Verdienen die Bauern zu viel oder zu wenig? Regelmäßig taucht das Thema auf – am liebsten in Wahlzeiten und wenn größere Verteilungskämpfe wie in diesem Herbst bevorstehen. In eine besonders tiefe Schublade hat nun ein Buchautor gegriffen, der schon einmal vor Gericht wegen Fälschung von Informationen eingegangen ist. Dennoch ist die Agrarförderung diskutabel, mehr als diskutabel.
(Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“. Diesmal ist sie dem Thema „Agrarförderung“ gewidmet.)
Denn warum wird überhaupt landwirtschaftliche Produktion in Österreich, in der ganzen EU so heftig gefördert, dass für den Großteil der Bauern die Hauptquelle der Einkünfte in Förderungen besteht? Industrie und Gewerbe werden ja auch nicht gefördert, höchstens in Ausnahmesituationen.
Manche tun so, als ob Bauern aus sozialen Gründen zu fördern sind. Ein absurder Gedanke. Denn es wäre weit billiger, wenn die Bauern einfach das neue Grundeinkommen bekommen, aber nicht über den teuren Umweg ihrer Produktion gefördert würden. Es wäre auch ein absoluter Unsinn, die Landwirtschaft deshalb zu fördern, damit der Strukturwandel abgebremst wird, damit Kleinbauern überleben können. Warum sollte man das tun? Hätten wir in den letzten 150 Jahren den Strukturwandel verhindert, dann hätten wir heute noch 80 Prozent Bauern. Dann gäbe es noch zigtausende Greißler und Schuster, die alle von Förderungen lebten. Das kann kein Staat, keine EU finanzieren, das würde unseren Lebensstandard atomisieren.
Daher sind auch alle Neidargumentationen falsch, die lustvoll die Förderungen für Großbauern oder für Prominente auflisten. Kleinheit soll und darf künftig kein Förderungsgrund mehr sein. Sonst müsste man ja auch den ÖBB, dem weitaus meistgeförderten Betrieb Österreichs, alle Gelder streichen und nur ein paar kleine Privatbahnen subventionieren.
Ökonomisch wäre es viel sinnvoller, wenn wir viel weniger, dafür große, schlagkräftige und unternehmerisch geführte Betriebe hätten.
Was wirklich förderwürdig ist, hängt nicht mit der Größe zusammen. Legitim sind etwa etliche umweltbezogenen Fördermotive: etwa der Verzicht auf besonders wasserverschmutzenden Dünger oder der gesunde Mischwald anstelle von Monokulturen. Logischerweise dient es der Umwelt nicht, wenn das nur bei Kleinen gefördert würde.
Dasselbe gilt für die touristischen Fördermotive: Die Landschaft ist attraktiver, wenn auch entlegene Bauernhöfe bewohnt sind, wenn in den alpinen Regionen weiterhin Wiesen und Felder kultiviert werden und nicht alles dem sich ohnedies ständig ausbreitenden Wald geopfert wird.
Alles andere an der Agrarförderung ist unsinnig, belastet nur schwer die europäischen Budgets, verhindert Strukturwandel und schädigt die Dritte Welt, die gegen die künstlich verbilligten europäischen Lebensmittel nicht konkurrenzfähig ist.
Ob sich diese Erkenntnis gegen Europas – vor allem Frankreichs – mächtige Bauernverbände jemals durchsetzen wird? Neidargumente unseriöser Autoren helfen da aber sicher nicht weiter.
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Sehr geehrter herr Dr.Unterberger!
Diesmal kann ich Ihrem Kommentar (fast) nichts Positives abgewinnen.
Sie schütten das Kind mit dem Bade aus.
Natürlich gehört die Agrarförderung nach dem Giesskannenprinzip abgeschafft. Vor allem aber gehört sie den österreichischen Verhältnissen angepasst. Nicht die Quantität, sondern die Qualität gehört gefördert. Und die heisst nicht Agrarföreerung".
Alles was östlich von Scheibbs geschieht, die Zusammenlegung von Agrarflächen, unterstützt von Betriebsaufgaben der Nebenerwerbsbauern zu grösseren Aggregaten, macht Sinn und verbessert die Kostenstruktur der wachsenden mittelgrossen Bauern. Das sollte für den (österreichischen) Markt reichen.
Die meisten der verbleibenden Kleinbauern (westlich von Scheibbs, muss ja nicht unbedingt bis Nebraska reichen), dienen primär der Landschaftspflege, des Landschaftsschutzes und der für Österreich essentiell wichtigen Tourismusbranche.
Die Nahrungsmittelproduktion ist de facto schon seit langem ein Minusgeschäft, welches nur durch die Subventionen zu einem Nullsummenspiel mutiert.
Dieser Tatsache gehört umgehend Rechnung getragen.
Diese Bauern gehören verstärkt gefördert. Allerdings nicht unter dem Namen "Agrarförderung", sondern unter "Qualitätsförderung".
Die Direktvermarktung gehört umgehend liberalisiert und freigegeben!
Der Landschaftspflegeanteil gehört von der Allgemeinheit unter diesem Titel gefördert.
Vor wenigen Wochen war im ORF (ja machmal sendet der auch Sehenswertes) ein Bericht über eine westösterreichische Bergbauernfamilie zu sehen, der die Produktion und Vermarktung der eigenen Käseherstellung unmöglich gemacht wurde, weil die behördlichen Auflagen den Bau von 3 getrennten, verkachelten, mit Geräten im Wert von über Euro 60.000,00 ausgestatteten Räumen, vorsehen.
Damit kann man diesen "Zuerwerb" praktisch vergessen.
Begründung: EU-Auflagen
Ein weiteres Beispiel, wie man Betriebsauflagen, erstellt für grossstrukturierte europäische Betriebe, im Masstab von 1:30 (anscheinend das europaweit geltenden Umrechnungsmass für Österreich) umlegt, ohne nachzudenken.
Ich wage ja sogar zu behaupten, dass eine Entbürokratisierung der Direktvermarktung von bäuerlichen Produkten (der Markt soll entscheiden) a la longue die Subventionen in der heutigen Form drastisch reduzieren würde.
Ich kann mir nicht helfen. Aber unsere Interessensvertretung in der EU hat geschlafen, schläft und wird auch in Zukunft schlafen (Bis auf den einzigen Moment pro Monat, der sich Gehaltsüberweisung nennt)
Das Hauptproblem sind die viel zu niedrigen Ex-Hof-Verkaufspreise. Nehmen wir als Beispiel die Milcherbaueren. Da bekommen die Bauern ca. 30 Cent, während die Konsumenten in den Geschäften ca. das 3fache bezahlen. Um Milch regelmässig zu produzieren, müssen die Kühe jedes Jahr kalben. Auch die zu den Schlachthöfen abgelieferten Tiere werden nur zu sog. Weltmarktpreisen übernommen. Wieder kann der Landwirt nicht selbst kalkulieren und der Verkaufspreis liegt unter seinen Gestehungskosten.
Das Dilemma liegt also, dass
1. unsere meist kleinstrukturierten Bauern mit den völlig durchrationalisierten (fast vollautomatischen) Großbetrieben nicht wettbewerbsfähig sind,
2. die Konsumenten nicht bereit sind, für die Grundnahrungsmittel "Made in Austria" mehr zu bezahlen,
3. die Konsumenten den Qualitätsunterschied zwischen Produkten aus Tierfabriken und "normalen" Bauernhöfen meist nicht zu schätzen wissen und
4. die zwischengeschalteten Verarbeiter (z.B. Molkereien, Schlachthöfe, Getreidehandel) sowie der Einzelhandel (z.B. Supermärkte) die Erzeugerpreise diktieren.
Bemühungen von AMA und diverse Exportaktivitäten helfen wenig, daran etwas zu ändern. In der Schweiz hat man den Markt für die Grundnahrungsmittel weitgehend abgeschottet, damit die Landwirte "echte" Preise erzielen kölnnen. Ob dies eine langfristig gute Lösung ist?
Karl Friedrich Raiffeisen hat postuliert, daß in einer sich entwickelnden Gewerbe- und Industriegesellschaft die Vollversorgung von leistbaren Lebensmittel nur dann gewährleistet ist, wenn die Lebensmittelerzeugnisse nicht dem "freien Markt" ausgesetzt sind. Das bedingt naturgemäß Ausgleichszahlungen (Subventionen) durch das Gemeinwesen. Damals war die "Umweltpflege" noch kein so großes Thema. Das erklärte Ziel war nicht zuletzt die Lebensmittel-Selbstversorgung des Staates. Ich behaupte, daß dieser Gedanke auch heute noch seine Gültigkeit hat. Insbesondere für "Schwellenländer" - aber nicht nur.
Es ist immer wieder lustig, wenn sich hochsubventionierte - meist auch unnötige - Polit-Stellen über den Mangel an "freien Markt" bei der Lebensmittelproduktion beschweren. Zumal es noch dazu solche Stellen sind, bei denen das Wort "liberal" fast augenblicklich ein "Kerzerl" entzünden läßt. Denn im gleichen Atemzug weisen diese Stellen mit Abscheu auf den freien Lebensmittel-Börsenmarkt hin. Ein Markt, der andererseits aber gar nicht so "frei" ist. Sind diese Produkte doch auf Teufel komm raus subventioniert. Und zwar von Ländern, die wiederum fast als "Archetypen" des freien Marktes gelten... Delikat dabei, daß die Auswirkungen eines, wenn auch nur "virtuell" freien Marktes, für die "Schwellenländer", diesen Herrschaften ja bekannt ist. Wären die Bauern endlich SPÖ-ROT wäre das alles kein Thema.
Daß Subventionen nicht nur der Höhe, sondern auch ihrer Notwendigkeit nach ständig überprüft werden müssten, sollte eigentlich nicht extra erwähnt werden. Daß es dabei so ist wie beim Raiffeisengedanken ist leider die Praxis. Ideen werden pervertiert. Vom Raiffeisengedanken zur Raiffeisenorganisation.
Die Agrarförderung insgesamt bringt unzweifelhaft erhebliche Vorteile für den Konsumenten und den Erhalt kleinbäuerlicher Strukturen, die Förderung von industriellen Großbetrieben wie Agrana oder Rauch jedoch gehört sicherlich überdacht bzw. abgeschafft, denn diese kassieren den Löwenanteil dieser Subventionen.
An den Agrarsubventionen offenbart sich die ganze Widersprüchlichkeit und Scheinheiligkeit der menschlichen Gesellschaft. Und zwar weltweit.
Wir wollen einerseits billige Lebensmittel haben, müssen aber andererseits unsere "Urproduzenten" irgenwie bei Laune halten. In unserer Wohstandsregion Europa hätten wir sie weiters auch gerne als "Landschaftsgärtner" gehalten, ohne aber dafür zahlen zu wollen.
Dieses Thema kann weder durch eine Neiddiskussion zwischem Groß und Klein, noch durch singuläre Maßnahmen, auf Österreich alleine bezogen, gelöst werden.
Einen kleinen Einblick in die Komplexität dieser Materie bekommt man durch das Buch von Josef Reichholf: "Der Tanz um das goldene Kalb"
Die Agrarsubventionen sind leider ein weltweites Problem. So ist es damit z.B. afrikanischen Kleinbauern praktisch unmöglich, Lebensmittelexporte zu machen, da die Getreideprodukte aus den USA oder Brasilien am Weltmarkt so günstig angeboten werden, dass lokale Produktionen trotz sehr niedriger Stundenlöhne nicht mithalten können. So bleibt meist die afrikanische Produktion auf den Eigenbedarf beschränkt und die WTO-Mitgliedschaft verpflichtet sogar diese Regierungen, das günstigere Getreide ohne Importbeschränkungen hereinzulassen.
Manche NGOs verschenken sogar importierte Grundnahrungsmittel an die dortige arme Bevölkerung. Daher hat z.B. ein afrikanischer Landwirt kürzlich im BBC-Radio erklärt, dass es ihm nicht mehr möglich ist, seine bescheidene Hirseproduktion am nächsten Markt zu verkaufen. Fazit: er produziert keine Hirse mehr und stellt sich nun selbst bei einer Ausgabestelle an, um den Bedarf seiner Familie zu decken. Das ist doch eine tolle Entwicklungshilfe. Hat doch schon Bill Clinton gesagt: "It's the economy, stupid".
O.T.:
Wenn grüne Bundesvorstandsmitglieder aus ihrer grünen Parallelwelt wieder in den Alltag zurückkehren, dann gibt es manchmal erstaunliche Erkenntnisse, so wie gestern im Kurier Ex-Nationalrätin Monika Langthaler:
"Man muss aber selbstkritisch eingestehen: Die Grünen haben verabsäumt, neue spannende Leute anzuziehen - es wurden viele abgeschreckt.
Indem bei Schlüssel-Themen wie der Migration zu lange Schwarz-Weiß-Schemata verfolgt wurden. Bis vor Kurzem wurde jeder, der im Migrantenmilieu von Problemen sprach, schnell als Ausländerfeind punziert. Da war man realitätsfremd. Ich weiß das heute mit dem Blick aus der Distanz. Ein anderes Beispiel: Mein Mann sucht als Gastronom oft Mitarbeiter. Von 30 Bewerbern, die uns das AMS schickt, wollen 30 nicht arbeiten. Vor diesem realen Hintergrund muss ein Konzept wie die Mindestsicherung bestehen."