Zwangsarbeit zur Aufrechterhaltung der äußeren Sicherheit

In der aktuellen Diskussion um die Wehrpflicht scheinen die Positionen zwischen der sozialistischen und der liberalen Seite auf geradezu groteske Art verdreht. Es ist kein Zufall, dass sowohl SPÖ als auch ÖVP noch vor einigen Jahren zum Teil konträre Positionen vertreten haben.

Wo soll man also als liberal denkender Mensch im Jänner sein Kreuzchen machen? Eine spannende Frage, da sich hier die Freiheitsrechte des einzelnen und eine der wenigen Pflichten, die auch ein Liberaler dem Staat zugesteht, diametral gegenüberstehen.

Die Verpflichtung zur Zwangsarbeit (und nichts anderes sind Wehr- und Zivildienst) gehört sicherlich zu den stärksten Eingriffen in die persönlichen Freiheitsrechte jedes einzelnen. Um es mit den Worten unseres Bundeskanzlerdarstellers zu sagen, der Staat stiehlt den jungen Männern 6 bis 9 Monate ihres Lebens (die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ist ein eigenes Thema, das separat zu behandeln wäre). In vielen Fällen betrifft dies nicht nur 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche und damit einhergehend einen fast kompletten Erwerbsausfall (also quasi eine 100 Prozent Steuer).

Diese moderne Form der Zwangsarbeit beinhaltet wochenlange Einsätze an der Grenze, bei der Grundausbildung und im Katastropheneinsatz, in denen die jungen Männer kaserniert sind und auch ihr privates und soziales Leben auf massive Weise beeinträchtigt wird. Eine Einschränkung, die man heutzutage nicht einmal mehr Asylsuchenden für einige wenige Tage zumuten will. Für Soldaten im Milizsystem (das in Österreich im Vergleich etwa zur Schweiz ohnehin ein Schattendasein führt) führt dies auch zu negativen Konsequenzen für den weiteren Berufsweg, wenn der Arbeitgeber den Milizsoldaten mehrere Wochen im Jahr freistellen muss.

Umgekehrt gehört die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit zu den zentralen Aufgaben eines Staates; eine der wenigen Aufgaben, die nur sehr schwer in private Hände gelegt werden kann. Für einen Staat, der von seinen Bürgern weiterhin für neutral gehalten wird, keine leichte Aufgabe. Bei den meisten Aufgaben des Zivildienstes fällt die Analyse schon deutlich schwerer. Die Aufrechterhaltung eines maroden Gesundheits- und Pflegesystems durch Zwangsarbeit zu ermöglichen, gehört eher nicht zu den Kernaufgaben des Staates. Das können Private besser (wie man bei den katholischen Ordensspitälern sieht).

Die zwangsweise Verpflichtung aller jungen Männer muss auch zu erheblichen Ineffizienzen führen. Maturanten, die Solitaire spielen, HTL-Absolventen, die Rollstühle schieben, Tischler, die Wache stehen, Ärzte, die Sandsäcke befüllen oder IT-Techniker, die Keller auspumpen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass hier wertvolle Ressourcen (die dem Staat nur durch Zwang zur Verfügung stehen), hochgradig ineffizient eingesetzt werden. Ließe man die jungen Männer in ihren Berufen arbeiten, könnten sie einen (monetär) viel höheren Beitrag zum Gemeinwohl leisten, einerseits durch den Mehrwert, den sie für sich und andere generieren, andererseits durch die (erheblichen) Steuern und Abgaben, die sie an den Staat abliefern müssen.

In einer arbeitsteiligen Welt muss ein spezialisiertes Berufsheer gesamtwirtschaftlich die effizientere Lösung sein, auch wenn die nominellen direkten Kosten für den Staat sicherlich höher ausfallen werden müssen, als dies heute der Fall ist (und als uns der Verteidigungsminister einzureden versucht).

Aber wie ist es mit dem erzieherischen Effekt? Tut es den jungen Männern nicht gut, wenn sie sich ein paar Monate für die Gemeinschaft einsetzen? Es mag schon der Fall sein, dass Wehr- oder Zivildienst für die persönliche Entwicklung des einen oder anderen förderlich sein kann, aber zwangsweise Werterziehung und Persönlichkeitsbildung erwachsener Männer können sicher nicht Aufgabe des Staates sein.  Wer sich gerne einbringen will und das für sich als bereichernd erfährt, hat viele Möglichkeiten: aber eine Zwangsverpflichtung mit potentiell ideologischer Schlagseite (insbesondere beim Zivildienst, wo das Innenministerium über die Zuteilung der Plätze entscheidet) ist problematisch.

Unterm Strich also ein klares Ja zur Aufgabe des Staates für äußere Sicherheit zu sorgen, aber die Verpflichtung, dies möglichst effizient und mit den geringsten Auswirkungen auf die persönlichen Freiheitsrechte des einzelnen zu tun. Und hier ist ein Berufsheer (in einem weiteren Schritt zusammen mit internationaler Arbeitsteilung mit verbündeten Staaten) wohl die bessere Variante.

Stephan Unterberger ist Ökonom und Mitarbeiter einer internationalen Finanzinstitution mit Sitz in der Schweiz.

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