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Der schwarz-blaue Flirt und seine Perspektiven

Es wird spannend: Die ÖVP hat auf Parteiobmann-Ebene mit den Freiheitlichen inhaltliche Verhandlungen aufgenommen. Das ist eine absolute Premiere, seit bei der FPÖ H.C.Strache an der Macht ist. Dahinter steckt ein aktueller Anlass, aber auch eine langfristige Perspektive. Von einer künftigen Koalitionsmöglichkeit sollte man freilich erst reden, wenn sowohl Schwarz wie Blau ihre schwere strategische Fehlentwicklung der letzten Jahre korrigiert haben. Was in beiden Fällen eher unwahrscheinlich erscheint.

Die Verhandlungen mit Strache über einen Schuldenbrems-Beschluss deuten aber jedenfalls eine strategische Öffnung der zuletzt nicht gerade von Wählerbegeisterung getragenen Schwarzen an. Was diese auch dringend notwendig hatten. Sie haben vor allem in der Ära des Großkoalitionär Josef Pröll viele Stammwähler schwer verärgert. Deren Ärger wurde etwa durch die Schwulenehe und die Ersetzung der bewährten Hauptschule durch die ungetestete und nach allen Indizien teure wie leistungsschwache „Neue Mittelschule“ entzündet. Die schwarzen Provokationen für konservative Wähler setzten sich aber auch unter Spindelegger mit der politisch-korrekten – sprachlich jedenfalls unkorrekten – Umdichtung der Bundeshymne fort, die von vielen Schwarzwählern als unsinnige Verbeugung vor den linken Feministinnen verstanden wurde.

Die Blauen wiederum punkten zwar in den letzten Jahren als Auffangbecken vieler verärgerter Konservativer. Sie haben aber heute zum Unterschied von den Zeiten des Dreigespanns Haider-Grasser-Riess jede Ahnung von Wirtschaftspolitik verloren. Diese ist jedoch in Zeiten einer europäischen Schuldenkrise noch viel wichtiger als einst.

Die Freiheitlichen halten sich heute lediglich Lobbyisten russischer Oligarchen als einziges Substitut von Wirtschaftskompetenz. Sie haben zwar in etlichen Punkten der Kritik an schweren Fehlentwicklungen der EU recht. Wer aber ernsthaft von einem Austritt aus EU und Euro spricht, hat absolut keine Ahnung, was das für Österreich bedeuten würde. Dasselbe gilt für den blauen Kampf gegen jede Einschränkung von Sozialleistungen, mit dem sich die Freiheitlichen immer wieder am linken Rand von Rot und Grün profilieren.

All diese Faktoren lassen es als sehr utopisch erscheinen, wenn man von einem Comeback eines blau-schwarzen Bündnisses redet. Daran ändert auch der köstliche Umstand nichts, dass Rot und Grün sowie die ihnen hörigen Medien sofort von totaler Panik erfasst worden sind, nur weil sich die Herren Spindelegger und Strache zusammengesetzt haben.

Aber immerhin zeigt die ÖVP ihren (Ex-)Wählern erstmals wieder, dass sie sich nicht nur als Wurmfortsatz der sozialdemokratischen Politik versteht. Was für viele bürgerliche Wähler ein sehr wichtiges Signal ist, auch wenn das die genetischen Großkoalitionäre Erwin Pröll, Christoph Leitl und Christian Konrad nicht begreifen.

Und immerhin hat die FPÖ bei den Gesprächen eine erstaunliche Entwicklung von einer totalistischen Njet-Politik zu durchaus realistischen Ansätzen durchgemacht. Freilich kann man sich bei den Freiheitlichen nie sicher sein, ob das nicht übermorgen wieder alles anders ist. Am Schluss wird wohl das „Nein zu allem“ dann doch wieder stärker sein als der Wunsch, sich als verantwortungs- und damit regierungsfähig zu beweisen. Denn im Grund will die Strache-FPÖ zwar alle Wahlen gewinnen, aber ohnedies nicht wirklich regieren. Dazu waren die Erfahrungen von 2000 bis 2006 zu ernüchternd.

Jedenfalls scheint man bei den Blauen derzeit zu spüren, dass es der Partei nützt, wenn jetzt nicht mehr Strache, sondern Werner Faymann als der unpatriotische Gesprächsverweigerer dasteht. Und die FPÖ scheint auch zu erkennen, dass es ihr nicht gerade nützt, wenn sie sich durch ein Nein zur verfassungsrechtlichen Schuldenbremse mitschuld daran macht, dass Österreich für seine Anleihen künftig (noch) höhere Zinsen zahlen muss. Ein solches Nein würde ja bei allen weltweiten Geldgebern als katastrophales Signal interpretiert werden.

Das Ganze findet vor dem interessanten Hintergrund von Meinungsumfragen statt, die ein leichtes Absinken der SPÖ anzeigen. In wirtschaftlich stürmischen Zeiten wird Werner Faymann von den Menschen genauer gewogen als sonst – und immer häufiger als zu leicht befunden. Das stört die Wähler offenbar mehr, als es seine Inseratenkorruption getan hat. Zugleich gibt es natürlich gerade bei der SPÖ einen großen Wähleranteil, der noch überhaupt nicht begriffen hat, dass diese stürmischen Zeiten auch für ihre Brieftasche etwas Übles bedeuten werden. Diese Menschen sind noch in keiner Weise für Sparmaßnahmen bereit. Das macht die Lage für Faymann noch schwieriger.

Gleichzeitig gibt es – nicht veröffentlichte – Umfragen, die erstmals seit langem die ÖVP bei den Rohdaten (also ohne Hochrechnung der nicht Antwortenden) voran zeigen. Das hat sie zweifellos der Finanzministerin zu verdanken, die derzeit als einzige eine vertrauenerweckende Sprache spricht, während Bundes- wie Vizekanzler gerne herumschwurbeln. Freilich muss man bei solchen Umfragen immer wissen, dass die FPÖ bei den Rohdaten immer deutlich schlechter liegt als die anderen Parteien.

Jedenfalls ist es für das Klima im Land gut, dass nun die Regierung ernsthaft mit den Oppositionsparteien redet. Das Friss-oder-stirb der Regierung beim ersten Anlauf zur Schuldenbremse hatte doch von einer argen Hybris gezeugt.

Dieses Friss-oder-stirb hängt freilich vor allem mit dem Kernproblem dieser Koalition zusammen: Sie hat sich auch in der Frage der Schuldenbremse bisher nur auf einen oberflächlichen Formelkompromiss einigen können. Wie man die Schuldenbremse konkret umsetzen will, ist weiterhin völlig unklar. Daher tut sich die Koalition auch weiterhin ziemlich schwer bei den Verhandlungen mit den Oppositionsparteien. Denn dabei muss man ja jetzt viel konkreter werden, als wenn man nur eine theoretische Defizitreduktion ohne Hinweise auf das Wie beschließt.

Die SPÖ – wie immer mit ihren Außenstellen in Wifo und ORF – redet ununterbrochen nur von Steuererhöhungen. Die ÖVP-Finanzministerin hingegen ist (noch?) ganz auf Einsparungskurs, während ihre Partei intern schon eine Erhöhung der Einkommensteuer für die Höchstverdiener in Erwägung gezogen hat.

Die Sucher nach einer Verfassungsmehrheit für die Schuldenbremse ist durch die schwarz-blaue Runde jedenfalls wieder spannend geworden. Grün wie Orange scheinen es deswegen nun ebenfalls ein wenig billiger geben zu wollen. Dabei sind freilich Rot wie Schwarz vorerst über die Orangen ziemlich verbittert, weil die bei der ersten Runde offenbar übertaktiert haben. Die ÖVP will wieder keinesfalls den Grünen einen Vermögenssubstanzbesteuerung zubilligen. Umgekehrt will die SPÖ ganz sicher nicht die Freiheitlichen als Mehrheitsbringer akzeptieren.

Jedoch scheint das von der FPÖ vorgeschlagene Paket vorerst vernünftiger als die Forderungen der anderen beiden Parteien. Eine stärkere Verankerung der direkten Demokratie Richtung Schweizer Muster, wie die FPÖ es nun will,  geht jedenfalls in eine mutige Richtung. Diese war auch schon von den Grünen mehrmals angepeilt worden, während vor allem in der ÖVP bisher keine Begeisterung dafür geherrscht hat.

Aufs Erste klingt auch die zweite FPÖ-Forderung, nämlich höhere Mehrwertsteuersätze für einige Luxusartikel, sinnvoll. Freilich bei näherer Betrachtung nur sehr zum Teil.

Solche Luxussteuer-Ideen bedienen natürlich so wie die rot-grünen Vermögenssteuer-Phantasien den Jagt-die-Reichen-Populismus. Daher kann auch da die SPÖ nur schwer dagegen sein. Aber nach dem FPÖ-Plan werden zum Unterschied vom Wunsch der Linksparteien wenigstens nicht die Ersparnisse und der Besitz bestraft, sondern nur der Konsum. Die höhere Besteuerung von teuren – und daher in aller Regel mehr Benzin fressenden – Autos kann man zugleich auch als sinnvolle Umweltmaßnahme verkaufen. Bei den anderen genannten Objekten der blauen Besteuerungswünsche zeigt sich freilich wie bei vielen derzeit kursierenden Steuerideen eine deutliche Ahnungslosigkeit in Hinblick auf die wirkliche Welt.

Denn dort würde die geforderte Steuer auf besonders teure Eigentumswohnungen vor allem zwei Konsequenzen haben: erstens einen gewaltigen Kaufboom vor ihrer Einführung samt einer riesigen Preisblase; und zweitens eine verstärkte Rückkehr zu „steuerfreien“ Schwarzgeldzahlungen als Part of the game. Denn je mehr sich die Illegalität lohnt, umso öfter wird sie riskiert.

Ähnliches gilt für die ebenfalls von Freiheitlichen genannte Idee, Luxusreisen zu besteuern. Sollte es dabei nämlich um Fernreisen gehen, dann wird das vor allem den Umsatz von Reisebüros in Pressburg, Freilassing, Marburg oder Brünn fördern. Womit am Ende des Tages ebenfalls ein Verlust in der Staatskasse bliebe. Denn dann fließen auch nicht mehr die bisherigen Umsätze aus solchen Reiseverträgen in sie hinein.

Was sich all die linken wie rechten Steuererfinder nämlich nicht ausmalen können: Die Menschen lassen sich nur ungern von der Politik aussackeln, sondern versuchen regelmäßig, jede neue Abgabe, jede neue Steuer zu umgehen.

Der wirkliche Luxus sind aber ohnedies längst nicht mehr Karibik- oder Asienreisen, sondern das sommerliche Hotel am Wörthersee und das winterliche in Lech oder Zürs. Wollen die Freiheitlichen diese ernsthaft verschärft besteuern?

Das wirklich Deprimierende an all diesen Partei-Gesprächen sind aber ohnedies nicht die dahintersteckende Taktik und die ständig ringsum offenkundig werdende ökonomische Ahnungslosigkeit. Das ist vielmehr der Umstand, dass fast nur Steuererhöhungen im Zentrum der Auseinandersetzungen stehen und nirgendwo die Einsparungen. Dabei sind diese ebenso notwendig wie schwierig.

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