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Der Geruch der Lobbyisten

„Ein Lobbyist hat einen besonderen Geruch“: So formulierte es Ernst Strasser in den heimlich mitgeschnittenen Anbahnungsgesprächen mit einem vorgeblichen Auftraggeber. Da kann man bloß sagen: Hätten Lobbyisten nur einen solchen Geruch! Dann bräuchte man lediglich einen Schnüffelhund anzusetzen und schon wüsste man, dass da einer lobbyiert.

Oder meinte der Lobbyist und Ex-EU-Abgeordnete damit gar, dass er den Lobbyisten-Gestank durch das feine Parfum eines gewählten EU-Mandatars zu übertünchen imstande sei? Dann hat er sich getäuscht. Oder zu wenig des Parfums angebracht.

Freilich: Je länger man über Lobbyismus debattiert und nachdenkt, umso unklarer wird die Grenze zwischen Gestank und Wohlgeruch. Denn ist nicht jeder EU-Abgeordneter ein Lobbyist, der nicht die Interessen von 500 Millionen EU-Bürgern oder zumindest 8 Millionen Österreichern gemeinsam im Auge hat, sondern nur bestimmte Gruppeninteressen vertritt?

Niemand kann objektiv zwischen guten und schlechten Interessen entscheiden. Wer es tut, der irrt – oder ist selbst ein Lobbyist. Denn absolut jedes Einzelinteresse droht auf Kosten eines Dritten zu gehen. Wenn sich etwa ein Abgeordneter vor allem für die Interessen von Bauern einsetzt – was ja manche ganz offen tun –, dann hat das in aller Regel negative Folgen für alle anderen Bürger. Sie müssen höhere Preise für Agrarprodukte zahlen. Sie müssen neuerdings für den von der EU nicht zuletzt auf Drängen der Bauern-Lobbyisten gepushten Biosprit mehr zahlen. Und sie müssen vor allem für all die Subventionen höhere Steuern zahlen, von denen Europas Bauern heute in viel höherem Ausmaß leben als vom Erlös ihrer Produkte.

Genauso schädlich für die Allgemeinheit und insbesondere die Zukunft eines Landes sind Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter als Gesetzgeber. Sie sind beispielsweise hauptschuld, dass unsere Pensionssysteme binnen weniger Jahre in die Unfinanzierbarkeit hineintreiben. Denn diese Arbeitnehmervertreter haben es bisher meist mit Erfolg verhindert, dass das Pensionsantrittsalter erhöht wird, obwohl die Lebenserwartung alljährlich um drei Monate ansteigt.

Das kann man durch alle Berufsgruppen durchdeklinieren. Wären dann etwa am Ende nur noch der Objektivität verpflichtete Wissenschaftler gute Abgeordnete? Nun, auch da habe ich so meine Zweifel.

Tatsache ist, dass auch bei diesen seltsame Verhaltensweisen auffallen. Sobald sie sich etwa zu Budgetfragen äußern, sind sie zwar (zu Recht) für Sparsamkeit und Schuldenreduktion. Nur wollen sie dabei immer mit Konsequenz einen Bereich ausgenommen sehen: die Wissenschaft. Wer aber profitiert von höheren Ausgaben für diese? Es sind natürlich die Wissenschaftler. In Wahrheit könnte man auch bei Wissenschaftsausgaben reihenweise nachdenken, ob sie überall sinnvoll sind. Was aber politisierende Wissenschaftler nie ansprechen. So sind beispielsweise praktisch alle politologischen und publizistischen Forschungsarbeiten (halt ein Bereich, wo ich mich ganz gut auskenne) keinen einzigen Steuer-Euro wert.

Und kaum besser ist es, wenn man sich sehr spezifischen lokalen Interessen verpflichtet. So ist es durchaus problematisch, wenn etwa ein gesamt-österreichischer Minister auffallend oft jemanden aus seinem Heimatbundesland und besonders oft jemanden aus einem Nachbardorf für wichtige Funktionen nominiert.

Auf diesen Hinweis „Eigentlich sind fast alle Lobbyisten“ werden nun manche entgegnen: Aber böse sei es jedenfalls, wenn Geld fließt. Das ist aber ebenfalls bei näherem Hinsehen eine sehr fließende Abgrenzung. Dann sind natürlich nicht nur die 100.000 Euro, die Strasser als Honorar verlangt, böse. Dann muss es auch jeder Gehalt sein, der einem Politiker aus seinem Hauptberuf zufließt. Das gilt dann ganz besonders, wenn der Politiker bei einer Institution tätig ist, welche die Interessenvertretung geradezu als Hauptzweck hat, etwa eine Kammer oder Gewerkschaft. Die haben ihn natürlich vor allem deshalb auf ihrer Gehaltsliste, damit er ihre Interessen und nicht die der restlichen Wähler vertritt.

Aber selbst, wenn kein Geld fließt, gibt es oft geldeswertige Abhängigkeiten. Diese bestehen am häufigsten in der Notwendigkeit, auch beim nächsten Mal an eine wählbare Stelle platziert zu werden. Wer aber nicht ordentlich Gewerkschafts- oder Bauern-Interessen vertreten hat, der wird halt nicht mehr an wählbare Stelle platziert werden.

Das führt uns zum Schluss: Den wirklich 100prozentig sauberen, vollkommen unabhängigen, nur dem jeweiligen Gesamtwohl verpflichteten Abgeordneten gibt es so gut wie nicht. Es gibt nur unterschiedliche Grade der Abhängigkeit. Das sollte man sich und allen Mitbürgern klarmachen, bevor man unerfüllbare Illusionen wachruft. Denn solche Illusionen sind die beste Grundlage dafür, dass die Bürger eines Tages der Demokratie abschwören und sich einem starken Mann, einer starken Einheitspartei ausliefern. Die dann freilich nur noch ihre ganz eigenen Interessen verfolgen und schon gar nicht die irgendwelcher Bürger.

Zumindest ein hilfreicher Schritt zur Reduktion solcher Abhängigkeiten könnte es sein, wenn diese in aller Transparenz stattfinden. Wenn also jeder Gehalt, jede s Honorar, ja sogar jede Vereinsmitgliedschaft eines Politikers bis hinunter zum Bürgermeister aufgelistet werden müssen. Dann weiß der Wähler wenigstens ungefähr, welche Netzwerke er da mitwählt.

Freilich: Die privaten Netzwerke und Freundschaften wird man nie wirklich erfahren können. Denn deren Offenlegung wäre zweifellos absolut unzumutbar. Auch ein Politiker muss das Recht haben, sich zum Kartenspiel oder auch für nächtliche Vergnügungen mit wem auch immer zu treffen, ohne dass er das öffentlich kommunizieren muss. Aber keine Frage: Dabei wird zweifellos nicht immer nur über private Dinge gesprochen werden. Irgendwo bleibt immer ein Bereich, wo es auf den persönlichen Charakter ankommt. Wo man ungebührliche Dinge vermeiden sollte, auch wenn die Dinge noch nicht öffentlich zum Skandal geworden sind. Etwa wenn eine Ministerin einen satten sechsstelligen Auftrag an eine ihr privat sehr, sehr nahestehende Unternehmerin vergibt.

Und noch in einem zweiten Bereich ist eine solche Transparenz unmöglich: nämlich bei allen Berufen mit einem Berufsgeheimnis. Dazu zählen etwa die Rechtsanwälte, Steuerberater oder Ärzte. Diese dürfen nicht einmal den Namen ihres Mandanten oder Klienten öffentlich kommunizieren, geschweige denn die Geschäfte, die sie mit ihnen machen. Dabei waren aber solche Freiberufler geradezu die typischen Berufe von Abgeordneten in den ersten Jahrzehnten der Demokratie.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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