Die tödliche Unsicherheit
09. Juni 2011 00:03
2011-06-09 00:03:00
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 2:30
An den Turbulenzen auf den Finanzmärkten ist ein Aspekt besonders schlimm – und den Akteuren zuwenig bewusst: die absolute Ungewissheit der bevorstehenden politischen Entscheidungen. Dabei braucht jedes wirtschaftliche Handeln sichere Rahmenbedingungen dringender als alles andere.
Investitionen wie Kreditaufnahmen sind nur dann rational möglich, wenn das Verhalten von Staaten und Notenbanken vorhersehbar ist. Und das ist es in Europa keineswegs. Bekanntestes Beispiel für falsche Behauptungen von Notenbanken, Regierungen und EU-Instanzen sind die regelmäßigen Beteuerungen, dass Griechenland/Irland/Portugal/(und wieder)Griechenland keine Sonderhilfe benötigen. Was dann wenige Wochen später jeweils anders war. Wer soll da heute noch den fast bis auf den Buchstaben gleichlautenden Beteuerungen in Hinblick auf Spanien und Italien glauben?
Das führt Banken wie Versicherungen in ein unlösbares Dilemma. Sie stehen nämlich vor der Frage: Soll und darf man das Geld der Anleger, Sparer und Lebensversicherten nun in einem der genannten Länder anlegen oder nicht? Legen sie dort im Vertrauen auf die Aussagen der Politik und Notenbanken Geld an, aber eines jener Länder wird dann doch fallengelassen (oder gar mehrere), dann sind manche Finanzinstitute selber in Lebensgefahr. Zumindest werden sie in jedem Fall erneut als böse Spekulanten an den Pranger gestellt, die in Junk-Papiere investiert hätten.
Legen sie hingegen in den Wackelländern – zu denen Skeptiker übrigens auch schon Frankreich rechnen – nicht an, dann hat das zwei andere Folgen: Makroökonomisch könnten dadurch diese Länder erst recht ins Schleudern kommen, wenn sie kein Geld mehr bekommen. Überstehen die Krisenländer aber ihre Solvenzprobleme, dann haben sich die vorsichtigen Banken und Versicherungen selbst schwer und ohne Nutzen geschädigt. Sie verlieren dramatische Marktanteile, weil sie zum Unterschied von der Konkurrenz ihren Kunden nicht die hohen Zinserträge südeuropäischer Anleihen verschafft haben. Banken, die Anlegern wegen ihrer vorsichtigen Veranlagung niedrige Zinsen zahlen, Lebensversicherungen, die deswegen geringe Gewinnbeteiligungen erzielen, haben bald keine Kunden mehr.
Dabei ist derzeit sehr viel Geld zu veranlagen. Viele Fonds und insbesondere Versicherungen sind überdies rechtlich verpflichtet, einen Teil nur in Staatspapieren zu veranlagen. Deutschland aber legt gar nicht so viele Anleihen auf, wie es als derzeit relativ sicherster Platz Europas könnte. Was den Deutschen wieder sehr niedrige Zinssätze ermöglicht. Was wiederum manche Anleger zu spekulativen Papieren greifen lässt.
Das alles ist eine tödliche Spirale. Und sie würde nur gebrochen, könnte man den Aussagen von Finanzministern, Regierungs- und Notenbankchefs wieder vertrauen. Was man aber nur noch als Coniunctivus Irrealis sagen kann.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.
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Herr Unterberger schreibt heute richtig: "Investitionen wie Kreditaufnahmen sind nur dann rational möglich, wenn das Verhalten von Staaten und Notenbanken vorhersehbar ist."
In meinem Hauptbeitrag zu "Die Brandstifter als Feuerlöscher" vom 7. Juni habe ich darzulegen versucht, dass ...
... in dieser Welt nichts vorhersehbar ist;
... dass keinerlei Entscheidung von (politischer oder ökonomischer) Relevanz nach der von uns Menschen fälschlicherweise so hoch geschätzten Vernunft getroffen wird.
Die derzeitigen Manager - und ich subsumiere hier unter diesem Begriff alle Menschen, denen politische oder wirtschaftliche Macht übertragen wurde - mögen so sein, wie sie wollen (verlogen, korrupt, blöd, feig, etc., chacun à son goût) treffen ihre Entscheidungen nach einer (ebenfalls im genannten Beitrag skizzierten) Strategie von "Nah vor Fern", d.h. das eigene Interesse zuerst, die ihnen unbegreifbare "Gesellschaft" zuletzt.
Ich muss leider zu wiederholtem Male darauf hinweisen, dass diese Manager aus einem anderen Blickwinkel viel rationaler handeln als "wir", das Volk bzw. die Gesellschaft. Wo sind denn diese Manager entsprungen, wenn nicht aus unserem Volk, waren diese Manager nicht kleine Kinder, die am liebsten Fußball und bei Regen (damals noch) mit ihrer Eisenbahn gespielt haben? Haben wir diese Kinder nicht mehrheitlich in dieselben Schulen geschickt? Waren die Eltern nicht mehr oder weniger aus dem gleichen Holz?
Irgendwann zwischen dem Aufräumen des Bombenschutts aus dem Zweiten Weltkrieg und dem EU-Vertrag von Nizza (2001/2003) haben wir da ein paar Weichen falsch gestellt und sind wahrscheinlich zu schnell gefahren. Vielleicht waren ja unsere (also zumindest meine und die unseres werten Wertkonservativen) Eltern zu sehr mit dem Wegräumen der "Kriegserinnerungen" beschäftigt und haben sich zu wenig um ihre Kinder gekümmert (für die der Krieg möglicherweise auch zu wenig Väter übriggelassen hat). Jedenfalls haben diese Kinder - schon auf einem gewissen "Low-Level-Wohlstand" - die 68er gezeugt. Und die waren das erste deutliche Signal, dass da etwas gründlich schief läuft.
Aber wie immer erkennt man die Zeichen der Zeit erst, wenn diese Zeit Vergangenheit geworden ist.
Den theoriebesoffenen 68ern, die schon das Gehorsamsprinzip gegenüber ihren Eltern erfolgreich gebrochen hatten, folgten Generationen die in zunehmendem Maße gegen gesellschaftliche, moralische und politische Prinzipien anrannten bis wir uns - heute - mit Zuständen höchster Zufälligkeit und Beliebigkeit konfrontiert sehen. Denn das, was Ordnung schafft, nämlich die Tradierung von Anständigkeit, Fleiß und Fairness auf allen Ebenen der Gesellschaft funktioniert nicht mehr und wir haben den Managern und sogar solchen Popanzen wie den Herren Faymann, Darabos und Pilz gestattet, uns eine Eugenspieglei nach der anderen zu servieren - und wir haben diese dank der Mithilfe gewisser Medien auch noch "gefressen".
Und selbstverständlich wird die konsequente Fortsetzung dieses Weges (mit all ihren unkontrollierbaren Seitenpfaden wie Kapitalverkehr, Bevölkerungsdynamik, Migration, technischer Wandel, etc. zum Crash führen. Aber aufhalten ließe sich diese Entwicklung weder durch einzelne politische Parteien, durch eine "vereinigte Rechte", noch durch den "starken Mann" an der Spitze sondern einzig und allein durch uns, das "Volk", von dem alles Recht ausgeht - falls wir noch wüssten, was "Recht" ist und wie der zum Mast- bzw. Schlachtschwein verhaustierte Cytoyen des 3. Jahrtausends wieder zum Citoyen werden könnte.
Überflüssig zu sagen, dass letzterer Fall nicht eintreten wird!
Wie schon einmal erwähnt, scheint dieses Lavrieren nicht auf Entscheidungsunwillen der zuständigen Akteure zu beruhen, sondern viel mehr auf bewußtes "hinters Licht führen" bzw. spielen auf Zeit.
Man versucht halt die drohenden Verluste auf möglichst breite Basis zu stellen und risikofreudigere Investoren abzuzocken, die man dann als "gierig" an den Pranger stellen kann.
Nicht umsonst werden jetzt schon erste Stimmen laut, die Banken am griechischen Staatsbankrott zu beteiligen und als nächstes kommt der Privatanleger dran, der seinerzeit für 1 bis 2 Prozent mehr auf damals sichere Staatsanleihen setzte, jedoch nun zittern muß, ob er sein eingesetztes Kapital jemals wieder sieht.
Das ist tatsächlich für ganz Europa tödlich, weil niemand mehr Staatsanleihen für ein EU-Land zeichnen wird und schon gar nicht für Kandidaten wie Portugal, Spanien, Belgien, Italien, Frankreich sprich also bald für halb Europa!
Den Schaden nimmt man offensichtlich bewußt in Kauf, er ist noch gar nicht wirklich abzuschätzen und könnte in Zukunft von keinem noch so cleveren Politiker beherrscht werden.
Ob da die Flucht in Gold, Immobilien o.ä., welche bereits in schwindelnde Höhen steigen, als Heilmittel der Stunde gilt?
Die staatlichen Maßnahmen werden immer willkürlicher, und das mit zunehmender Geschwindigkeit. Willkür ist das Gegenteil von Recht!
Willkürliche Staaten verbreiten Unsicherheit, wo Unsicherheit herrscht, wächst nichts mehr!
Basel III schreibt vor, daß Banken bei Kreditvergabe an Unternehmen mehr Eigenkapital (also nicht arbeitendes Geld) hinterlegen müssen als wenn sie Staatsanleihen kaufen würden, wie zum Beispiel griechische. Das war Treichels Aufschrei!
Solvency, (das Versicherungsprogramm wie Basel für Banken) schreibt vor, daß Versicherungen bei Veranlagungen mit Aktien mehr Eigenkapital hinterlegen müssen, als beim Kauf von Staatsanleihen, wie zum Beispiel griechische. Versicherungsdirektoren sind sehr ruhige, besonnene Mathematiker, daher kein Aufschrei!
Es scheint doch tatsächlich in allen Ländern Politiker zu geben, die noch ernsthaft an das perpetuum mobile glauben, oder sind das ganz einfach nur Räuber?
Unser verehrter Dr. Unterberger kommentiert nun seit längerem fast täglich die zu erwartenden Turbulenzen, Blasen und schlussendlich wahrscheinlich dramatischen Folgen der diversen Finanzkrisen in Europa und weltweit.
Etliche unserer oft fachlich hochqualifizierten und gutinformierten Poster schreiben viel Kluges zum Thema, was an der ganzen Situation - weil unglaublich komplex - natürlich gar nichts ändern kann und wird: wenn schon die Staats- und Wirtschaftsleute in aller Welt eigentlich nurmehr hilflos dahinlavieren und dem kommenden Unheil keine wirksamen Gegenmaßnahmen entgegenzusetzen imstande sind, was hilft uns armen Normalverbraucher-Würsteln da das viele Herumreden um schicksalhafte Entwicklungen, die inzwischen außer Kontrolle zu geraten drohen?
Wer Geld und Besitz hat, möge diese Werte bestmöglich für sich und seine Nachkommen absichern; wer - wie die meisten - von der Hand in den Mund lebt, wird schauen müssen, wie er im Katastrophenfall einigermaßen menschenwürdig über die Runden kommt.
Wollen wir hoffen, dass es nicht gar so arg kommen wird, wie prophezeit!
Die "Griesen" (Krise in Anlehnung an Griechen) sind ein schlaues Völkchen. Von jeher wirtschaftlich benachteiligt, haben Sie ihren Wohlstand in anderen Ländern, damals Kolonien (heute EU) gefunden.
Täglich bekommen wir Zeichen geliefert, die erkannt werden sollten, dass Systeme ohne Sollbruchstellen nicht dauerhaft funktionieren können. Dieses Nichterkennen und Nichtakzeptieren - aus welchen Gründen auch immer - lassen Krisen und Zusammenbrüchen atombombenhaft werden.
Groß, groß, größer bricht, wenn das Fundament nicht passt. Ein Naturgesetz.
Die Gier und das Verlangen nach absoluter und ewiger Macht treibt die "Eliten" immer näher an den Abgrund, je hoffnungsloser desto größer die Abschottung vor den Realitäten. Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an.
...könnte man den Aussagen von Finanzministern, Regierungs- und Notenbankchefs wieder vertrauen.
Nein, diesen Leuten kann und darf man nicht vertrauen! Denn diese Personen belügen uns bewusst durch Zweckoptimismus.