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Goethe für Politiker

Haben Sie geglaubt, Goethe sei ein Langweiler für Bildungsbürger? Weit gefehlt. Er war ein Prophet. Irgendwie muss der alte Herr Geheimrat nämlich die Diskussion um die notwendige Budgetsanierung in Österreich vorhergesehen haben, als er sein berühmtes „Hexeneinmaleins“ schrieb: „Du musst versteh’n, aus Eins mach Zehn, die Zwei lass gehen, die Drei mach gleich, dann bist Du reich“. Nach diesem Prinzip funktioniert die Diskussion der Reichensteuer, von der uns die Linke glauben machen will, dass sie alle unsere Probleme löst. Auch wenn sie nur an dumpfe Neidgefühle appelliert.

Ökonomen und Statistiker haben es bis zum Überdruss wiederholt: Mit dem Reichenschröpfen werden wir nicht weit kommen. Dazu gibt’s zu wenig Reiche. Und wenn Andreas Schieder, der auch im Sommerloch an seinem Arbeitsplatz zurückgebliebene Finanzstaatssekretär, jetzt auch noch die bösen feudalen Gutsbesitzer entdeckt, über deren Subventions-Abspecken er den Agrarsektor sanieren will, ist das nur der nächste Beweis, dass Ideologie mit dem kleinen Einmaleins auf Kriegsfuß steht.

Aber es entspricht halt so wunderbar dem weit verbreiteten Reflex, auf den die SPÖ-Gerechtigkeitskampagne setzt: Die Reichen sollen brennen. Und reich, das ist jeder der mehr hat als ich. Die Unsitte, den Stammtisch ins Fernsehen zu verlegen, liefert dann ordnungsgemäß den Beweis dafür. Denn ganz wie auf dem Boulevard, auf den man sonst so gern herabblickt, wird da der „Durchschnitts-Österreicher“ als Zeuge für die breite Zustimmung zum Generalangriff auf die Reichen ins linke Bild gerückt.

Eine IMAS-Umfrage hat gerade erst wieder bestätigt, wie verwirrt das Meinungsspektrum in diesen Fragen ist. Demnach sagen 66 Prozent, dass die Reichen viel mehr Steuern zahlen sollten. Aber ebenso viele Menschen geben zu Protokoll, dass wer viel leistet, auch viel verdienen soll. Dahinter steht natürlich der Generalverdacht – von SP-Politik und linken Medien geschürt -, dass „Reiche“ nichts leisten, sondern auf ererbten, erschlichenen, erspekulierten und/oder ergaunerten Geldbergen sitzen, die sie auch noch allesamt an der Steuer vorbeischleusen. Und so sehr es das auch gibt – die allzu lebendigen Beweise liefert uns seit Jahr und Tag ein Affären-Katalog von Elsner bis Hypo Alpe Adria -, es hat nichts mit einer notwendigen Budgetsanierung zu tun. Das alles sind Fälle für die Justiz – und die arbeitet, wie sich seit der Kulterer-Verhaftung plötzlich alle einmütig eingestehen.

Die kriminellen Fälle sind aber nicht die Mehrheit jener, die über Vermögen verfügen. Viele arbeiten hart, leisten viel, bleiben in der Legalität und nützen nur den vom Gesetz ermöglichten Rahmen, in Steuerfragen Kreativität von Experten walten zu lassen.

Bei manchen sehen das ja sogar die ideologischen Reichenjäger mit Bewunderung – bei einem Hannes Androsch etwa. Der übrigens seine eigene Partei warnt, ihre Sommerfestspiele mit dem Stegreifstück der Reichensteuer zu bestreiten. Er wisse, dass viele der Vermögenden bereits ihre Häuser verkaufen und ihren Wohnsitz aus Österreich wegverlegen. Doch diese Warnung vor einer außer Rand und Band geratenen Diskussion will plötzlich keiner hören, der sich sonst so gerne auf die Androsch-Expertise beruft.

Für die selbst verordnete Lähmung der ÖVP im Vorwahlsommer ist das Thema freilich auch bequem. Man kann einen sofortigen Diskussions-Stopp verlangen, ohne selbst etwas Konstruktives zum Thema Budgetsanierung beitragen zu müssen. Und die Opposition? Die ist nicht einmal imstande, für ein bisschen vorauseilende Budgetwahrheit zu sorgen. Vor lauter Erregung über Haider-Konten fehlte wohl die Energie der angekündigten Sondersitzungs-Marathons zur Erhellung des Notwendigen.

Sind die Politiker anderer Länder wirklich so viel dümmer als unsere, dass die nicht wissen wie Budgetsanierung à la Österreich geht? Von Pensionsalter-Hinaufsetzen über Mehrwertsteuererhöhungen bis zu Null-Lohnrunden und Kontrollen des sozialen Missbrauchs gibt es andernorts keine Tabus mehr, um zu retten, was zu retten ist. Schließlich befindet sich der Teil der Welt, zu dem wir uns zählen, nach der Immobilien- und der Finanzkrise ja mitten in der Staatsschuldenkrise. Und nur bei uns kommen Politiker ihren Wählern damit, diese angeblich mit der Robin-Hood-Methode lösen zu können.

Wer’s glaubt, wird zwar nicht selig, hat aber die Politiker, die er verdient.

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