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Europa beschädigt sich selbst – und nicht die Rating-Agenturen

Der Europäische Rat am Wochenende ist ohne sonderliche Entscheidungen zu Ende gegangen. Die neuerliche Griechenland-Hilfe ist zwar wieder ein Stück näher gerückt, aber die konkrete Schmutzarbeit für diese Geldverbrennungsaktion müssen noch die Finanzminister erledigen – und das griechische Parlament. Dazu waren sich die Regierungschefs zu gut. Im Schatten des Gipfels ist die EU aber an einer scheinbar anderen Front in einen weiteren überflüssigen Krieg gezogen, den sie aber am Ende ebensowenig gewinnen kann wie den Kampf um eine schmerzfreie Sanierung Griechenlands.

Sie hat nämlich den Rating-Agenturen den Fehdehandschuh hingeworfen. Das ist fast ein rührendes Unterfangen, wären die Folgen nicht so katastrophal.

Zugeben muss man freilich, dass die von den europäischen Spin-Doctoren dazu verbreitete Story gut klingt: Die bösen amerikanischen Agenturen schaden bewusst Europa, indem sie europäische Schulden als zunehmend wacklig bewerten. Wären nicht diese Agenturen, bekämen die Griechen viel billiger Geld geliehen und Europa hätte keine Sorgen. Daher müsse jetzt an die Stelle der drei Amerikaner eine europäische Agentur treten.

Soweit die europäische Märchenstunde.

Das einzige, was wahr daran ist: Die Agenturen sind vor der Finanzkrise tatsächlich ziemlich falsch gelegen. Sie haben Schuldnern, die kurz darauf – der Insolvenz nahe – teuer gerettet werden mussten, zu gute Noten gegeben. Dafür wurden sie zu Recht viel gescholten. Sie waren auch lange in Sachen Griechenland &Co viel zu optimistisch, weil auch sie den Euro ein wenig für eine Wunderdroge hielten, die jedes Problem wegspült.

Angesichts dieser bösen Erfahrungen schauen sich die nervös gewordenen Agenturen nun umso genauer und kritischer alle Großschuldner an. Das hat vielen Schuldnern Probleme mit ihren Ratings verschafft.

Ein Rating ist nichts anderes als eine subjektive Schätzung von Experten, wie kreditwürdig jemand ist, also wie wahrscheinlich es ist, dass ein Gläubiger sein Geld samt allen Zinsen voll und pünktlich zurückbekommt. Da es dabei immer um die Zukunft geht, werden Irrtümer stets möglich sein. Man muss aber schon mehr als blind sein, um zu glauben, dass Europas und Griechenlands Probleme von den Agenturen verursacht und nicht selbstverschuldet sind.

Inzwischen schauen sich nämlich alle Geldverleiher auch selbst sehr genau und ständig die volkswirtschaftlichen Daten jedes einzelnen Landes an. Das Ergebnis dieser Kontrolle ist etwa im Falle Griechenlands eindeutig: Staatsverschuldung wie die Höhe der Defizite machen es total unwahrscheinlich, dass die Griechen ihre Schulden jemals voll begleichen können. Dass also jetzt nichts anderes als Konkursverschleppung passiert. Das wissen die Geldverleiher und Analysten von Banken oder Versicherungen selbst genauso wie die Agenturen.

Es ist nur ein weiterer selbstbeschädigender Akt der EU, wenn sie dennoch anstelle mutiger Gewissenserforschung und Ehrlichkeit jetzt den Spiegel attackiert, der halt ein sehr hässliches Bild von der Stabilität vieler Staaten zeigt. Das macht primär die EU unglaubwürdig, und nicht die Agenturen.

Denn es gibt keinen einzigen Beweis, dass die Agenturen aus bösem Willen oder gar mit krimineller Energie falsche Gutachten erstellt hätten. Sonst hätte man die Verantwortlichen längst anklagen können. Die Agenturen waren nur lange viel zu gutgläubig gewesen. Sie hatten Euro-Staaten irrtümlicherweise zu lange für unsinkbare Schiffe gehalten.

Die drei dominierenden Rating-Agenturen sind jedoch keineswegs amerikanische Agenten, wie nun oft behauptet wird. Das zeigt sich daran, dass eine von ihnen eigentlich britisch ist. Das zeigt sich besonders an der Tatsache, dass sie neuerdings auch eine Verschlechterung des US-amerikanischen Ratings ankündigen. Was in Washington logischerweise wenig Begeisterung auslöst, aber in der Sache genauso legitim ist wie die schlechten Noten für Athen.

Natürlich spricht nichts dagegen, dass an die Seite der großen Drei auch eine europäische Rating-Agentur tritt. Nur: Der Aufbau einer solchen Agentur braucht erstens viele Jahre, hilft also in der akuten Krise gar nichts. Und zweitens braucht jede Bewertungs-Agentur viererlei: Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen und viel Knowhow.

Ist schon das Knowhow schwierig zu erwerben, so ist es angesichts dieser Vorgeschichte für eine europäische Agentur fast unmöglich, Vertrauen zu bekommen. Die Vorgänge der letzten Tage lassen nur noch Narren eine solche Neuschöpfung für glaubwürdig halten.

Wer bitte soll sonst einer neuen Agentur Glauben schenken, die auf massiven Wunsch von Regierungen und EU-Behörden geschaffen wird? Wer soll einer Agentur glauben, die von den zu Bewertenden selbst initiiert worden ist? Was heißt es, wenn sich ein deutsches Bundesland sogar direkt an der Europa-Agentur beteiligen soll? Wer wird auf Grund solcher Ratschläge sein Geld leichtfertig investieren? Ja, noch viel stärker: Muss nicht jeder vor dem Strafrichter landen, der auf Grund solcher Ratschläge fremdes Geld verborgt?

Kleiner Einschub: Der Wunsch, dass sich die Kritisierten selbst die Zensuren schreiben oder dass sie diese zumindest beeinflussen können, ist weit verbreitet. Das ist bei Schülern wie bei Angeklagten der Fall. Das gibt es ebenso in der Kulturwelt. So hat das Wiener Staatsopernballett vor Jahren eine von mir geleitete Zeitung wegen schlechter Rezensionen sogar geklagt. Es ist damit natürlich fürchterlich eingegangen. Aber selbst wenn die Richter der Klage Recht gegeben hätten, werden Kritiken, die den Wünschen der Kritisierten entsprechen, seltsamerweise von den Lesern wenig geschätzt. Und die sind für eine Zeitung noch wichtiger als ein Richter. Zumindest waren sie das in der Vergangenheit. Neuerdings sind ja dort die Inserenten und „Kooperationspartner“ viel wichtiger, die sich mit genügend Bargeld sehr freundliche Berichte über ihre Veranstaltungen kaufen können. Oder über ihre Firmen. Oder ihre Partei.

Der primäre Adressat von Urteilen der Rating-Agenturen sind die Geldanleger. Sobald diese auch nur den kleinsten Verdacht hegen, dass ein Ratgeber vom Objekt der Beurteilung beeinflusst oder gar abhängig ist, werden professionelle Anleger keine Sekunde mehr auf dessen Einschätzungen hören.

Daran ändert das Wissen nichts, dass jede Agentur notgedrungen nur fehlerhaft arbeitet. Denn über die Zukunft kann eben nicht Exaktes gesagt werden. Aber solange die drei Agenturen von den Anlegern als unabhängig eingeschätzt werden, wird ihnen mehr Vertrauen entgegengebracht als einer europäischen. Daher kann sich Europa das Geld für eine eigene Agentur gleich ersparen.

Das Image der noch gar nicht geborenen Euro-Agentur ist nämlich schon vor ihrer Geburtsstunde extrem schlecht. Haben sich doch die EU-Europäer sogar zu massiven Drohungen gegen die etablierten Agenturen verstiegen. Den Agenturen wurde der Entzug der Lizenz in Aussicht gestellt, wenn sie sich nicht den EU-Spielregeln unterwerfen. Diese Drohungen waren ein weiterer katastrophaler Fehler der EU.

Diese Drohungen werden chinesische, indische und andere neureiche Asiaten, aber auch amerikanische Pensionsfonds sowie Schweizer Lebensversicherungen dreimal nachdenken lassen, bevor sie irgendwem in Europa wieder Geld leihen. Die Genannten haben zwar alle viel Geld zu investieren, sie sind deswegen aber nicht schwachsinnig. Selbst die europäischen Sparer werden um EU-Staatsanleihen einen immer weiteren Bogen machen, wenn es keine Gutachten unabhängiger Agenturen über diese Papiere mehr geben darf, sondern nur noch die aus dem europäischen Eigenbau.

Die Rating-Agenturen haben einfach recht mit ihrem Urteil über Griechenland. Sie haben auch recht mit ihrem Urteil über den Druck der EU-Regierungen, welche die Banken neuerdings zwingen wollen, „freiwillig“ die Kreditlinien für Griechenland über den vereinbarten Zeitpunkt hinaus zu verlängern. Die EU-Regierungen begreifen in ihrer Verzweiflung nicht, dass „freiwillig“ anderswo wirklich noch als „freiwillig“ verstanden wird. Und dass von Regierungen angeordnete Freiwilligkeit anderswo als Zwang verstanden wird. Nur weil Faymann, Fekter &Co jetzt dauern von Freiwilligkeit reden, wird dennoch niemand freiwillig Geld spenden.

Die Linie der Rating-Agenturen ist klar: Wenn geschuldetes Geld nicht zum vereinbarten Datum zurückgezahlt wird, ist das ein Zahlungsausfall. Denn kein Gläubiger verzichtet normalerweise freiwillig auf sein Recht – es sei denn, er ist unter Druck, oder er bekommt eine andersgeartete Gegenleistung. Aber die Banken wissen genau: In der nächsten großen Wirtschaftsturbulenz – einige Monate oder Jahre später – werden sie für das, was die Regierungen jetzt von ihnen wollen, von denselben Regierungen wieder Spekulanten genannt werden.

Natürlich ist klar, dass ein solcher Zahlungsausfall Griechenlands Folgewirkungen hat. Sehr unangenehme sogar. Alle Banken, die griechische Papiere in nennenswertem Umfang besitzen, werden schlagartig selbst an Kreditwürdigkeit verlieren, das gilt insbesondere für die Europäische Zentralbank. Aber auch alle anderen europäischen Staaten werden ab dann von internationalen Geldverleihern sehr kritisch beäugt werden; denn jetzt weiß der internationale Markt, dass ein Euro-Land sehr wohl eingehen kann. Kreditausfallsversicherungen werden schlagend, was auch für manche Versicherungen lebensgefährlich ist. Was weitere Dominosteine umfallen lassen wird.

Das alles passiert aber erst recht dann, wenn die EU die drei großen Agenturen aus Europa hinauswerfen sollte. Dann handelt sie genauso wie Diktatoren, die internationale Wahlbeobachter hinauswerfen, um nur ja keine Zeugen ihrer Wahlmanipulationen im Land zu haben.

Faktum ist: Europa verschlechtert durch seine schweren Fehler seine eigene Kreditwürdigkeit massiv. Das wird bei den nächsten Jahren wohl auch alle Regierungen hinwegfegen, die da mittun.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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