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Die Dummheit ist kein österreichisches Privileg

Man könnte ja versuchen, es positiv zu sehen: Irgendwie ist es tröstlich, dass Dummheit kein österreichisches Privileg ist. Freilich kann man es auch sehr negativ sehen, wenn die Dummheit das gemeinsame Kennzeichen aller westlichen Gesellschaften zu sein scheint. Und wenn der diesbezügliche Unterschied zwischen den einzelnen Ländern nur ein ganz marginaler ist. Das wird indirekt auch durch die jüngste Analyse der „Financial Times“ bestätigt, derzufolge Europa wie Amerika gemeinsam gegen die steil aufsteigenden Schwellenländer untergehen werden.

Es ist jedenfalls erstaunlich, wie sehr die Politik, aber oft genug auch die Wirtschaft rundum glaubt, zwingende Logik durch populistische Phrasendrescherei ersetzen zu können. Einige neue Beispiele:

Das österreichische Parlament beschließt diese Woche die Einführung von Wartelisten bei Operationen. Niemand soll rascher drankommen, weil er zahlt beziehungsweise eine Sonderversicherung hat.

Meinen die das wirklich ernst? Dann verstehen sie absolut nichts vom Funktionieren des Gesundheitssystems. Denn die Einnahmen von Sonderpatienten sind für viele Spitäler ein Eckpfeiler der Finanzierung. Und sie sind auch für viele Ärzte ein entscheidendes Zusatzeinkommen zu eher kargen Grundgehältern. Daher werden Spitäler wie Ärzte alles tun, um weiter diese Einnahmen zu lukrieren. Selbst um den Preis, dass dann wieder einmal ein „Aufdecker“-Journalist schreibt: Es gibt sie noch immer, die Zweiklassenmedizin.

Sollte es aber wirklich gelingen, den Sonderpatienten im öffentlichen Spitalswesen jedes Privileg zu nehmen, werden diese auf private Spitäler ausweichen, die dann aufblühen werden. Hingegen wird sich an den öffentlichen Spitälern die Finanznot verschlimmern. Gleichzeitig werden die besten Ärzte von dort wegwandern, oder nur noch so tun, als ob sie im öffentlichen Spital voll arbeiten.

Da – allen Sonntagsreden von Politikern und Ärztefunktionären zum Trotz – die Marktmechanismen immer wirken, würde es auch Konsequenzen haben, wenn man als nächsten Schritt die Privatspitäler entrechtet und damit zur Schließung zwingt. Denn dann würde zweierlei passieren: Eine Gruppe würde ihre Privatversicherung kündigen und damit endgültig dem Gesundheitssystem Milliarden entziehen; eine andere Gruppe würde sich halt im Ausland rasche Operationstermine verschaffen. Denn wenn es um ihre Gesundheit geht, tun viele Menschen alles (außer gesund zu leben – aber das ist ein anderes Thema). Selbst ferne Länder wie Thailand bieten schon zahlungskräftigen Kunden jede gewünschte Operation in durchaus komfortablen Kliniken an.

Da bleibt dann unserer schlauen Politik als letzter Ausweg wohl nur noch nach dem Vorbild des alten Ostblocks die Menschen mit Stacheldraht und Selbstschussapparaten entlang der Grenzen am Verlassen des Landes zu hindern.

Ähnliche Intelligenzprobleme sind aber auch der deutschen Koalition zu attestieren: Da beschlossen die Parteichefs von CDU, CSU und FDP die Grundsätze einer Steuerreform: „Kleine und mittlere Einkommen werden zum 1. Jänner 2013 steuerlich entlastet, und wir werden die kalte Progression vermindern.“

Ganz abgesehen davon, dass Deutschland noch immer neue Schulden macht: Begreifen diese Parteien denn nicht, dass die beiden Satzteile von der Logik her absolut unvereinbar sind? Wenn man nämlich die kleinen und mittleren Einkommen entlastet, dann wird per definitionem und mit absolut zwingender Konsequenz die Progression umso schlimmer, also der Unterschied der Steuerlast, wenn man einmal mehr verdient als zuvor. Diese Progression kann man nur dadurch mildern, indem man insbesondere die höheren Einkommen entlastet – oder gleich die Flat tax einführt, die sicher die sinnvollste Steuerform wäre.

Wer nichts dergleichen tut, der nimmt vielen Menschen den Ansporn, mehr zu arbeiten, fleißiger oder kreativer zu sein. Wenn einem nicht nur absolut, sondern auch relativ immer mehr weggenommen wird, wirkt das eindeutig demotivierend. Außerdem wissen die Bezieher mittlerer Einkommen längst: Auch wenn sie derzeit noch von den allerhöchsten Steuersätzen weit entfernt scheinen, so wird sie die Inflation in absehbarer Zeit in diese Steuersätze treiben, selbst wenn sie der Kaufkraft nach gleichviel verdienen.

Zugegeben, bei den Grünen konnte man noch selten sonderliches ökonomisches Wissen orten. Aber es macht doch staunen, wenn der grüne Abgeordnete Kogler eine ganze Fernsehsendung lang unwidersprochen behaupten kann, dass die Budgetprobleme ja nur Folge der Bankenhilfe aus dem Budget seien.

Weiß der Gute nicht, dass sich selbst dann, wenn die gesamte Bankenhilfe schief gehen, also nicht zurückbezahlt werden sollte, die Staatsschuld maximal um drei Prozent erhöht? Ganz abgesehen davon, dass sowohl Raiffeisen wie Erste Bank mit großer Sicherheit die Staatshilfe zurückzahlen werden. Der Großteil des restlichen Risikos ist hingegen durch staatsnahe Banken wie insbesondere die Hypo Alpe-Adria und die staatlichen Haftungen für diese verursacht worden. Dies jener Partei ins Stammbuch, die beim Wort „Privatisierung“ den heftigsten Schüttelfrost vor lauter selbstdiagnostizierter sozialer Kälte bekommt.

Alles andere als intelligent ist auch das Verhalten der USA im Afghanistan-Krieg: Barack Obama lässt nun Tausende Truppen abziehen, obwohl es eine Halluzination sein müsste, wenn man den Krieg dort als beendet oder gar gewonnen erklärt. Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe angesichts der Rahmenbedingungen das dortige Engagement immer für einen Fehler gehalten. Aber es wird zum doppelten Fehler, wenn man so wie einst in Vietnam einfach mitten im Krieg abzieht, und damit all die gefallenen und verstümmelten Soldaten zum Opfer einer totalen Sinnlosigkeit erklärt.

All das geschieht nur, um mit besseren Karten in den nächsten amerikanischen Wahlkampf gehen zu können. Das ist vielleicht nicht unintelligent in Hinblick auf Obamas eigene Nutzenoptimierung. Aber es ist jedenfalls ziemlich beschämend.

Nächstes Beispiel an durch Populismus ersetzter Intelligenz ist die deutsche Telekom. Bei dieser sollen gerade in einem Gewaltakt drei der sieben Vorstandsposten durch Frauen besetzt werden. Das heißt nun nicht, dass Frauen im Prinzip nicht für Vorstandposten geeignet wären. Aber nach allem, was man von der deutschen Telekom hört, stand bei dieser Entscheidung zuerst fest, dass es lauter Frauen sein müssen. Statt dass man einfach den Besten sucht, ganz unabhängig vom Geschlecht.

Mit dieser Vorweg-Fixierung auf das Geschlecht reduziert man automatisch das Reservoir auf weniger als ein Viertel, in dem man nach den besten Kandidaten für den Vorstand sucht. Denn der Anteil der Frauen ist noch immer sehr überschaubar, welche die Mühen einer Managerkarriere bis zur zweiten Ebene hinauf auf sich nehmen, um dann vielleicht Vorstandschancen zu haben. Damit ist logischerweise das Risiko viermal größer, dass man nicht die optimale Lösung findet. Und selbst wenn eine der Frauen eigentlich der beste Kandidat gewesen wäre, wird ihr trotzdem unweigerlich ewig das Negativimage der Quotenfrau anhängen.

Sich dabei von irgendwelchen Frauenforschungsprofessorinnen Gutachten schreiben zu lassen, dass ein hoher Frauenanteil die Geschicke eines Unternehmens verbessert, ist nicht wirklich überzeugend. Ich habe jedenfalls genauso oft Frauen an solchen Aufgaben scheitern gesehen wie Männer. Zum Teil sehr dramatisch.

 Immerhin geht es bei der Deutschen Telekom um viel Geld von Aktionären, also überwiegend von Menschen, die damit für ihr Alter vorsorgen wollten. Machen da nicht ein paar Spitzenmanager populistische und eitle Spielchen auf Kosten dieser Aktionäre? Sie setzen dabei ja nicht eigenes Eigentum aufs Spiel. Und sie wissen genau, dass man mit solchen Spielchen am leichtesten persönlichen Applaus in den Medien bekommt.

Apropos Dummheit der Wirtschaft: Der Schwachsinn, der von so manchen Wirtschaftsführern zum Thema Gesamtschule und Migration verbreitet wird, zeigt ebenfalls, dass das Managerhirn oft nur sehr einseitig entwickelt ist.

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