Beim EU-Gipfel haben zumindest anfangs vier Länder die Zustimmung zu einer Fiskalunion verweigert, teils nur vorübergehend, teils dauerhaft. Unabhängig von der Dauer des Neins ist die Frage interessant: Sind die Nein-Sager eigentlich klüger oder dümmer als die anderen?
Alle vier haben zwar durchwegs konservative Regierungen, sie sind auch allesamt sehr froh, nicht beim Euro zu sein. Sie sind aber dennoch in Wahrheit sehr unterschiedlich zu beurteilen.
Weitaus am besten steht Schweden da. Es ist nach dem schweren Kollaps des sozialdemokratischen Wohlfahrts- und Schulden-Modells in den 90er Jahren und nach darauffolgenden neoliberalen Reformen (die das Land aber keineswegs unsozial gemacht haben) heute neben der Schweiz Europas Vorzeigeland Nummer eins. Die Finanzen sind in Ordnung, die Wirtschaft blüht, der durchschnittliche Pensionsantritt erfolgt vier Jahre später als in Österreich, was auch die etwas höhere Arbeitslosigkeit deutlich relativiert. Schweden ließ sich nicht einmal erpressen, als der marode Saab-Konzern nach Staatshilfe rief. Denn seine Regierung weiß, dass man auch den Mut haben muss, ein Unternehmen sterben zu lassen. Die Folge dieser Politik: Schwedische Aktien und die schwedische Währung zählen heute zu den häufigsten Tipps, wo man sein Geld anlegen kann.
Auch Tschechien, das nächste abseitsstehende Land, steht an sich gut da. Freilich ist es sehr stark von Exporten in den Euroraum abhängig, und die Prager Regierung beschädigt sich selbst regelmäßig mit heftigen Korruptionsskandalen.
Die Briten hingegen haben derzeit wirklich schlechte wirtschaftliche Daten. David Cameron hat jedoch mutige Reformen gestartet, um eine kräftigende Rosskur auszulösen, die wieder wie einst unter Margaret Thatcher eine Epoche der Blüte einleiten könnten. Jedenfalls wurde von den meisten Briten das Nein zum Gipfelbeschluss begeistert aufgenommen. Die Inselbewohner wissen zwar, dass sie den Binnenmarkt brauchen, und sie sind auch militärisch gute Bündnispartner, aber sie haben verständlicherweise keinerlei Lust, sich bei Steuern oder Budgets von der EU dreinreden zu lassen.
Ungarn hingegen ist ein sehr trauriger Fall. Seine Währung steht heftig unter Druck, seine Anleihen sind Ramsch. Die Regierung spart zwar nach schweren Fehlern ihrer sozialdemokratischen Vorgänger nun spürbar, sie hat sich aber gleichzeitig durch antisemitische Akzente, durch eine betont nationalistische Politik und durch Frontalangriffe auf Banken und Medien in eine weitgehende Isolation manövriert. Selbst österreichische Politiker zögern derzeit, nach Ungarn zu reisen.
Die Unterschiede zwischen den Vier zeigen jedenfalls: Euro oder Nicht-Euro ist keineswegs die entscheidende Frage. Das ist vielmehr die Höhe der Schulden, die Wirtschaftskraft und vor allem die Glaubwürdigkeit der Sanierungsversuche. Das heißt heute aber auch: Ohne Jahre der bitteren Mühen kommt kein Land aus der Krise heraus. Egal, welche Währung es hat.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.
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Das europäische Problem heißt nicht "Euro oder Nicht-Euro" sondern Europa oder Nicht-Europa! die EU krankt in erster Linie nicht daran, dass sie eine gemeinsame Währung auf Dauer nicht unbeschädigt managen können wird, sondern dass sie nie in Lage war, ein ein "europäisches Bewusstsein" zu erzeugen und zu pflegen. Zu vielgestaltig sind die Nationalstaaten mit "eigener Geschichte", mit eigener Sprache und Literatur, mit eigenen nationalen Sympathien und Animositäten, welche eben in dieser "eigenen Geschichte" wurzeln. Als zu schwach hat sich die alleinige Gründungshoffnung auf einen immerwährenden "europäischen Frieden" erwiesen und auch die von visionslosen EU-Politikern erhoffte Einigkeit durch die gemeinsame Währung droht mittlerweile als Desaster zu enden. Noch ist weitgehend unklar, welche Auswirkungen die britische Verweigerung der Zustimmung zur neuesten Merkozy-Politik haben wird. Auch wenn ich kein Marx-Fan bin, muss ich gestehen, dass der Satz vom "Bewusstsein, welches das Sein prägt", nicht unbeachtet bleiben sollte.
Einen weiteren Teil des Problems stellt die "mechanistische" Politikauffassung der EU dar, welche noch dazu all das vernachlässigt, was in der Wirtschaft (und in der Sozialwissenschaft) inzwischen unter dem Titel "Soft-Skills" zusammengefasst werden kann und was an den Wurzeln der Demokratie vielleicht mit dem Wort "Brüderlichkeit" gemeint war. An dieser Stelle kann ich nicht umhin, erneut zu betonen, dass die "Freiheit" in diesem dreiteiligen Ensemble an erster Stelle stand und dass die Gleichheit keineswegs die geschlechtslose Egalität aller Menschen meinte, sondern in erster Linie die wohlerwogene und als Grundlage eines Rechtsstaates unverzichtbare "Gleichheit vor dem Gesetz". Und was insbesonders die "sozial" bewegten Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg vergessen oder verlernt haben, war die Tatsache, dass "Freiheit" ohne "Verantwortung" eben nicht funktioniert - das wissen zur Zeit leider sogar einige unserer Bundeskanzler und anderer "Verantwortungsträger" nicht mehr.
Und so komme ich zur dritten Säule des Versagens: Ein generelles, europäisches Missverstehen der Wirtschaftsfaktoren Geld und Arbeit - beides in krassem Missverhältnis zwischen "nördlichen" und "südlichen" Mitgliedsländern der EU stehend. Man könnte auch hier schärfer formulieren und die Grenze zwischen "produktiven" und "parasitären" Ländern ziehen. Allerdings ist hier zu bedenken, dass eine solche Sicht auf die Bevölkerung zurückwirkt, welche seit Jahrzehnten regelmäßig jenen Parteien den Vorzug gibt, welche die teuersten (und haltlosesten) Wahlversprechen abgeben, die später meist mit noch mehr (gutem) Geld repariert werden müssen, als ursprünglichen an "schlechtem" Geld hineingesteckt wurde. Unsere ganze sogenannte Schuldenkrise ist lediglich das Ende eines Pyramidenspiels, an dessen Anfang die Verantwortungslosigkeit von wahlwerbenden Parteien gepaart mit der Unerschöpflichkeit der Ansprüche der Bürger stand. Wer immer die einfachsten Regeln der Arithmetik beherscht, sollte zu der Einsicht fähig sein, dass weder ein Einzelner noch ein Staat noch irgendein Wirtschaftskörper auf Dauer mehr ausgeben kann als er einnimmt. (Aber das scheint zunehmend in die Kategorie "höhere Mathematik" zu fallen).
Als letztes in dieser Liste der europäischen Todsünden scheint mir erwähnenswert, dass die Parteien (leider auch die "bürgerlichen") ein zunehmend macchiavellistisches Bild des Bürgers entwickeln, der (in den Demokratien) nur mehr als wohlfeiles Stimmvieh benötigt wird, den man jedoch als den in vielen Lippenbekenntnissen beschworenen "selbstbestimmten, mündigen Bürgern" fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser. Daher auch das zunehmende "Downgrading" der in den Schulen vermittelten Basisbildung, welche immer mehr zur Glaubenslehre der neoreligiösen Dogmen (Political Correctness, Gender Mainstreaming, Klimawandel, Armut, etc.) wird und nicht mehr in der Lage ist, sich zu fragen, welche der traditionellen Annahmen oder Verhaltensregelen sich als "wahr" oder "richtig" (und daher als erhaltenswert) erwiesen haben, sondern nur mehr atemlos dem Zeitgeist und den neuesten - meist nur kurzzeitig gültigen - Weisheiten und Moden hinterherhetzen.
Und das alles macht leider nur einen Sinn: Der europäische Mensch soll nicht zur Besinnung kommen, denn sonst könnte ihm auffallen, in was für einem Irrenhaus er lebt.
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Ich habe jetzt soviele Kommentare von mutmaßlichen Fachleuten gelesen, in denen die Einführung des Euro tatsächlich für die Krise verantwortlich gemacht wird, dass ich diese Theorie inzwischen zu glauben beginne.
Merkwürdig war sicherlich, wie schnell und Konsequenzenlos man die Stabilitätskriterien über Bord geworfen hat, nachdem Frankreich die Verpflichtungen nicht einhalten konnte. Ohne Euro wäre die Budgetpolitik Frankreichs ein rein französiches Problem geblieben. Die Idee, dass Staaten ohne unmittelbar sichtbare Konsequenzen Misswirtschaft betreiben konnten, hat auf den Euro nicht gerade stabilisierend gewirkt.
Wenn österreichische Politiker Ungarn meiden, dann heißt das bitteschön genau gar nichts. Österreichische Politiker haben auch Staatsbesuche bei KimJongIl gemacht. Österreichische Politiker haben auch Arafat, Gaddafi, Assad, usw. empfangen oder besucht. Unlängst hat ein österreichischer Politiker (ausgerechnet der ÖVP Chef) ein Kommunikationszentrum für Saudi-Arabien in Wien eröffnet. Man würde da eher vermuten, dass die Ungarn die Österreicher nicht sehen wollen.
Ja, dieser Angriff der ungarischen Politik gegen die Banken war patschert. Das Erbe, das die Ungarische Regierung von der vorhergehenden Regierung übernommen hat, ist aber tatsächlich eine böse Last.
"Ohne Jahre der bitteren Mühen kommt kein Land aus der Krise heraus. Egal, welche Währung es hat."
Das ist eben das Problem, dass die Mehrzahl der wohlstandsverwöhnten und teiweise mit satten Sozialleistungen verhätschelten, von Politikern, Gewerkschaftern, Kämmerern, NGO`s, Boulvardmedien u.s.w. eingelullten Menschen, die im Grunde genommen einfachen "Naturgesetze" der Ökonomie nicht verstehen wollen oder können. Bevor überhaupt noch eine einzige Sparmaßnahme beschlossen ist, schreit es aus allen Bereichen: "Mit mir nicht!"
Dazu eine letztklassige Regierung, die diesen Namen nicht verdient. Die derzeitigen Kabarettübertragungen aus dem Parlament zum Feigenblatt "Schuldenbremse" sprechen für sich. Es würde nicht überraschen, wenn demnächst das Triple-A Geschichte wäre.
Euro oder nicht.
Für mich stellt sich die Frage des Anlegens nicht, aber die Frage an sich ist sehr aktuell.
Schweiz und Schweden zeigen vor, wie man es für das Volk besser machen kann durch Politik.
Ungarn hat unter den Schulden und den großen Brocken der Zerstörungen durch Krieg, Revolution, etc. zu leiden, sie hatten ja keinen Marshall Plan wie wir das hatten, und das wird viele Jahrzehnzte nachwirken, wie bei uns die selbstverschuldete Schuldenkrise nachwirken wird, die nicht notwendig gewesen wäre bei uns, aber durch die sozialistische Denkweise in allen Parteien Österreichs und Verantwortungslosigkeit, vom Volk immer wieder zugelassen per Wahl. Bei uns kommt noch die totale und überbordende Verbeamtung des gesamten Gesellschaftsbereiches und der Privilegienstadel bei ebendiesen, bei ÖBB, bei Politik, etc. bezüglich Lohn und Pension dazu und damit ist bei uns der soziale Unfrieden durch Ungleichheit perfekt.
Tschechien habe ich immer schon bewundert wegen der oft erfrischenden 'Frechheiten' und Kaltschnäuzigkeit und vor allem Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen, wie etwa die perversen Benes Dekrete, oder die Schrott Atommeiler, etc. Manchmal kommt das eben positiv heraus, zumindest bezüglich der Wirtschaft.
Für mich ist der Euro wegen der ungesetzlichen Schutzschirme ein rotes Tuch, für mich ist der Gesetzesbruch oder Hintergehung der Gesetze der EU an ihren eigenen Gesetzen (Stabilitäts- und Konvergenzkriterien) ein Horror und für mich ist die Frage, Euro oder nicht, eigentlich eine solche, wie lange noch ?
Das gilt eigentlich auch für die Staatengemeinschaft, wie lange noch. Ich denke, man hat ungeduldig und ohne nachzudenken zu schnell zu viel gewollt und das vor allem, ohne die Völker zu fragen, das kann nicht gut gehen und wird auch nicht, so meine Prognose und Befürchtung.
Die Sozis in Österreich haben uns seinerzeit jahrelang Schweden als leuchtendes, sozialdemokratisches Beispiel hingestellt, jedoch nur solange als der ausufernde Sozialstaat das Land in den erwähnten Kollaps trieb.
Jetzt, wo Schweden dank vernünftiger, konservativer Regierungspolitiker wieder zum echten Vorzeigeland wurde, macht kaum mehr ein heimischer Linker viel Aufhebens darüber.
Und warum nicht? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Wo kommen wir denn da hin, wenn sie zugeben müßten, daß es neoliberale Vorbilder gibt?
Könnten unsere Politiker endlich einmal über ihren ideologischen Schatten springen, wäre das schwedische Sanierungswunder auch in Österreich möglich, aber so wird weitergewurschtelt bis Wien Athen wird!
Faymann hat gestern in einer theatralischen Rede vor einem Auseinanderbrechen der Eurostaaten gewarnt. Er sagte, daß Massenarbeitslosigkeit, Not und Elend die Folge sein werden. Das ist eine typisch linke, weil schizophrene Einstellung. Der Vertrauensverlust in eine Währung, der Verlust von Kreditwürdigkeit von Staaten, falsche Ausgabenpolitik von Regierungen und überbordernde Steuerlasten lassen einen Wirtschaftsraum zusammenbrechen und verursachen damit hohe Arbeitslosigkeit mit all den grauslichen Folgen. Da kann ein größerer Staatenverbund auch nicht helfen, wenn alle dieselbe fatale Schuldenpolitik fahren.
Von den oben vier genannten Ländern setze ich die größte Hoffnung auf England, denn die haben mit ihrer lauten und jahrzehntelangen, konsequenten Kritik an Europa am ehesten gezeigt, daß ihnen die grandiose Idee eines Europas der Vielfalt und der regionalen Selbstverantwortung am meisten am Herzen liegt.
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=9010734
Man beachte:
Eine hysterische Frau Reding als die Alternative Nordeuro dargestellt wurde, dazu machte sie am Rande die unterstellenden Bemerkung, dass der ja amerikanische Banken berät, damit meinte sie wohl Prof. Henkel.
Außerdem ist Luxemburg ja so gut, kein Wort davon, dass die Bilanzsumme der luxemburgischen Banken das 18fache BIP ausmacht und Luxemburg bei den verdeckten Schulden europaweit an zweiter Stelle steht.
Außerdem ist sie ja so froh, dass Europa von Politikern regiert wird und nicht von diesen deutschen Professoren.
Zu Lafontaine bemerkte sie am Rande: Was, der war mal ein deutscher Finanzminister.
Frau Reding als EU-Kommissarin hat sich für mich durch ihre niedrigen Instinkte disqualifiziert. Wenn das der Ton in der Kommission ist, dann können wir uns auf vieles gefasst machen. Was Demokratie ist, bestimmen wir ganz alleine.
Der Stoiber ist überhaupt dabei, die Mentalitäten in diesen Ländern ändern zu wollen, da kann man ihm viel Glück wünschen, ist schon einmal schief gegangen.