Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:
Müssen wir länger als bis 65 arbeiten?
In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.
Bitte keine Schlagzeilenreformen!
Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).
Sollen, können und müssen werden im politischen Diskurs oft verwechselt. Müssen und sollen implizieren, dass den Menschen etwas aufgezwungen wird. Dann geht gar nichts mehr. Wenn zum Beispiel der Ex-Bauernbundchef Franz Grillitsch - ein geistiger Verwandter des deutschen Ex-Bundesbankers Thilo Sarrazin - anregt, dass jenen, die aus gesundheitlichen Gründen früher in Pension gehen der Führerschein entzogen werden soll, und ÖVP-Chef Michael Spindelegger diese These willigst apportiert, dann wird's schwierig. Weil in der Folge könnte man Leuten, die in Pension sind - ob zu früh oder spät ist dann schon egal - das Fahren mit den ÖBB, der „Westbahn", der U-Bahn oder den Öffis untersagen, weil die ja schließlich auch von Steuergeldern gebaut wurden bzw. erhalten werden. Schuldenbremsen und Triple A rechtfertigen eben nicht alle Maßnahmen. Dass eine differenzierte Anpassung des Pensionssystems nötig ist, wird kaum bestritten. Doch das Leben der „Ruheständler" kann sehr verschieden sein. Da gibt es Beamte, die mit 35 Dienstjahren (oft gegen ihren Willen) in Pension geschickt werden. Mit Golden Handshakes. Das darf die Finanzministerin ruhig dem Boss der Beamtengewerkschaft von den christlichen Gewerkschaftern weiterflüstern. Dieser könnte ihr dann zurückflüstern, dass es einen Unterschied macht, ob, in welchem körperlichen Zustand und ab wann der Müllmann, die Krankenpflegerin oder die Sektionschefin abgefertigt werden. Ganz zu schweigen von den Unterschieden in den einzelnen KV-Verträgen. So schaut's aus: Das Leben der „Ruheständlerinnen" und sogar der Frühpensionisten kann verdammt hart sein. Fakt ist, dass jene, die im Erwerbsleben wenig hatten, weil sie die „dreckigen" Jobs erledigt haben, oft früher krank werden und in der Pension kaum auf Rosen gebettet sind.
Ahnungslosigkeit oder Zynismus
Andreas Unterberger
Länger zu arbeiten ist keine Frage des Sollens oder Wollens mehr, sondern eine des Müssens. Nur für jene kleine Minderheit, die gern länger arbeiten möchte, aber durch steinzeitliche Pensionssysteme und Kollektivverträge (die ältere Mitarbeiter sehr teuer machen) daran gehindert wird, ist es eine Frage des Dürfens.
Der frühe Pensionsantritt ist die größte Ursache staatlicher Defizite. Deren Finanzierung ist nur zu steigenden Wucherzinsen möglich. Wer glaubt, im Land mit der im Euroraum zweithöchsten Steuerquote noch irgendwo große Steuergeldquellen finden zu können, ist ein Träumer oder zynischer Gewerkschaftsideologe. Die Österreicher gehen im Schnitt(!) um mehr als vier Jahre früher in Pension als die von den Sozialisten einst als Vorbild gelobten Schweden. Dieser Pensionsantritt erfolgt heute auch um mehr als drei Jahre früher als 1970. Die Österreicher fangen gleichzeitig um mehr als vier Jahre später zu arbeiten an. Und sie leben seither um sechs Jahre länger. In diesem Land kann man zwar aus oft nicht beweisbaren psychischen Gründen (die seltsamerweise rapid zugenommen haben) zulasten der Allgemeinheit in eine gut wattierte Frühpension gehen, aber diese Gründe reichen nicht einmal aus, den Führerschein zu verlieren. Was die Lage noch schlimmer macht: Zugleich ist die Geburtenrate weggebrochen. Und der Glaube, diese Lücke mit Zuwanderern füllen zu können, hat sich als Irrglaube erwiesen. Gehen doch die Zuwanderer in viel geringerem Ausmaß als geborene Österreicher arbeiten (zu 65 statt 72 Prozent) und kommen sie doch viel öfter aus bildungsfernen Familien.
In Wahrheit ist jede Woche, in der wir das Pensionssystem nicht drastisch ändern, ein Verbrechen an der Zukunft und eine Weichenstellung Richtung Griechenland.
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Ich finde diese kkp einfach lieb in ihrer blinden Naivität. Man muss den SN dankbar sein, dass wir auf diese Weise Einblick in das Denken roter Gehirne bekommen. Traurig nur, dass diese Ideologie für schliche Gemüter noch immer genügend Anhänger findet, um sich am Leben zu erhalten.
1. Es ist geradezu zynisch, durchaus berechtigt jahrelang gebetsmühlenartig bis zum Überdruss die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters zu verlangen (wer kann das noch hören?) – und gleichzeitig den anachronistischen um 5 Jahre früheren abschlagfreien Pensionsantritt der längerlebenden Frauen zu immunisieren. Nur für Beamtinnen gilt 65 als Regelpensionsalter.
2. Es ist geradezu zynisch, durchaus berechtigt versicherungsmathematisch zu eruierende Zu- bzw. Abschläge bei freiwillig späterem oder früheren Pensionierungsantritt vorzuschlagen – und gleichzeitig Jahr für Jahr die niedrigen Pensionen derjenigen, die nur kurz und wenig einzahlten (z.B. Ausgleichszulagenempfänger) aus „sozialer Gerechtigkeit“ überdimensional anzuheben und allfällig höhere Pensionen derjenigen, die sich freiwillig ihre Pensionsgenusszeit verkürzten, mit hochbesteuerten Fixbeträgen und Deckelungen zu „bestrafen“. Wenn schon Deckelungen und Sockelungen – dann auf der Auszahlungs- UND auf der Beitragsseite. Instrumente leistungsfeindlicher Umverteilung gibt es genug, von der brutalen Steuerprogression über diverse Gebührenreduzierungen bzw. –befreiungen bis zu den einkommensabhängigen Transferleistungen. Die Pensionshöhe darf nicht zusätzlich als ein weiteres Instrument der Umverteilung herhalten, indem sie sich von der Einzahlungshöhe und – dauer entkoppelt.
3. Es ist geradezu zynisch, durchaus berechtigt endlich versicherungsmathematische Grundsätze bei Auszahlungshöhe von Pensionen unter Einbeziehung von Einzahlungszeitraum, Einzahlungshöhe und Pensionsantrittsalter einzufordern – und zugleich immer wieder neue beitragsfreie Zeiten zu erfinden, die als Beitragsjahre gerechnet werden.
4. Es ist geradezu zynisch – und keineswegs berechtigt -, dass Frau Krawagna-Pfeiffer just die Beamtenschaft als Biotop der „golden handshakes“ zitiert. Abgesehen, dass es „off topic“ ist (es geht um späteres Pensionsantrittsalter) sind solche keineswegs Bestandteil des Beamtendienstrechts, sondern Folge von Sondervereinbarungen bei Dienstverträgen unterschiedlichster Verwendungen im ASVG. Beamte treten ihren Ruhestand statistisch nachweisbar um 2,5 Jahre später an als die übrigen Arbeitsnehmer, und das ohne Abfertigung oder gar „golden handshake“. Dass offensichtlich in einigen Bereichen ältere Arbeitnehmer – auch gegen ihren Willen - in vorzeitige Pension gelockt (außerhalb des Beamtentums auch mit „golden handshakes“) oder gemobbt werden, weil das dem Arbeitgeber billiger kommt, indem er das Finanzierungsproblem auslagert, ist gewiss bedenklich. Handlungsbedarf besteht, auch für Ältere ein entsprechendes Berufsfeld vorzusehen. Dazu müssen einige flankierende Maßnahmen gesetzt werden: Etwa das Aufbrechen des unzeitgemäßen Senioritätsprinzips, das ältere Arbeitnehmer für Arbeitgeber unverhältnismäßig teuer macht. Doch auch die „Alten“ haben eine Bringschuld: Es ist nicht zu viel verlangt, wenn auch sie sich ständig - den Erfordernissen entsprechend - weiterbilden. Auch neue Technologien (Computer etc.) sind erlernbar!
5. An Frühpensionierungsformen möge die Schwerarbeiterregelung unter der Voraussetzung treffsicherer Kriterien bestehen bleiben. Die unglückselig als solche bezeichnete und mit dieser in keinem Zusammenhang stehende, aber notorisch mit ihr verwechselte Hacklerregelung hat dagegen schnellstens und ersatzlos abgeschafft zu werden – und zwar bei allen Berufen. Auch eine Invaliditätspension hat Berechtigung, wenn man Missbrauch ausschließt, kann also nur eine seltene Ausnahme sein.
6. Erst wenn ungerechte Verhältnisse nicht beitragsgedeckter früherer Pensionierungen beseitigt sind, kann man über eine Anhebung des Regelpensionsalters diskutieren. Das Endergebnis soll ein frei zu wählender Pensionierungszeitpunkt mit ausschließlich versicherungsmathematisch zu eruierenden Pensionshöhen sein. Das impliziert auch das Streichen von Volleinrechnung aller Nicht-Beitragszeiten Beitragsjahre. Einzig der Spezialfall des Präsenzdienstes könnte durch Direktzahlung entsprechender Pensionsbeiträge seitens des Bundesheeres gelöst werden.
7. Krawagna-Pfeiffers Bild von der „steuerfinanzierten“ Westbahn AG. (generalisierende) „der ÖFFIs“ ist eine Unterstellung: Die „Westbahn“ muss alle ihre Züge vollkommen eigenwirtschaftlich ohne jede Subvention führen und für die Benutzung der Infrastruktur (Gleise, Bahnhofsanlagen, Bahnsteige etc. der ÖBB) das „I.B.E (=Infrastrukturentgelt, eine Art „Schienenmaut“) zahlen. Das gilt auch für alle anderen allfälligen privaten Anbieter von Mobilitätsleistungen.
"Müssen und sollen implizieren, dass den Menschen etwas aufgezwungen wird. Dann geht gar nichts mehr."
Dieser Satz aus der Feder einer gestandenen Linken klingt wie Hohn, wenn man bedenkt was diese Ideologie der Allgemeinheit gegen den Willen der Mehrheit aufzwingt (Genderwahn, Political Correctness etc.).
Abgesehen davon steht unser Pensionssystem nicht zuletzt durch schamlosen Mißbrauch vor dem Abgrund. Wäre in den vergangenen Jahren wenigstens das gesetzliche Pensionsantrittsalter eingehalten worden, hätte die "Hacklerregelung" - wie ihr Name eigentlich andeutet - nur für gesundheitlich strapazierte Schwerarbeiter Anwendung gefunden und nicht in der Mehrheit für Beamte, die es sich einrichten konnten, müßten wir nicht die jetzt zwingend notwendige Diskussion über eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters führen. Man hätte eventuell das System dahingehend flexibilisieren können, daß Menschen verantwortungsvoll, individuell bestimmen dürfen, wann sie in Pension gehen möchten.
Jene, die noch rüstig genug und mit Spaß bei der Sache sind, bleiben länger im Arbeitsprozeß und jene, die sich in nachweislich anstrengenden Berufen reif für eine frühere Pension fühlen, diese zu ermöglichen - natürlich innerhalb geordneter, gesetzlicher Rahmenbedingungen.
Nun, die Linken lehnen zwar das Müssen ab, aber kreative Vorschläge für eine flexiblere Handhabung, jedoch ohne Umgehung der gesetzlichen Vorgaben, bleiben sie ebenfalls schuldig, was einmal mehr beweist: "Regieren ist nichts für LULUS"! (O-Ton einer Grünen!).
Eine klare Themenverfehlung von Frau Krawagna-Pfeifer. Herr Dr.Unterberger hat mit all seinen Feststellungen vollkommen recht, ich erspare mir, sie hier zu wiederholen. Unser Pensionssystem ist kein Perpetuum mobile. Als man in den Jahren 1961 bis 1963 schrittweise die vorzeitigen Alterspensionen eingeführt hat, waran damals schon einige Kollegen der Meinung, daß man sich das eines Tages nicht mehr wird leisten können. Ich wußte damals nicht genau wovon sie sprachen, doch heute wurden sie mehr als bestätigt. Und wie heißt es so schön? "Wenn man Dir gibt, dann nimm, wenn man Dir nimmt dann schrei"
Und so kann man nur durch weitere empfindliche Abschläge bei früherem Pensionsbeginn einen späteren Pensionsantritt erreichen, denn eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage würde letztlich wieder zu höheren Pensionen führen. Außerdem müßte man die Eigenvorsorge mehr fördern. Aber ich denke, da ist die heutige Jugend bereits auf dem richtigen Weg.
Außerdem hat man in den letzten Jahrzehnten viele Möglichkeiten geschaffen, teils ex lege, teils auch für billiges Geld, Versicherungszeiten zu erwerben. So wurden Zeiten des Bezuges von Kranken-und Arbeitslosengeld zu Versicherungszeiten, ebenso die Zeiten der Kindererziehung, Zeiten der Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung können um einen Spottpreis in der Kranken-und Pensionsversicherung(!) erworben werden, der Einkauf von Schul-und Studienzeiten, bevor sie nunmehr empfindlich verteuert wurden und noch einige mehr. Nur die Rechnung ging trotz vieler Hinweise und Warnungen von Fachleuten, nicht auf.
Ein ausgezeichneter Kommentar von A.U. !
KK-P übt sich in informationslosem Dummschwätzen, ganz rote Parteilinie.
Was heisst da länger arbeiten.
Es müssten nur das Pensionsalter als Ziel eingehalten werden.
Tausende Eisenbahner werden von den Gewerkschaften von ihren Lebensarbeitszeitzielen abgehalten und leben 10 jahre lang mehr auf Kosten der Steuerzahler, weil die Bahn die Pensionskasse bei 200 000 Pensionisten und etwa 40 000 Aktiven nicht füllen kann. Also länger arbeiten.
Nicht die von Frau Krawagna-Pfeifer angesprochenen Sozialfälle, die Sozialisten gerne zu Aufhängern machen, als wären alle Österreicher krank, nicht die sind es, die können nicht länger arbeiten, nein die tausende bei der Eisenbahn und die tausende in der Beamtenschaft, auch die tausende, die sich Gefälligkeitsatteste zu ihrer Gesundheit ausstellen lassen, und die tausende, die die Hacklerregelung ausnützen, die kosten so viel, dass das Pensionssystem kippt, und nicht zu vergessen die tausende, die Privilegienpensionen bis zum 30 fachen einer Mindestpension erhalten, dazu zählen alle Politiker und Politbeamten und sonstigen Edelschmarotzer im Dunstkreis der Parteien. Ich selbst bin schwer krank, selbstständig und arbeite weiter, weil arbeitsfähig, Atteste hätte ich genug und auch eingezahlt hätte ich genug für sofortige Pensionierung.
Man kann politisch nicht mehr darum herum, endlich die Wahrheit über die soziale Lage zu sagen, Dr. Unterberger tut es, dankeschön dafür, es muss in der Bevölkerung ein Umdenken stattfinden, wir müssen weg von der 'allversorgenden Parteikrake' namens 'Staat', wir sind selbst für alles was wir haben und wollen und tun und vorsorgen verantwortlich.
Der Schlendrian, die Faulheitsspekulation, die Lethargie, die Rücksichtslosigkeit, etc. der Bevölkerung muss einem Umdenken in Richtung Eigenverantwortlichkeit, Rücksicht auf die Gesellschaft, Anstrengung, Bescheidenheit, Fleiß, Anständigkeit, etc. Platz machen.
Was kann die Politik dazu tun ? Viel, sehr viel, wenn sie nur wollte:
Reformen bei Gesetzen, Föderalismus, Strukturen, etc. zum Sparen, mit gutem Beispiel vorangehen und für sich selbst zumindest Nullrunden ansagen für die nächsten 10 Jahre, öffentliche Diskussionen über wahre Tatsachen und nicht stümperhaft und vordergründig parteipolitisch manipuliertes Schönreden und Verschweigen, ausmisten in den Parteien und Suche von wirklichen Kapazitäten, die was können, die haben nämlich in den allermeisten Fällen kein Parteibuch. Also ganz schön viel, was die Politik dazu beitragen könnte, wenn sie nur wollte.
Schlichtes Mauern wird nichts Positives bringen können.
ich gratuliere frau krawagna-pfeiffer dazu, wie sie wieder einmal in bester politikermanier eloquent und völlig nichtssagend um den brei herumredet und die frage zerpflückt anstatt sie zu beantworten.
das ist die masche der von einer effizienten wirtschaft getragenen, umverteilenden politikern von gestern. nein danke, solche politiker brauchen wir nicht mehr. im gegenteil, wir müssen sie dringend loswerden.