Sie werden das große Thema der nächsten Wochen: die europäischen Stresstests für große Banken. Zuerst werden Gerüchte durchsickern, welches Institut den Test bestanden hat und vor allem welches das wahrscheinlich nicht hat. Dann werden sich manche Gerüchte verfestigen, manche wieder in Luft, in bloße Gerüche auflösen. Bei jedem neuen Informationsbrocken werden die Kurse reagieren. Und schließlich wird man nach Vorliegen des Ergebnisses rundum mit Beschwichtigungen, Ankündigungen oder Eigenlob um sich werfen, je nach Ergebnis.
So weit, so schon einmal dagewesen. Wir erleben wieder einmal ein großes Selbsttäuschungsmanöver der Politik beziehungsweise einen Trick zur Besänftigung der nach Sicherheit gierenden Anleger und Einleger. Denn die Stresstests vertiefen den Irrglauben, es gäbe im Wirtschafts- oder gar Geldleben irgendwo eine klare Grenzlinie zwischen hie sicher, da spekulativ. Man erinnere sich nur daran, dass Lehman Brothers, die im September 2008 so laut kollabiert und dadurch zum Auslöser (freilich nicht zur Ursache) der Finanzkrise geworden sind, deutlich bessere Eigenkapitalquoten hatten als viele Banken, die den Stresstest problemlos meistern werden.
Die Stresstests sind also eher Opium fürs Finanzvolk. Sie sind aber noch aus einem zweiten Grund problematisch: Denn sie vermehren die schon vorhandene große Vielzahl von Prüfern und Kontrolloren für Geldinstitute. Um nur die wichtigsten aufzuzählen: da gibt es die nationalen und nun auch die europäischen Finanzmarktaufseher, da gibt es die Nationalbanken, die EZB, die nationalen Finanzministerien, in manchen Fällen auch die Rechnungshöfe, die EU-Kommission, die OECD, die Aufsichtsräte jeder Bank, die Rating-Agenturen, die Bilanz-Wirtschaftsprüfer, die Analysten, die bankinternen Risiko-Management-Abteilungen, die Vorstände. Da gibt es Basel 1,2 und bald 3. Irgendwie fühlen sich auch die Medien als Inspektoren. Und – ach ja, dann gibt es noch die Eigentümer, meist Aktionäre, die in Hauptversammlungen Fragen stellen dürfen.
Manche werden meinen: Ist doch gut, doppelt hält besser, und mehrfach noch besserer. Das stimmt aber nicht, so wie es auch sprachlich kein „besserer“ gibt. Denn es ist immer dasselbe: Je mehr Kontrollen es gibt, umso häufiger entwickelt sich eines der beiden folgenden Szenarien: Entweder die Kontrollore intrigieren gegeneinander, wie etwa bei uns eine Zeitlang Nationalbank und Finanzmarktaufsicht. Oder jeder verlässt sich auf den anderen, schreibt vom anderen ab, macht genau dasselbe, was der andere schon gerechnet hat.
Das Ergebnis sind ständig steigende unproduktive Kosten (für Anleger, Kreditnehmer, Aktionäre) bei gleich guten oder schlechteren Ergebnissen, als wenn es nur einen, aber dafür wirklich voll Verantwortlichen gäbe. Denn kein einziger aus der langen Liste haftet uns künftig persönlich und automatisch mit Haus und Hof, dass es keinen neuen Fall Madoff (oder Hypo Alpe-Adria) gibt.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.
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Das Problem an den Stresstests ist nur, dass sie schlicht ein großer (Selbst-)Betrug sind.
Ich kenne keinen so genannten "Stresstest", der nicht von normalverteilter Volatilität des Marktes aus geht, und daher sind die angenommenen "Extrembewegungen" alles andere, als "extrem".
Es ist in den letzten 50 Jahren nicht nur einmal vorgekommen, dass Banken nahezu ihre gesamten Gewinne der letzten X Jahre (seit der vorangegangenen Pleite) an einem einzigen Tag verloren haben: 1987, Russland-Pleite, Mexiko-Pleite, Dot.com, 2008...
Und trotzdem werden bei den Stresstests in völlig ignoranter Weise vergangene "Extreme" (die nicht zu extrem sein dürfen, denn das sind ja Ausreißer jenseits der Standardabweichung) in die Zukunft extrapoliert werden.
Die reale Welt mit der realen Möglichkeit, dass jede Bank jeden Tag pleite gehen kann (wenn sie nicht von der Politik "gerettet" wird), ignoriert man einfach.
Stress Tests (wie auch CAPM oder die Portfoliotheorie) sind schlicht Voodoo-Rituale (Feynman würde Cargo Cult dazu sagen) um wen auch immer zu beschwichtigen und in falscher Sicherheit zu wiegen.
Stresstests sind keine Erfindung der jüngeren Zeit und schon gar nicht eine von Politikern. Wie ja Politiker überhaupt nichts erfinden, sondern nur Vorhandenes meist abgeändert, weil nicht verstanden, oder mißbräuchlich verwenden!
Stresstests werden von Banken seit Jahrzehnten in regelmäßigen Abständen, meist mehrmals im Jahr, vorgenommen. Dabei handelt es sich um ein festgesetztes Verfahren, bei dem die momentane Situation der Bank, im Falle von Extrembewegungen von Zinsen oder Währungsparitäten durchleuchtet wird.
Eine besondere Art von Stresstest, nämlich eine besonders dumme, ist die jüngste "Erfindung" des österreichischen Umweltministers Berlakowich für Atomkraftwerke!
Es bewahrheitet sich wieder einmal die alte Volksweisheit: "Viele Köche verderben den Brei" und/oder "außer Spesen nichts gewesen".
Denn trotz all dieser mehrfach abgesicherten Bankaufsichten mußten die meisten Institute während der Finanzkrise mit vielen Milliarden gestützt werden, die wirklich "faulen Eier" werden erst entdeckt, wenn "der Gestank nicht mehr zu überdecken ist" und außerdem wäre dieser seltsame "Streßtest" erst gar nicht notwendig, wenn diese fast schon unübersichtliche Anzahl an Überprüfern auch nur einen Hauch von Effizienz hätten.
Richtig, so wird dem letztendlich für das Versagen aufkommenden Steuerzahler mit neuerfundenen "Placebopillen" immer wieder Sand in die Augen gestreut, denn die echten Finanzhaie bringen ihr Schäfchen meist rechtzeitig ins Trockene.
Bleibt nur abzuwarten, wie lange sich dieses "Geldringelspiel" noch dreht?
Im Augenblick läuft eine Übertragung der Fragestunde aus dem Parlament:
Spindelegger setzt sich unter dem Applaus der Linken für eine europäische Finanztransaktionssteuer ein und verteidigt die Griechenlandhilfe.
Bravo, liebe Schwarze, nur weiter so!
Das Sedativ Bankenstresstest hat längst seine beruhigende Wirkung verloren, seitdem beim Stresstest letztes Jahr die irischen Banken mit Vorzug bestanden haben und dann gekracht sind. Das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis, Schularbeit und Berufswelt, Elfenbeinturm und Kohlenmine.
Solange aber die Zentralbanken mit ihrem liebenswert-naiven Helfersyndrom durch Quantitative-Easing-Maßnahmen und sonstigen Geldmacher-Tricks ihr Zentralbankgeld unter die Banken bringen, wird es nicht aufhören, daß immer wieder Blasen entstehen, die platzen. Und ab und zu ein paar Banken oder Staaten mitreißen. Das billige Zentralbankgeld ist die Wurzel allen Übels. Darüber können auch noch so viele Stresstests nicht hinwegtäuschen.
Mangels ausreichender eigener Kompetenz, das nationale und internationale Bankwesen sowie die weltweit grassierende Schuldenkrisen-Situation durchschauen zu können, verweise ich wieder einmal auf zwei Beiträge im heutigen Frühkurier (Seite 5):
Herbert Paierl (für mich noch immer ein potentieller Hoffnungsträger der ÖVP, so er sich wieder in die Politik einklinken wollte bzw. sollte), schreibt recht sachlich über die realistischen Möglichkeiten, wie man Griechenland helfen könnte bzw. sollte, ohne die vielfach befürchteten gravierenden Verlust-Potentiale in Kauf nehmen zu müssen.
Am Schluss seines Beitrages gibt er sowohl der Politik, als auch der internationalen Finanzwirtschaft die Schuld an der Misere:
Conclusio: "Wenn das Geld der Steuerzahler nicht reicht, wendet sich die Politik an den Finanzsektor, und dann hält er das Werkel am Laufen.
Der Finanzsektor verhält sich wie ein Drogendealer: solange es geht, gibt er. Und wenn der Tod reinschaut, kriegt er die Panik"
Der gute Steirermann abschließend: "Die Lehre aus Griechenland auch für Österreich sei:
Ein Staat müsse ohne strukturelles Dauerdefizit wirtschaften!"
Wahre Worte!
Auf der gleichen Seite im Leserforum ein Beitrag, der - ausgehend vom Griechen-Thema - ein Schlaglicht auf die Weltpolitik (auch im Hinblick auf das weltweit betriebene Schuldenmachen) wirft, und zwar auf die wirtschafts- und finanzpolitischen Machtverschiebungen zwischen den USA und China bereits derzeit und in näherer Zukunft:
Ausspruch eines sehr guten deutschen Kabarettisten:
"die USA ist Griechenland für die Chinesen" !!!
Weit haben wir es gebracht, wir Westler !!??!!
Wie so oft am Donnerstag eine Fernsehkritik: Club 2 gestern abend war nicht zum Aushalten. Nach 15 Minuten ausgeschaltet. Da saßen nur irgendwelche Frauen, man war sich sehr schnell einig dass der "Boulevard" (mit Abscheu ausgesprochen) behauptet "die fleißigen Deutschen" würden den "faulen Griechen" Geld nachwerfen (haha, was für eine banale Weltsicht). Man hat weiters schnell Konsens gefunden, dass wenn die vielen Reichen in Österreich endlich auch etwas beitragen würden, dann wäre alles viel besser. Das war dann der Moment wo ich abgedreht habe. Warum tu ich mir das noch jede Woche an?