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Mareks Abschied: notwendig, aber nicht ausreichend

Notwendig, aber alles andere als ausreichend: Das ist der überraschende Rücktritt von Christine Marek als Parteichefin in Hinblick auf eine Reanimation der in Agonie liegenden Wiener ÖVP. Denn die wahren Herausforderungen für die Stadtpartei liegen alle noch in der Zukunft. Der ständige Personalwechsel alleine ist zu wenig für den Erfolg einer Wiederbelebung, wie die Wiener Schwarzen schon oft genug bewiesen haben.

Vor einer Auflistung der sonstigen notwendigen Bedingungen noch ein kurzer Nachruf auf Marek, die nun im Nationalrat ihr frühes Ausgedinge erleben darf. Mit einem Satz: Die persönlich sympathische Frau war in all ihren bisherigen Funktionen schwer überfordert, da bar jeder politischen Intelligenz. Ihr Transfer nach Wien war unter den vielen unbetamten Personalentscheidungen des Josef Pröll daher auch der negative Gipfel.

Der Nachfolger Mareks ist jedenfalls nicht zu beneiden, hat er doch eine der schwierigsten Aufgaben vor sich, die es im politischen Leben Österreichs gibt. Welche Bedingungen müssen Nachfolger, aber auch andere Stadtschwarze erfüllen, damit die Mission impossible doch gelingen kann?

1.     Die Wiener Stadtpartei muss ihre Abhängigkeit von den verbliebenen fünf schwarzen Bezirksvorstehern lösen: Denn diese haben hinter den Kulissen noch bei jedem Versuch, ernsthafte Opposition zu machen, gebremst. Aus subjektiv nachvollziehbaren Motiven: Wenn ein Bezirkskaiser von den roten Stadträten und den noch viel mächtigeren Stadtbeamten geschnitten wird (etwa aus Rache, weil die ÖVP die sensationellen Gehaltsprivilegien der Rathaus-Bürokraten kritisiert), dann wird aus dem Bezirkskaiser ein armes Bezirkswürstchen.

2.     Ähnliches gilt für die Beziehung zur Wiener Wirtschaftskammer: Auch wenn deren jetzige Präsidentin im Gegensatz zum Vorgänger nicht den Eindruck erweckt, persönlich gekauft zu sein, traut sich die Kammer doch auch weiterhin nicht, das Rathaus scharf zu kritisieren, denn dann fürchtet sie sofort Revanche: bis hin zum Abdrehen des Stroms für die Weihnachtsbeleuchtung in den Einkaufsstraßen. Dabei ist die Korruption und Bürokratie in Wien weit schlimmer und wirtschaftsfeindlicher als in allen anderen Bundesländern. Man denke nur an die Dauer von gewerblichen oder baulichen Genehmigungsverfahren, man denke nur daran, dass ausgerechnet in Wien die Arbeitslosigkeit weitaus am höchsten unter allen Bundesländern ist.
Die Wiener ÖVP muss begreifen, dass sie für erfolgreiche Oppositionsarbeit weder die Bezirksvorsteher noch die Kammer  braucht. Die Freiheitlichen haben ja auch weder das eine noch das andere und wachsen stetig (zumindest solange sie nicht selbst Verantwortung tragen müssen).

3.     Der Marek-Nachfolger muss die mediale Kommunikation als zentrale Aufgabe erkennen. Dazu gehört primär die Erkenntnis, dass beim Großteil der Medien für Oppositionsparteien ohnedies keine Chance besteht, weil diese alle durch Rathaus-Inserate und -Kooperationen gekauft sind oder von durch und durch grünen Redakteuren gemacht werden. Daher muss sie eigene Kanäle aufbauen, um ohne Filter und branchenübliche Häme auf professionellem Level an die potenziellen Wähler heranzukommen.

4.     Die Wiener ÖVP muss erkennen, dass ihre Wählerpotenziale am wenigsten bei linksliberal-grünen Stadtbewohnern liegen, auch wenn (in Wahrheit nur scheinbar) wohlmeinende Journalisten ihr das ständig nahelegen. Sie muss daher auch erkennen, dass die Erklärung etlicher dieser Journalisten für das Marek-Debakel zwar sehr viel mit den ideologischen Vorlieben der Journalisten, aber nichts mit den wahren Fakten zu tun hatten. Marek hat ganz sicher nicht deshalb verloren, weil sie in den letzten Tagen des Wahlkampfs angeblich einen Rechtsschwenk von ihrem Linkskurs gemacht hat. Sonst wären ja die ÖVP-Wähler nicht nach rechts, sondern nach links abgewandert.

5.     Die Wiener ÖVP muss erkennen, dass ihr Potenzial erstens bei der großen Gruppe der Nichtwähler liegt, denen insbesondere die Pröll-Marek-ÖVP gesellschaftspolitisch zu links war und die FPÖ zu radikal (und wirtschaftspolitisch zu sozialistisch) erscheint. Zweitens müsste sie viele zur FPÖ abgewanderte Schwarze zurückholen. Und drittens gibt es in Wien sehr viele Arbeiter, die ob des kulturellen und migrationspolitischen Linksschwenks ihrer Partei, aber auch über die Privilegien der Stadtbeamten verärgert sind, die daher ihrer Stammpartei SPÖ den Rücken kehren (und mit großem Erfolg von der FPÖ angeworben werden).

6.     Wenn alle bekannten Studien zeigen, dass Sorgen wegen der Massenmigration, Sorgen um die Sicherheit, Sorgen vor der drohenden Einheitsschule die zentralen Themen der Stadtbewohner sind, dann muss sich die ÖVP kraftvoll ihrer annehmen. Und zwar ohne die läppische Sorge, dass man sich doch nicht der FPÖ inhaltlich so stark annähern dürfe. Mit Bauskandalen und Radwegen alleine bewegt man keine Gemüter.

7.     Der ÖVP als Ganzes muss auch klar werden, dass eine entscheidende Frage für das Überleben ihrer Wiener Filiale der nächste Finanzausgleich sein wird. Wenn dabei wieder die Bundesländer in der unheiligen Allianz Wien-Niederösterreich-Kärnten den Bund finanziell abräumen können, wird es auch in Zukunft trotz der großen Budgetprobleme genug Geld für den Wiener Filz geben, der alles erstickt – insbesondere jede demokratische Alternative.

Das Rezept ist klar, wenn auch in der Umsetzung sicher nicht einfach. Glaubt irgendjemand, dass auch nur ein Punkt dieses Kalenders der unabdingbaren Notwendigkeiten vollständig umgesetzt werden wird?

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