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Ein Besessener der Macht: Hans Dichand und die Nachkriegsgeschichte

Hans Dichand zählt zusammen mit Gerd Bacher, Otto Schulmeister, Franz Kreuzer und Hugo Portisch zu den wichtigsten Persönlichkeiten der österreichischen Mediengeschichte. Sie haben das Nachkriegs-Österreich entscheidend geprägt. Misst man die Bedeutung eines Medienmannes an Hand des Bilanzerfolges (die Kronenzeitung wird heute auf 400 Millionen Euro geschätzt), der Marktanteile, aber auch der ausgelösten Emotionen, dann war Dichand sogar der allergrößte. Auch wenn in den letzten Jahren die Leserzahl seiner Kronenzeitung ein wenig schrumpfte, so liegt sie doch immer noch bei fast 40 Prozent, was einen Langzeit-Weltrekord darstellt. Und das ist vor allem deshalb imponierend, weil weltweit die Auflagen von Boulevard-Zeitungen steil sinken.

Wer Hans Dichand begegnete, war erstaunt über die bescheidene Freundlichkeit des Mannes, die im deutlichen Kontrast zur offenen Präpotenz anderer Verleger stand. Ich selbst bin mit ihm in meinem Jahrzehnt als „Presse“-Chefredakteur mehrfach zusammengetroffen: Hatte er doch bis wenige Jahre vor seinem Tod begehrlich auf die „Presse“ geblickt. Jedoch vergeblich. Es ist müßig, heute noch über ein „Was wäre wenn“ zu spekulieren. Sicher ist, dass Dichand aus der „Presse“ kein Boulevardblatt gemacht hätte. Ebenso sicher ist, dass er der Redaktion keine lange Leine gegönnt hätte – die eine Qualitätszeitung bei der gleichzeitigen Notwendigkeit einer starken Führung aber braucht.

Für Dichand war Zeitungsmachen immer auch Politikmachen. Er befand sich nicht im Vorhof der Macht, wie er es schein-demütig, fast kokett verkündete. Er war vielmehr ein Besessener der Macht, der es liebte, wenn die Akteure auf der Bühne der Macht an seinen Fäden hingen.

Dichand wusste um die entscheidende Macht des Eigentums an einer Zeitung. Nur als journalistischer Eigentümer kann man erfolgreich und ungehindert Zeitung machen. Das hat Dichand in seiner Chefredakteurszeit beim „Kurier“ (der ja langfristig nicht zuletzt auf Grund vieler Eigentümer-Wechsel und -Fehler der kontinuierlichste Verlierer auf dem Markt ist) Ende der 50er Jahre schmerzhaft lernen müssen. Folglich haben in den letzten 60 Jahren auch immer nur Journalisten als Eigentümer den Start einer neuen Tageszeitung geschafft, Managern fehlte hingegen Leidenschaft wie Gespür. Diese reüssierten nur bei jenen Blättern, die schon unmittelbar nach dem Krieg durch die Besatzungsmächte die ersten monopolartigen Lizenzen zum Gelddrucken, pardon: Zeitungsdrucken erhalten haben.

Neben Dichand gründeten nur die Moldens, Oscar Bronner, Wolfgang Fellner und die Eigentümer der Gratiszeitung „Heute“ mit einigem Erfolg Zeitungen. „Heute“ ist ein ganz spezieller Fall: Zeitungs-Eigentümer dürfen sich in Österreich ganz legal in einer anonymen Treuhandkonstruktion verstecken, was juristisch, demokratie- und medienpolitisch angesichts der Macht von Medien ein ziemlicher Skandal ist. Dennoch scheint sicher, dass es sich bei „Heute“ um ein Joint venture handelt, das aus dem Vermögen der Familie Dichand und aus Geldern finanziert wird, über welche die Wiener SPÖ in der Zeit Werner Faymanns als Baustadtrat verfügen konnte.

Dass Hans Dichand die Kronenzeitung nur mit Hilfe von unerlaubt verpfändetem Gewerkschaftsgeld gründen konnte, steht freilich auf einem anderen Blatt. Das brachte Franz Olah sogar ins Gefängnis – nicht jedoch Dichand selber. Dieser musste jedoch deswegen später einen mörderischen Kampf mit Justiz und ÖGB um die Kontrolle der Zeitung durchstehen, den er wohl nur mit Hilfe seines starken Zugs zur Macht überlebte.

Dichand war nie mehr als Hälfte-Eigentümer der Kronenzeitung. Es gelang ihm aber erstaunlicherweise immer, die fast alleinige Kontrolle auszuüben. Er konnte zuerst seinen Gründungspartner Kurt Falk in einem mörderischen Ringen aus der Zeitung drängen. Falk war eine schwierige Persönlichkeit, aber ein Marketing-Genie. Falk steigerte mit großen Gewinnspielen, bei denen es Autos und Häuser zu gewinnen gab, massiv die Auflage der Krone.

Später gelang es Dichand die Mitsprache der großen deutschen Verlagsgruppe WAZ, die nächster Hälfteeigentümer wurde, auf ein Minimum zu reduzieren. Was im Wirtschaftsleben sehr ungewöhnlich ist.

Grenzenloser Wille zur Macht

Dichands lange und erbitterte Kämpfe mit Falk und WAZ zeigten, wie grenzenlos sein Wille zu Macht und Erfolg war. Über seinen Zwist mit der WAZ sagte er damals selber: „Aus so etwas kann sich ein richtiger Krieg entwickeln. Wenn wir so weitermachen, kann das so enden wie in verschiedenen Shakespeare-Stücken, dass auf der Bühne nur noch Tote liegen.“

Sendungsbewusstsein war Dichand jedoch eher fremd – obwohl ihm viele seiner Kritiker immer wieder düstere politische Motive unterstellten. An der Politik interessierten ihn vor allem die Personen; er versuchte dort, wie ein mächtiger Filmproduzent über die Rollenbesetzungen zu entscheiden. Wirtschaft oder gesellschaftliche Probleme interessierten ihn hingegen kaum – es sei denn, sein eigenes Vermögen oder die Zeitung waren unmittelbar betroffen.

Das heißt freilich nicht, dass Dichand ideologisch ein Neutrum war. Kontinuierlich für das Blatt prägend waren (wohl nicht nur wegen der damit ansprechbaren Lesermassen) etwa seine Tierliebe und seine Abneigung gegen Atomkraftwerke. Dementsprechend ließ die Zeitung bei der Katastrophe von Tschernobyl gleich Millionen umkommen, obwohl die seriösen Zahlen von einigen Hundert Todesopfern und sogar die Atomgegner nur von einigen Tausend sprechen. Bei aller (gegenseitigen) Abneigung gegenüber den Grünen war er ein begeisterter Unterstützer grüner Kampagnen, er war, wenn man so will, ein konservativer Umweltschützer.

Wie jedes Boulevardblatt trommelte Dichands Krone einen intensiven Patriotismus, nicht nur auf den Sportseiten. Dichand war sich aber im Gegensatz zu anderen Wiener Zeitungen bei seinem Patriotismus bewusst, dass zu Österreich auch der bäuerlich geprägte Teil gehört, den er daher immer pflegte. Das hängt auch damit zusammen, dass sich einer seiner Söhne als Alternativbauer versuchte. Auch der Dichand oft bereitwillig zur Verfügung stehende Josef Pröll präsentierte als Landwirtschaftsminister gemeinsam mit der Krone ein „Bauernmanifest“.

Absolute Spitze war die Krone immer in der Kriminalberichterstattung; bei spektakulären Verbrechen hängte sie die Konkurrenz um Meilen ab. Dabei scherte sie sich freilich kaum um das Verbot von Vorverurteilungen oder um den Schutz der Privatsphäre unschuldiger Beteiligter oder Angehöriger.

Ein Redakteur der Kronenzeitung räumte einmal im Gespräch mit dem Autor ein, dass er fast jeden Politiker attackieren dürfe, nur nicht den jeweiligen Innenminister. Denn sonst wäre die Krone von ihrer erstklassigen Versorgung mit Informationen aus dem Polizeiapparat abgeschnitten worden. Im Jahr 2010 änderte sich dies allerdings: Maria Fekter wurde mehrfach vehement angegriffen. Offenbar hat sie es gewagt, die Bevorzugung der Krone durch Exklusivinformationen zu beenden.

Werte waren nicht sehr wichtig

In Dichands selbstverfassten Texten begegnete man immer wieder dem autobiographischen Rückblick auf seine eigenen Soldatenjahre und seine bitterarme Kindheit (die übrigens wohl die beste psychologische Erklärung für seine gewaltige Aufstiegs- und Macht-Energie war). Über die Details der vielen Zeitungskriege, Machtkämpfe und Intrigen rund um die Kronenzeitung äußerte er sich hingegen nur sporadisch und bruchstückweise. Sodass wohl die ganze Geschichte der Nachkriegs-Medien über den von Fritz Molden beschriebenen Teil hinaus nie bekannt werden dürfte. Da ja auch Kurt Falk nie wirklich ausgepackt hat; da weder Otto Schulmeister noch Kurt Falk Memoiren verfasst haben; da weder Gerd Bacher noch Hugo Portisch, weder Richard Nimmerrichter noch Friedrich Dragon dazu bereit zu sein scheinen.

Wenig wichtig waren Dichand konservative Werte wie Leistung, Kinder oder Familie – obwohl er selbst dreifacher Vater war. Einen großen Stellenwert hatten für ihn hingegen stets die Pin-up-Abbildungen attraktiver Frauen. Junge Schönheiten schätzte und förderte er aber auch bis ins hohe Alter ganz persönlich.

Von einem gewissen Zynismus geprägt war seine Haltung gegenüber der Kirche: Er schmückte sein Blatt zwar mit einer regelmäßigen Kolumne des Wiener Kardinals und verzichtete auf die bei vielen anderen Medien üblichen Attacken auf die Kirche. Das hinderte ihn aber nicht daran, sein Blatt täglich mit vielen umsatzfördernden Inseraten aus dem Prostitutionsmilieu zu füllen, was auch eine Förderung des von der Kirche immer vehement bekämpften Menschenhandels bedeutete.

Dennoch konnte die Familie Dichand bei seinem Requiem den Stephansdom wie ihr Privateigentum benutzen. Im Gegensatz zu sonstigen prominenten Gottesdiensten, wo sich Kameraleute wie bei einem Seitenblicke-Event frei bewegen und Menschen sogar beim Kommunionempfang filmen dürfen, wurde für Dichand der Großteil des Doms – obwohl alle Spitzen der Republik anwesend waren – von Sicherheitsleuten hermetisch abgesperrt, die für eine totale Abschirmung der Familie sorgten. Was dieser zu gönnen war – aber allen anderen Messbesuchern sonst nicht gegönnt wird.

Ganz wichtig war für Dichand – weniger für seine Zeitung – die Kunst. Er besitzt eine sagenumwobene und nie vollständig gezeigte Sammlung. Von dieser befindet sich ein großer Teil im Ausland und wird wohl aus steuerlichen und rechtlichen Gründen nie nach Österreich gebracht. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Jugendstilkunst – bei deren Erwerb er vom großen Experten und Sammlerkollegen Rudolf Leopold intensiv unterstützt worden ist.

Neben der Kronenzeitung gab es auch noch andere wichtige Kapitel in Dichands Leben, die aber alle letztlich im Schatten des Krone-Erfolgs blieben: Seine ersten journalistischen Jahre bei „Murtaler Zeitung“, „Kleine Zeitung“ und „Kurier“, wo er schon bald Chefredakteursaufgaben erfüllte; die Gründung der ersten Gratiszeitung „U-Express“; das erste bundesweit agierende Privatradio „Kronehit“; der ebenfalls erfolgreiche Internet-Auftritt der Krone; und last not least „Heute“. Am Erfolg dieser Gratiszeitung war Dichand ganz eindeutig interessiert: Er bekämpfte „Heute“ nicht als Konkurrenz – wie er es etwa bei der weit weniger erfolgreichen Fellner-Zeitung tat –, sondern förderte das Blatt in mehrfacher Form. Er tat dies etwa durch Übernahme der teuren Farbbeilage „Live“ von „Heute“ in die Krone. Seine bei „Heute“ als Geschäftsführer tätige und von ihm geschätzte Schwiegertochter hat in dieser Zeit der Kronenzeitung auch journalistisch zugearbeitet, wie der Autor selbst einmal als Augen- und Ohrenzeuge beobachten konnte.

Journalistisches Vakuum

Auf den ersten Blick überraschend ist, dass aus der Kronenzeitung keine neuen Spitzenjournalisten hervorgegangen sind. Friedrich Dragon konstatierte im „Extradienst“ sogar einen „Wettstreit des Anbiederns“ unter den Krone-Journalisten: „Einige Redakteure wissen ja nicht, was dem Herrn Dichand gerade gefällt. Daher übertreiben manche hemmungslos.“

Dieses journalistische Vakuum wirft neben der Teilung des Eigentums zwischen WAZ und Familie Dichand ein großes Fragezeichen über die Zukunft des Blattes. Die Zeitung war nur durch Persönlichkeiten jener Generation groß geworden, die Dichand in der Anfangszeit aus anderen Zeitungen geholt oder mitgebracht hat. Ansonsten lebte die Kronenzeitung vor allem von der exzellenten Hauszustellung und einer guten Marketingmaschine.

Das Heranziehen neuer journalistischer Talente war schon deshalb nicht Dichands Stärke, weil er dazu ja ein Stück seiner eigenen Macht abgeben hätte müssen.

Wer in der Krone schrieb, kannte seine engen Grenzen und war dann vom Chef beschützt und finanziell gut abgesichert. Wer sich aber des öfteren eigenständiges Denken erlaubte oder gar im Verdacht stand, mit einem Feind Dichands zu harmonieren – der war bald und brutal draußen. Das galt später auch für jene Journalisten, die neben Dichand für den Erfolg in den Jahrzehnten des Aufstiegs entscheidend waren: etwa für Richard Nimmerrichter, den begabten, populistisch-aggressiven Kolumnisten, für Michael Kuhn, den langjährigen Sportstar und späteren Chefredakteur, oder für Friedrich Dragon, den griffsicheren Titel- und Zeitungsmacher. Dragon war 42 Jahre Chefredakteur der Krone und galt bis zu seinem Hinauswurf im Jahr 2001 als Alter Ego Dichands. Nach Dragons Darstellung war ein banaler Streit um einen Krone-Aufmacher auslösend. Generell habe Dichand immer mehr selber machen und immer weniger delegieren wollen.

Scharfe Wende im Winter 2000

Dichand gelang es aber, auch als Einzelkämpfer – und obwohl selbst kein sonderlich begabter Schreiber – das Blatt auf Erfolgskurs zu halten. Jede Kolumne unter seinem Lieblingspseudonym „Cato“ wurde von der politischen Klasse weniger auf Grund der Qualität, aber aufgrund der Leserzahlen genau analysiert.

Entscheidend für eine Boulevard-Zeitung ist ein gutes Gefühl für des Volkes Stimmung. Daher zögerte der begeisterte Hobby-Segler nicht lange, über Nacht den Kurs um 180 Grad zu drehen, sobald er spürte, dass ihn dieses Gefühl einmal im Stich gelassen hatte.

Das tat er etwa im Februar 2000, als es Wolfgang Schüssel trotz einer Droh-Kampagne Dichands (und vieler anderer Medien) wagte, mit der FPÖ eine Koalition einzugehen. Von einem Tag auf den anderen wechselte Dichand vom Advokaten von Rot-Schwarz zum ersten Verteidiger von Schwarz-Blau. Er attackierte statt Schüssel plötzlich die rot-grünen Demonstranten und die Sanktionen der anderen EU-Staaten gegen Österreich. Dichand hatte gemerkt, dass er falsch gelegen war, dass Wähler und Leser Schwarz-Blau als legitim ansahen und eine neuerliche große Koalition ablehnten. Und er hatte keine Scheu, sofort Konsequenzen zu ziehen.

Ebenso tat er dies im letzten von ihm aktiv begleiteten Wahlkampf, dem um die Bundespräsidentschaft. Als der von ihm herbeigeschriebene Erwin Pröll mangels Unterstützung durch Raiffeisen und Bundes-ÖVP auf die Kandidatur verzichtete, erklärte sich Dichand offen für die freiheitliche Barbara Rosenkranz. Als diese sich jedoch in einen heftigen Wirbel hineinredete und als schwache Persönlichkeit erwies, wandte er sich ohne Hemmungen wieder von ihr ab. Und er demütigte Rosenkranz noch vernichtend, indem er ihr eine eidesstattliche Absage an den Nationalsozialismus abverlangte, obwohl ihm selbst jahrzehntelang die Verteidigung der Soldatengeneration – also seiner eigenen – ein großes Anliegen war. Obwohl ihm eine Krone-Serie über die Juden selbst einschlägige Vorwürfe eingebracht hatte.

Fast alle Freunde profitierten

Zu den von Dichand am heftigsten bekämpften und daraufhin prompt auch an den Wahlurnen erfolglosen Politikern zählten:
- Heide Schmidt: Ihr wurde zum Verhängnis, dass sie in Dichands Augen Mandate der damals von ihm unterstützten Haider-FPÖ „entwendet“ hatte;
- Erhard Busek: Der intellektuelle, jedoch sprunghafte Überflieger war gar nicht nach Dichands Geschmack. Wenn der Krone nichts anderes einfiel, dann wurde Busek schon deswegen attackiert, weil er im Siegesrausch nach der EU-Volksabstimmung mit der SPÖ die Internationale gesungen hatte.

Zu den von Dichand Bejubelten zählten:
- Jörg Haider: Dichand erkannte früh dessen große Begabung, unterstützte ihn aber während der letzten Jahre nicht mehr;
- Viktor Klima: dieser verlor trotz heftiger Krone-Hilfe die Wahl 1999 dramatisch;
- Erwin Pröll: Hier trafen sich zwei Machtmenschen auf gleicher Wellenlänge, denen es immer nur um den persönlichen Erfolg ging – was zu einem Bündnis zum gegenseitigen Nutzen reichte;
- Thomas Klestil: Dieser verstand es geschickt, Dichand bei seiner Eitelkeit zu packen;
- Wolfgang Schüssel: Dieser wurde nur im Wahlkampf 2002 und da eher schaumgebremst unterstützt, nachdem Schüssel dem Krone-Chef die Erlassung eines bundesweiten Tierschutzgesetzes versprochen hatte (was bis dahin Landeskompetenz gewesen ist);
- Michael Häupl: Neben – vermutlicher – persönlicher Wertschätzung für einen weiteren Machtmenschen hat Dichand an Häupl natürlich auch das üppige Marketing-Budget der Gemeinde interessiert;
- Karl-Heinz Grasser: Der erfolgreiche und charismatische Finanzminister mit den überaus dubiosen Freunden wurde von Dichand mit großer Leidenschaft verteidigt – umso heftiger, je mehr die Linksmedien Grasser angriffen;
- Kurt Waldheim: Mit diesem verband Dichand nicht nur eine Nachbarschaft im Sommerquartier am Attersee, sondern auch die Solidarität der Kriegsgeneration. Dichand verhalf Waldheim zum Wahltriumph, Waldheims politische Isolation konnte er aber nicht beenden;
- Hans-Peter Martin: Der streitsüchtige und mit aller Welt verfeindete Ex-Journalist hatte in Dichand seinen einzigen Freund – dieser verhalf Martin gleich zweimal zum triumphalen Einzug ins EU-Parlament;
- Werner Faymann: Diese Freundschaft hatte auch private Dimensionen und war sogar von einer Eheschließung zwischen Dichands innenpolitischem Hauptschreiber und einer Faymann-Sprecherin begleitet. Sie gipfelte in einem peinlichen Unterwerfungsbrief Faymanns, in dem er Dichand für den Fall künftiger EU-Vertragsänderungen öffentlich die von diesem verlangte Abhaltung einer Volksabstimmung versprach – was Faymann freilich schon kurz nach Dichands Tod bei der ersten einschlägigen Vertragsänderung wieder vergaß. Dichand half Faymann vor allem bei der Nationalratswahl 2008 – was den Krone-Chef aber nicht hinderte, einige Monate später die „beiden Prölls“ als Bundeskanzler und -präsident vorzuschlagen. Experten dürften mit der Vermutung recht haben, dass sich Dichand damals darüber geärgert hat, dass Faymann auch mit dem Konkurrenten Fellner befreundet war und ist und dessen Blatt mit vielen steuerfinanzierten Anzeigen am Leben hält (die freilich auch Dichand bekam). Dennoch hat sich Faymann einmal sogar öffentlich in einem Interview für die Unterstützung durch Dichand und die ORF-Redakteure „in den schweren Stunden des Wahlkampfs“ bedankt. Ganz offensichtlich Faymann zuliebe feuerte Dichand den Karikaturisten Szyszkowitz (der den täglichen „Superrudi“ zeichnete), weil dieser gleichzeitig anderswo Faymann-kritische Karikaturen veröffentlichte.
- Helmut Zilk: Der langjährige Wiener Bürgermeister wurde nicht nur in seiner Politikerzeit von Dichand unterstützt, sondern arbeitete später auch als „Krone“-Ombudsmann.

Bis auf Klima ist bei jedem seiner Favoriten nachweisbar, dass Dichand ihnen jeweils signifikante Mengen an Wählerstimmen brachte. Die Genannten fanden bei Kronenzeitungs-Lesern signifikant mehr Unterstützung als im allgemeinen Schnitt. So waren 70 Prozent der Wähler Martins laut einer GfK-Studie regelmäßige Krone-Leser- Aber auch 67 Prozent der FPÖ-Wähler gaben an, die Krone regelmäßig zu lesen, obwohl diese seit Jahren die Freiheitlichen nicht mehr direkt unterstützt.

Das kann man angesichts des Marktanteils der Kronenzeitung als demokratiegefährdend ansehen. Freilich kann sich etwa auch kein Vorarlberger Landeshauptmann gegen die „Vorarlberger Nachrichten“ halten. Noch problematischer wird es, wenn die Krone auf gleicher Wellenlänge mit dem (politisch kontrollierten) ORF, mit dem (von politisch in Auftrag gegebenen Inseraten abhängigen) „Österreich“ und mit der (von Dichand und der SPÖ geförderten) Gratiszeitung „Heute“ agiert. Gehen diese Massenmedien im Gleichschritt, drohen alle anderen Meinungen in einer Schweigespirale unterzugehen.

Freilich kann man an dieser Entwicklung Dichand am wenigsten Schuld geben. Meinungs- und Presse-Freiheit bedeuten ja, dass sich jeder Verleger frei entscheiden kann, wie er sein Blatt positioniert. Sie bedeuten hingegen nicht, dass Minister das Recht haben, mit Steuergeld Zeitungen zu bestechen, oder dass der Staatsrundfunk unter alleiniger Kontrolle der SPÖ steht und lediglich linksliberale und grüne Positionen transportiert.

In diesem Zusammenhang muss man auch auf zwei merkwürdige Faktoren hinweisen, die Österreich vom Ausland unterscheiden: auf das Fehlen visionärer bürgerlicher Verlegerpersönlichkeiten und auf die Absenz einer Medienpolitik der bürgerlichen Parteien.

Generalstabsmäßig geplante Kampagnen

Dichand hat sehr deutlich seine persönliche Meinung über einzelne Politiker ausgelebt. Diese wird aber noch überschattet von der langen Liste seiner nicht primär an einer Person oder Partei anknüpfenden Kampagnen. Diese legte er geradezu generalstabsmäßig an („Alle unsere Kampagnen sind groß“). In der Mannschaft konnten es sich da lediglich Ernst Trost und Georg Wailand leisten, bisweilen nicht mitzumachen – Gegentöne waren aber auch für diese beiden undenkbar. Erfolgreich war Dichand solcherart unter anderem mit dem Kampf

·        gegen die Verbauung der Sternwartegründe in Wien,

·        gegen den Leseturm im Wiener Museumsquartier,

·        gegen das Donaukraftwerk Hainburg,

·        gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf und noch emotionaler gegen tschechische und slowakische AKW,

·        gegen Gentechnik,

·        gegen die Wehrpflicht.

Erfolglos blieb er freilich in anderen Kämpfen:

·        gegen das Antifaschismus-Denkmal vor der Albertina,

·        gegen eine Sparbuchsteuer (KESt), die er nur zeitweise verzögern konnte,

·        gegen die Aufführung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ – Dichand verschaffte einem recht langweiligen Stück durch aggressive Skandalisierung sogar einen langanhaltenden Theatererfolg. Dichand warf Bernhard „unflätige Beleidigungen“ Österreichs vor. Zugleich gab es damals aber auch Hinweise, dass Bernhard bzw. Burgtheater-Direktor Peymann die Aggressionen der Krone als bewusstes Marketing-Instrument gezielt geschürt haben.

Letztlich konnte man nie ganz unterscheiden, ob Dichand die Kampagnen als bewusstes Stilmittel einer „Volkszeitung“ führte oder selbst wirklich voll dahinter stand. Zumindest beim Semmeringtunnel lässt sich ein zynisch-populistisches Doppelspiel nachweisen: In der Niederösterreich-Ausgabe war die Krone gegen den Tunnel, in der steirischen eindeutig dafür.

Wilder Kurswechsel in Sachen EU

Die verwirrendste Hochschaubahn in Dichands Leben war seine Haltung zur EG beziehungsweise EU. 1994 hat er sich in den Kampf für ein „Ja“ zum EU-Beitritt einspannen lassen. Dichands Haltung zur EU bzw. EG war vorher lange schwankend. Aber 1994 trat er in die geschlossene Pro-Beitritts-Front ein, die vom Bundespräsidenten bis zum Kardinal reichte, und er stellte sich erstmals gegen Jörg Haider. Dichand ließ sich damals sogar zu holzschnittartigen Formulierungen hinreißen wie: „Die Verbrüderung des Kontinents, das ist die Zukunft.“ Bei den Bemühungen, Dichand auf EU-Kurs zu bringen, hatte Maria Schaumayer eine ganz besonders wichtige Rolle gespielt. Seit den Sanktionen anderer EU-Länder gegen Österreich wurde er aber vehementer Gegner der EU. Dabei ließ er sich jedoch auch vom linken EU-Kritiker Hans-Peter Martin beeinflussen. Jahrelang erschienen fast täglich Anti-EU-Attacken. Der von Dichand meist selbst redigierte Leserbriefteil bekam eine tägliche Seite „Zum EU-Theater“.

Der alt gewordene Zeitungsmacher merkte freilich nicht, dass die ob vieler Fehlentwicklungen unbeliebt gewordene Union während der Wirtschaftskrise von den Österreichern wieder als Sicherheitsanker geschätzt wurde. Daher ist seine vielleicht größte Kampagne letztlich grandios gescheitert.

Das zeigt, dass auch einem sehr mächtigen Mann Grenzen gesetzt sind. Und dass auch der beste Kenner der rot-weiß-roten Volksseele diese nicht komplett zu durchschauen imstande ist.

Trotz aller Macht, trotz all des damit verbundenen Missbrauchs, trotz aller Irrtümer, trotz aller geschäftlichen Erfolge blieb Dichand immer vor allem eines und das fast bis zu seinem letzten Lebenstag in sehr aktiver Form: ein Journalist. Und zwar ein ganz großer.

(Dieser Beitrag deckt sich weitgehend mit meinem Aufsatz im soeben erschienenen „Österreichischen Jahrbuch für Politik“.) 

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