Verkleinerung des Nationalrates beeindrucken zu können.
@ 'Dennoch bleiben wir fröhlich und wollen nicht hoffen, dass dieses Herumkleckern ein Symbol für die sonstigen Reformpläne ist. Vor allem für die entscheidende Königsdisziplin des Sparpakets, nämlich die notwendige substanzielle Erhöhung des Pensionsantrittsalters.'
Kommt das auch für die ÖBB ?
Kommt das auch für die 'Hackler' ?
Kommt das auch für die 'Übergangsregelungen ?
Kommt das auch für Politiker, Abgeordnete etc. ?
....
Ich bin gespannt, wie das ganze dann auf die schnelle wirklich ausgepackelt wurde von unserer Koalition.
Ich bin mir da ziemlich sicher, dass das gehütete Geheimnis, das man seit 40 Jahren in der Öffentlichkeit hätte diskutieren können, wieder so ein schnell hingeschmissener Koalitions-'schmarrn' wird und es sehr wohl an allen Ecken und Enden von Gummiparagraphen, Klientelschutz und Privilegienerhalt und Schlupflöchern strotzen wird.
Abschaffung des Bundesrates findet nicht statt, Nationalratsreduktion (Deutschland hat auf die Einwohnerzahl bezogen nur halb so viele Abgeordnete im Parlament sitzen als wir in Österreich), die Landesfürsten Hofstaatsgrößen werden auch nicht reduziert werden, und schon gar nicht der Hofstaat zu Wien, denn wo bringen wir denn da die ganzen grünen Steigbügelhalter sonst unter, Verwaltungsreform wird es keine geben, auch Gesetzesvereinfachung nicht, auch die Doppelgeleisigkeiten werden weiter bleiben, auch die Privilegienpensionen werden nicht angetastet werden, sehr wohl aber die Mittelständler, die, die das Land bisher schon erhalten mussten, die werden steuermäßig und pensionsmäßig gerupft werden, der Mob oben, die Privilegierten, und der Mob unten, die arbeitsresistenten und Mindestbezieher, denen wird nichts genommen bzw. nichts mehr genommen werden können, immerhin 30% der Bevölkerung, es wären 10% ohne die Sozialzuwanderer, auch die ÖBB-ler werden sich weiterhin bis zu 15 Pensionsjahre aus der Staatsschatulle nehmen dürfen ungerechtfertigter weise, etc.
'Dennoch bleiben wir fröhlich' möchte ich umtaufen 'Dennoch bleiben unsere Privilegierten und 'Unberührbaren' fröhlich, die Ordentlichen müssen sich fürchten.
Das ist zu befürchten.
Was wurde diese Legislaturperiode gearbeitet von der Koalition ? Seit Weihnachten saß man zusammen und hat gepackelt, wer die 28 Milliarden zahlen soll, also auf gut österreichisch, Du nicht, ich nicht, die 'anderen' und das sind die, die arbeiten und das Land erhalten und keine Zeit für die Politspielchen haben.
165 Parlamentsabgeordnete, mehr als ein Symbol ist das wohl nicht.
Warum kann man bei uns nicht wirklich ehrlich und offen gemeinsam Probleme lösen, nämlich wirklich umfassend und Menschen schonend, logisch, ausgewogen und sinnvoll ? Warum muss überall den Privilegierten gehuldigt werden und überall Ungleichheit ausverhandelt werden, warum können nicht alle, außer die wirklich Kranken, bis 65 arbeiten, wie es im Gesetz steht ? Was ist da so kompliziert, jeder kann das verstehen ?
Bundesrat: so wie er sich jetzt darstellt, kann dieser ersatzlos gestrichen werden. Die Verfassung wollte ursprünglich, dass er die Länderinteressen vertritt. In der Praxis ist dies oft ein Ausgedinge für "verdiente" Parteileute und stellt immer nur eine Kopie der NR-Diskussionen dar. Die Macht mit der Gesetzesverzögerung wird meist durch einen Beharrungsbeschluss des NR wieder aufgehoben.
Weder im NR noch im BR gibt es (Kampf-)abstimmungen, wo jeder nach seinem Gewissen und im Sinne seiner Stimmbürger entscheiden kann. In der Praxis gibt es da den Klubzwang, wo die Abgeordneten nur zu Marionetten der jeweiligen Partei degradiert sind. Auch die ursprüngliche Idee, dass die Abgeordneten die Regierung kontrollieren sollten, wird nur von der Opposition wahrgenommen.
Ich betrachte es gegenüber den auf der NR-Galerie anwesenden Schuljugend sowie den TV-Zusehern (nun werden sogar die BR-Sitzungen übertragen) als grosse Schande, wie sich da unsere Volksvertreter gegenseitig beflegeln, mit völlig anderen Dingen während den Sitzungen beschäftigen, ständig kommen und gehen bzw. gar nicht anwesend sind. Kurz vor den Abstimmungen erfolgt dann ein Glockenton, wo alle schnell herbeigerufen werden. Da soll es sogar schon vorgekommen sein, dass - mangels Kenntnis des Abstimmungstextes - dann einzelne Abgeordnete irrtümlich gegen die eigene Partei gestimmt haben.
Warum daher nicht gleich auf 100 NR-Abgeordneten reduzieren, denn die sog. Hinterbänkler sind - wie Wertkonservativer richtig erwähnt - ohnehin kaum in den Diskussionsprozess eingebunden bzw. werden von der Klubführung daran gehindert? Dringend gehören auch die Sitze der Ministerbank geändert, damit die Redner die anwesenden Minister und Staatssekretäre auch ansehen können, denn vielfach werden diese Leute direkt angesprochen. Warum man drei NR-Präsidenten braucht, verstehe ich auch nicht.
Also bitte dieses derzeitige "Kasperltheater" schnellstens wieder zu einer wirklichen konstruktiven Volksvertretung machen!
Entschuldigung Herr Dr. Unterberger: Bei der Wahlrechtsreform 1970 war ursprünglich nicht die Aufstockung der Mandate von 165 auf 183 das Thema, sondern ausschließlich die Tatsache, daß bis dahin die FPÖ aufgrund des Wahlrechtes fast doppelt soviele Stimmen (über 40.000) für ein Mandat benötigte wie ÖVP oder SPÖ (ca 25.000). Da jedoch die SPÖ befürchtete, ohne Wahlrechtsreform eventuell das ein oder andere ihrer bisherigen Mandate an die FPÖ zu verlieren, stockte sie die Zahl sicherheitshalber auf. Da es 1970 81 (SPÖ), 78 (ÖVP) und 6 (FPÖ) hieß, hätte der Verlust von 3 Mandaten an die Freiheitlichen bedeutet, eventuell nicht mehr stimmenstärkste Fraktion zu sein. Und eines beherrschen die Linken bis heute perfekt: Kampf um die politische Vorherrschaft mit allen Mitteln! Sei es durch Bestechung der Medien, sei es durch Änderung des Wahlrechtes, sei es durch Pensionistenbriefe oder Leserbriefe. Den linken Spindoktoren fällt immer eine Chuzpe ein!
Meine Meinung dazu:
egal, was und wieviel die anscheinend doch angedachte Verringerung der Abgeordneten-Zahl bringt, ich bin aus folgenden Gründen absolut dafür:
Als langjähriger und entsprechend gezeichneter Verfolger der wichtigsten ORF-Übertragungen habe ich festgestellt, dass nur ein wirklich kleiner Teil der Abgeordneten echte und selbsterstellte Diskussionsbeiträge bringt. Das sind, auf alle vier Parteien bezogen, jeweils bestenfalls sechs bis acht Parlamentarier, wobei die qualifizierten Sprecher der kleineren Oppositionsparteien natürlich öfter in die Schlacht geschickt werden müssen.
Die sogenannten Hinterbänkler werden - bis auf einige Ausnahmen - dann zur Ausnützung der zugestandenen Redezeiten von den einzelnen Fraktionen mit vorbereiteten Reden zum Pult geschickt, lesen fast durchwegs vom Blatt, und haben sehr selten wirklich etwas zu sagen.
Viele der Abgeordneten fallen eigentlich vorzugsweise durch meist doofe und oft unangebrachte hämische Zwischenrufe auf.
Ich weiß schon, dass auch viel Ausschussarbeit zu leisten ist, doch können diese Aufgaben sicher auch mit weniger Personal zufriedenstellend erledigt werden.
Resümmee: Abgeordneten-Verringerung von 183 auf 165: sinnvoll und dringend geboten!
Die Sache Bundesrat ist eine andere Geschichte; eine zweite Kammer, die vorzugsweise die Länderinteressen im Gesetzwerdungs-Stadium vertritt, halte ich für sinnvoll; könnte jedoch auch eine verlängerte Landeshauptleute-Konferenz mit Sekretären und Fachleuten in überschaubarer Größenordnung sein.
Insgesamt gilt für unser parlamentarisches Gesetzgebungs-Forum:
Qualität hat Vorrang vor Quantität!
(mail to: gerhard@michler.at)