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Die Krise ist vorbei – sind es unsere Sorgen auch?

Niemand hat vor einem Jahr zu hoffen gewagt, dass es uns heute wieder so gut gehen würde. Und am Höhepunkt der großen Krise, im März 2009, schon gar niemand.

Damals hatten alle Ökonomen, Politiker und Medien Vergleiche mit der großen Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre gezogen, die dem Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg den Weg bereitet und katastrophale Folgen für eine ganze Generation von Europäern hatte.

Was waren nur in diesen zwei Jahren alles für Weltuntergangsprognosen an die Wand gemalt worden! Von der Deflation bis zur Massenarbeitslosigkeit bis zum Zerfallen des Euro. Nichts davon ist offensichtlich eingetreten. Das Wirtschaftswachstum hat inzwischen wieder in den meisten Ländern der Union die Delle ausgebügelt, welche die amerikanische Subprimekrise, der Zusammenbruch der Lehman-Bank und der dann wie eine Schockwelle eingetretene globale Vertrauensverlust ausgelöst hatten.

Wobei das großteils ja nur die Auslöser waren. Die Ursachen lagen tiefer und waren fast immer Fehler der Währungspolitik, der Budgetpolitik und staatlicher Interventionen in die Wirtschaft wie etwa in den amerikanischen Wohnungsmarkt. Ganz abgesehen davon, dass irrationaler psychologischer Überschwang und Unterschwang, wenn es dieses Wort gäbe, immer die Wirtschaft begleiten werden. Wer behauptet, Rezepte gegen jede Art von Krise zu haben, ist ein gefährlicher Scharlatan.

Aber zurück zur jüngsten Krise: Wir sind anscheinend ganz überflüssigerweise in Panik verfallen. Es war halt nur einer der vielen Fehlalarme als Folge unseres Hangs zu regelmäßiger Angst. Ähnliche Paniken gab es ja schon viele: etwa die höchste Alarmstufe der Weltgesundheitsorganisation wegen der letztlich total harmlosen Schweine- und Vogelgrippen; oder das angebliche Wäldersterben; oder das von zahlreichen Wissenschaftlern schon für Ende des vergangenen Jahrtausends prophezeite Versiegen des Erdöls; oder die katastrophalen Folgen einer angeblich vom Menschen gemachten Globalen Erwärmung.

Es ist also alles wieder gut. Oder? Stimmt vielleicht eher die Metapher vom Hirtenbub, der zu oft „Wolf!“ geschrien hat, bis ihm niemand mehr glaubte, als dann wirklich der Wolf kam? Stimmt vielleicht eher der Vergleich mit dem britischen Premierminister Chamberlain, der zwölf Monate vor Ausbruch des Weltkriegs freudestrahlend „Peace in our time!“ verkündet hat? Gleichen wir vielleicht gar dem aus dem 100. Stock gesprungenen Mann, der noch 99 Stockwerke tiefer glaubt: „Lustig ists!“

Letztlich gilt: Wir wissen es nicht. Denn es gibt zum Glück keine Vorherbestimmung der Geschichte. Deren künftige Entwicklung liegt immer in den Händen der Menschen. Und auch in der Wirtschaft spielen mehr Psychologie und damit Irrationalität mit, als viele meinen. Deswegen machen sich regelmäßig ja all jene Experten lächerlich, die Wachstums- und Inflationsentwicklungen sogar aufs Komma genau vorhersagen. Über künftige Entwicklungen kann man immer nur Wahrscheinlichkeiten bewerten. Diese sind freilich umso verlässlicher, je mehr bestimmende Faktoren jetzt schon feststehen.

Nähert man sich der Frage nach der weiteren Entwicklung aber mit diesem nüchternen Realismus, dann kann man durchaus Etliches über die Zukunft sagen. Viele Determinanten stehen ja heute schon fest. Wie etwa die Zahlen der Staatsverschuldung oder die demographischen Daten. Andere sind hingegen offen, wie etwa psychologische Stimmungen oder politische Entscheidungen oder gar Naturkatastrophen und Kriege.

Auf dieser Basis seien nun einige der am meisten diskutierten Szenarien näher untersucht, wobei auch jedesmal eine Wahrscheinlichkeitsbewertung gewagt wird:

1.     Zerfall des Euro: 15 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Heute sind viele Experten überzeugt, dass der Euro zumindest so lange überleben wird, wie auch die EU hält, das heißt de facto, solange es keinen europäischen Bürgerkrieg gibt. Denn heute sieht man klarer als im vergangenen Sommer: Ein Ausscheiden der schuldenfreudigen Länder des Südens würde diesen erst recht eine Katastrophe bescheren. Lauten doch im Gegensatz zur Vor-Euro-Zeit all ihre Schulden auf Euro. Und die bei einem Ausscheren aus dem Euro unvermeidliche Abwertung der Süd-Währungen würde deren Rückzahlung noch zusätzlich dramatisch verteuern. Daher denken die Südländer nicht an ein Ausscheren.
Umgekehrt wird es Deutschland wohl nie wagen, von sich aus auszuscheren. Das wäre trotz des Drucks der Bevölkerungsmehrheit eine außenpolitische Katastrophe, die keine Regierung wagen wird, auch wenn jedenfalls Österreich und die Niederlande folgen würden, die ja immer brav den Deutschen nachtrotten. Aber Deutschland wird nicht nur aus Gründen der politischen Sensibilität auf einen Euro-Austritt verzichten. Es weiß auch: Letztlich würde es allen exportorientierten Ländern sehr schaden, wenn sie plötzlich wieder mit gewaltigen Währungsunsicherheiten sowie Transaktionskosten in ihren Hauptabsatzgebieten rechnen müssten. Die dann sicheren Abwertungen in Griechenland & Co würden viele Exporteure aus dem Markt werfen.
Mit anderen Worten: Auch wenn der Euro viel von seinem Glanz verloren hat, wird es ihn wohl erst dann zerreißen, wenn es die EU zerreißt. Dennoch darf man nicht verschweigen, dass rund um die Währung katastrophale Fehler begangen worden sind. Der Euro war letztlich eine unnatürliche Hybrid-Konstruktion. Für seine Einführung hätte es in der ökonomischen Logik zwei Möglichkeiten gegeben:

a.      Der Euro ist die Währung der Vereinigten Staaten von Europa, die nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch eine gemeinsame Budget- und Wirtschaftspolitik haben. Eine so enge Gemeinsamkeit wollte und will aber der Großteil der EU-Staaten nicht.

b.     Man hat sich für die andere Möglichkeit entschieden, die sogenannte No-Bailout-Regel, die es eigentlich verboten hätte, dass andere Staaten oder die Europäischen Zentralbank oder die Kommission einem überschuldeten Euro-Land mit Krediten, mit Rettungsschirmen usw. zur Hilfe kommen. Die klare Intention war: Wenn ein Land undiszipliniert lebt und das Vertrauen der Kreditgeber verliert, dann soll es eben Pleite gehen. Es soll wie auch jedes Unternehmen ein Insolvenz-Verfahren auf sich nehmen müssen.
An diese Regel hat man sich aber in der Stunde des Ernstes nicht gehalten. Die meisten anderen Euro-Länder – mit der interessanten Ausnahme der Slowakei – sowie die EU-Kommission, die EZB und der Internationale Währungsfonds haben vielmehr begonnen, mit einer Vielzahl kompliziert klingender Instrumente den überschuldeten Ländern beizustehen. Durch Haftungen, durch Kauf von Anleihen jener Länder. Jetzt wird insbesondere von Luxemburg die Ausgabe von Eurobonds empfohlen, die natürlich den selben Effekt haben: Deutschland & Co haften für die Schulden von Griechenland & Co.
Das wurde immer mit der Notwendigkeit begründet, dass sonst der Euro gefährdet wäre. Was aber sicher falsch ist. Im Gegenteil hätte gerade eine Nichtintervention die Glaubwürdigkeit des Euro massiv gestärkt.
Da man aber interveniert hat, noch dazu mit großen Geldsummen, die vielleicht noch wachsen, hat eine Reihe anderer Gefahren an Wahrscheinlichkeit gewonnen.

2.     Inflation: Eine Geldentwertung im einstelligen Bereich hat 65 Prozent Wahrscheinlichkeit; eine im zweistelligen Bereich 20 Prozent.
Die Frage nach der Größe der Inflationsgefahr ist heute unter Ökonomen die am heftigsten umstrittene. Viele verweisen darauf, dass die umlaufende Geldmenge im Grund nicht gestiegen ist. Denn trotz der zum Teil gewaltigen Defizite und der Geldschöpfung durch die Notenbanken ist die Kreditfreudigkeit noch recht gering. Überdies sparen die Menschen vermehrt. Das Geld rotiert langsamer.
Andere Ökonomen sehen hingegen deutlich mehr Gefahren. Immerhin steht die gemessene Inflationsrate schon wieder bei den zwei Prozent, bei denen die EZB nach ihren eigenen Regeln eigentlich schon bremsend eingreifen müsste. Vor allem die Rohstoffpreise sind deutlich im Steigen, die sich mit Verzögerungen auch regelmäßig auf die Verbraucherpreise niederschlagen. Die Rohstoffpreise steigen gar nicht so sehr wegen der heftigen Geldvermehrung insbesondere in den USA, sondern vielmehr wegen der rapide steigenden Nachfrage der Asiaten, die Knappheiten ausgelöst hat. Überdies wird die Destabilisierung im Nahen Osten die Preise weiter in die Höhe treiben.
Dennoch sprechen einige Faktoren gegen die verbreitete Befürchtung, dass die europäischen Länder ihre gewaltigen Schulden allzu einfach via Inflation entsorgen können. Ein stabilisierender Faktor dürfte trotz ihrer enttäuschenden Haltung im Jahr 2010 die EZB sein, die sich nun verstärkt wieder der Stabilität zu besinnen beginnt. Ein anderer Faktor ist der Umstand, dass die Staaten sehr rasch selbst unter einer bewusst herbeigeführten Inflation leiden würden, da sie jedes Jahr einen spürbaren Teil ihrer Schulden refinanzieren müssen.

3.     Double Dip: 30 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Der im Vorjahr von vielen prophezeite Double Dip ist etwas unwahrscheinlicher geworden. Darunter versteht man einen raschen zweiten Absturz der Wirtschaft. Denn, so die Befürchtung, nach Auslaufen der teuren staatlichen Konjunkturimpulse werde die Krise bald wieder zurückkommen. Außerdem bilden sich jetzt schon wieder gefährliche Blasen außerhalb der offiziellen Inflationsrate. Dazu zählen neben den Rohstoffpreisen die Flucht in die Edelmetalle und der steile Anstieg der Preise für Eigentumswohnungen.
Dagegen spricht aber, dass die Menschen in den letzten zwei Jahren so viele schlechte Nachrichten gehört haben, dass sie sich schon daran gewöhnt haben. Daher würde wohl ein neuerlicher Fall Lehman Brothers heute nicht mehr den damaligen Schock eines globalen Vertrauensverlustes auslösen. Außerdem hat sich inzwischen Asien als starke Konjunkturlokomotive erwiesen, von der vor allem die exportorientierten Industriestaaten profitieren.
Dennoch ist die Gefahr eines Double Dips keineswegs vorbei. Aus mehreren Gründen:
- Die Staaten haben absolut keinen Spielraum mehr, um noch einmal so üppig durchzustarten;
- Viele Banken sind noch keineswegs so kräftig saniert, dass sie heute prinzipiell anders dastünden als 2008;
- Die kraftvollen Geldinjektionen haben den Gesundungs- und Erneuerungseffekt verhindert, den jede Krise normalerweise trotz oder gerade wegen ihrer Schmerzhaftigkeit hat: Es gab kaum Konkurse und auch am Arbeitsmarkt gab es nicht die in solchen Phasen eigentlich übliche Mobilität;
- Vor allem aber gehen selbst die optimistischen internationalen Prognosen, die keinen zweiten Absturz erwarten, für Europa von mageren Wachstumsraten aus. Dem Euro-Raum wird für die nächsten fünf Jahre mit durchschnittlich zwei Prozent das weltweit weitaus niedrigste Wachstum aller Regionen prophezeit. Selbst Schwarzafrika darf mit mehr als doppelt so viel rechnen. Und China oder Indien werden gar an die zweistelligen Wachstumsraten streifen.

4.     Staatsbankrotte: 65 Prozent.
Jahrelang haben viele Politiker und Medien über die bösen Maastricht-Ziele geschimpft, so als ob uns die EU wie eine Besatzungmacht verbietet, Schulden zu machen, so als ob Schulden sonst völlig problemlos wären. Inzwischen – und das ist der wahre Schock des Jahres 2010 – hat man erkannt, dass es noch jemand anderen gibt, der zur Mäßigung bei der Schuldenaufnahme zwingt: Jene Menschen und Institutionen, bei denen Staaten Schulden aufnehmen können. Diese haben 2010 zum erstenmal massive Skepsis über die Kreditwürdigkeit einiger EU-Staaten geäußert und ihnen nur noch zu sehr hohen Zinssätzen Kredite gewährt. Diese Zinssätze drohen die nationalen Finanzen jener Staaten endgültig zu devastieren.
Die Wahrscheinlichkeit ist daher groß, dass es in einem oder in mehreren europäischen Ländern zu einem Bankrott kommt. Eine wachsende Zahl von Experten empfiehlt das geradezu. Man sollte in der Tat die Worte Bankrott oder Pleite vom düsteren Klang des 19. Jahrhunderts befreien, als sich zahlreiche Unternehmer und Bankiers aus Scham das Leben genommen haben.
In der Nachkriegszeit hat es sogar dutzende Fälle von Staatspleiten gegeben, freilich meist in Entwicklungsländern, aber auch etwa in Polen. Bei Staaten heißt es nur nicht Konkurs, sondern etwas freundlicher Umschuldung. Würde etwa Griechenland diesen Weg gehen (müssen), dann wird mit einer Quote von 60 bis 90 Prozent gerechnet oder gar nur mit einer Verlängerung des Zahlungsziels. Das ist in den hohen Zinsen, die Griechenland seit einiger Zeit zahlen muss, schon weitgehend eingepreist. Daher empfehlen durchaus auch schon manche Banker einen solchen Haircut, bei dem eben die Investoren, die Halter griechischer Anleihen, die Banken, die Pensionsfonds und die Sparer Haare lassen müssen.
Dennoch sprechen nicht nur das Interesse dieser Gläubiger und der nationale Stolz der Griechen gegen einen Haircut. Denn primär muss es um die Frage gehen, in welcher Variante die nötigen Reformen schneller zustandekommen. Manche fürchten, dass die gegenwärtigen signifikanten Anstrengungen der diversen PIIGS-Regierungen wieder erlahmen werden, sobald eine Umschuldung den Druck wegnimmt.
Umgekehrt fürchten auch viele heute scheinbar stabil dastehende europäische Länder, dass auch sie höhere Zinsen zahlen werden müssen, wenn einmal ein EU-Land in Konkurs gegangen ist. Dann wird etwa auch die Unsitte ein Ende haben müssen, dass Banken jeden noch so gut abgesicherten Kredit an ein Unternehmen mit teurem Eigenkapital unterlegen müssen, Kredite an Staaten, also etwa Anleihen müssen hingegen nicht unterlegt werden.
Daher schien es vielen europäischen Regierungen im Vorjahr noch immer richtiger und billiger, entgegen allen auch rechtlichen Regeln, Griechenland und Irland beizuspringen.
Zumindest in Deutschland wird das heute mehrheitlich als Fehler gesehen. Dazu hat nicht zuletzt eine empörte Öffentlichkeit beigetragen, die argumentiert hat: „Wir fleißigen Deutschen müssen für die faulen Griechen brennen.“ In Österreich hat lediglich der Philosoph Rudolf Burger kräftige, allzu kräftige Worte gewagt und die über Nacht beschlossenen Rettungspakete mit dem NS-Ermächtigungsgesetz des Jahres 1933 verglichen, mit dem Hitler das Parlament ausgeschaltet hat.
Eine durchaus relevante Wahrscheinlichkeit gibt es aber auch, dass das deutsche Höchstgericht der Berliner Regierung die weitere Finanzierung von pleitegefährdeten Staaten untersagen wird.

5.     Wirtschaftsregierung: Eine nominelle Wirtschaftsregierung hat 50 Prozent Wahrscheinlichkeit zustandezukommen, effizient wird die aber nur mit 5 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Zwischen der deutschen und französischen Regierung wurde in den vergangenen Wochen das Wort Wirtschaftsregierung als neue Zauberformel ins Spiel gebracht. Der Druck der beiden europäischen Vordenker ist so groß, dass die Idee wahrscheinlich zu irgendeinem gesichtswahrenden Ergebnis führen dürfte. Wirklich relevant dürfte das Ergebnis aber kaum werden. Denn jede Form einer Wirtschaftsregierung kann nur einstimmig beschlossen werden.
Vor allem fehlt wie bei den bisherigen Stabilitätskriterien auch hier die klare Idee, wie man einen Staat wirklich effizient zwingen könnte, die Vorgaben einzuhalten und nicht etwa mit Statistiken nach griechischer Art zu manipulieren. Es hat ja etwa auch Österreich schon bei den Stabilitätskriterien kräftig geschummelt und ÖBB-, Gesundheitssystem- sowie Asfinag- Schulden, aber auch die Bankenkredite bisher nicht einberechnet, was die Staatsschuld auf Grund einer Neuberechnung der EU von knapp unter 70 auf knapp unter 80 Prozent erhöhen wird. Überdies rechnet sich kein EU-Staat die gigantischen Verpflichtungen der zahlreichen Pensionszusagen als Staatsschuld an – ob wohl das jede private Firma sehr wohl rückstellen muss.
Die EU oder die EZB sind gegen die sündigen Länder so ohnmächtig wie die österreichische Bundesregierung gegen die Bundesländer. Sie hat Null Machtmittel, die Länder an einer über die Vereinbarungen hinausgehenden Verschuldung zu hindern. Obwohl die Länder- und Gemeindeschulden genauso in die österreichischen Stabilitätskriterien eingehen wie jene des Bundes.
Jedenfalls ist jetzt schon die Begeisterung der einzelnen EU-Staaten, eine Wirtschaftsregierung zu beschließen, sehr begrenzt. Aus den unterschiedlichsten Motiven.
Die einen wollen sich nicht eine zwingende Budgetdefizitgrenze vorschreiben lassen – obwohl eine solche nun sogar schon von Sozialdemokraten wie Ewald Nowotny vorgeschlagen wird; die anderen fürchten einen Eingriff in die Tarifautonomie der Sozialpartner; die dritten eine Beschneidung der sogenannten sozialen Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates; und die vierten – insbesondere viele Deutsche – bangen davor, dass ihre gegenwärtigen wirtschaftlichen Erfolge eingebremst werden sollen, damit sie den anderen Staaten nicht zu weit davonziehen.

6.     Langanhaltende Stagnation Europas: 75 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Am wahrscheinlichsten von allen Szenarien erscheint es, dass EU-Europa im internationalen Wettbewerb langsam, aber stetig zurückfallen wird. Vor allem Asien, aber auch Lateinamerika und Afrika dürften immer mehr aufholen und das EU-Europa zum Teil überholen. Von dem vor zehn Jahren geträumten Traum, dass die EU die wettbewerbsfähigste Region der Welt werde, von diesem sogenannten Lissabon-Ziel wagt man nicht einmal mehr zu träumen. In der einstigen Dritten Welt hat sich hingegen überall Dynamik breit gemacht, seit sich die dortigen Länder großteils von den kommunistischen und sozialistischen Modellen der 70er Jahre befreit haben.
Das heißt nun nicht, dass die EU ein Fehler wäre; ohne EU stünden die einzelnen Länder sicher noch schwächer da. Aber im Grund leiden alle EU-Länder gemeinsam an ähnlichen Problemen:
eine massive Überalterung der Bevölkerung;
dazu kommt ein langfristig zum Crash verurteiltes Pensionssystem.
keine positive Auslese bei der Zuwanderung;
ein viel zu aufgeblasener Sozial- und Wohlfahrtsstaat;
ungesunde Subventionsstrukturen;
eine gewaltige Überregulierung auf fast allen Gebieten – allein beim Umweltschutz belasten EU und Europas Regierungen die eigenen Arbeitsplätze mit dem Vielfachen der internationalen Konkurrenz;
eine viel zu hohe Steuerlast;
gleichzeitig geht der Vorsprung im Bildungswesen langsam verloren: Leistung und Anstrengung wurden und werden zunehmend durch Nivellierung, Kuschelecken und Leistungsunwillen ersetzt. Was sich in vielen Familien und in vielen Schulen zeigt. Die Gesamtschule soll nun dieses Prinzip sogar verallgemeinern.

7.     Externe Schocks: 30 Prozent Wahrscheinlichkeit.
All diese Prognosen gehen natürlich davon aus, dass es nicht zu Schocks aus nichtökonomischen Ursachen kommen wird. Die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten haben solche Schocks aber – vorsichtig ausgedrückt – durchaus nicht unwahrscheinlicher gemacht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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