Ein neues Rendi-Wagner-Schicksal?

Kurzfristig könnte man mit den Krokodilstränen, die in vielen Medien zum glanzlosen Absturz der SP-Vorsitzenden Dr. Rendi-Wagner vergossen wurden, ein emissionsfreies Kraftwerk betreiben. Man rühmt an ihr nun Talente, die in ihrer Amtszeit niemand bemerkt, geschweige denn gewürdigt hat. Und die sie wohl auch nie gehabt hat, sonst hätte bei der parteiinternen Abstimmung der Bonus der Amtsinhaberin zu mehr reichen müssen als zu bescheidenen 31 Prozent und damit zum dritten ist gleich letzten Platz der Mitgliedersympathien.

Pamela Rendi-Wagner kam aus dem politischen Nichts und kehrte jetzt dorthin zurück. Dazwischen war sie glücklos und vielleicht selber unglücklich. Sie wird von Kontaktpersonen als durchaus angenehm und in ihrem Fachgebiet kompetent beschrieben. Sie gäbe sicher eine freundliche Nachbarin in einer Vorstadtsiedlung ab. Aber als führende Politikerin war sie eine klassische Fehlbesetzung.

Bemerkenswert war ihre Amtszeit durch einen unberechenbaren Schlingerkurs in der Corona-Pandemie und durch eine unstillbare Forderungswut. Es gab etwa im vergangenen Winter Perioden, in denen sie pünktlich wie eine Präzisionsuhr jeden Tag entweder neue Staatsausgaben oder einen Einnahmenverzicht forderte.

Handlungsbedarf sahen breite Schichten der Sozialdemokratie nach den jüngsten Wahlkatastrophen in den Bundesländern.

"Pam", wie sie wohlwollende Zeitungsleute gerne nannten, stand dabei im wörtlichen Sinn auf verlorenem Posten. Die Landtagswahlen dieses Jahres brachten der SPÖ zum Teil die geringsten Stimmenprozente seit Kriegende 1945 und das Abrutschen auf die dritten Plätze wie in Niederösterreich und Salzburg. Dass die SPÖ gerade in diesen Bundesländern die möglichen Regierungsbeteiligungen verspielte, hätte hingegen nicht passieren müssen: In Niederösterreich etwa hätte man nur im Landhaus Platz nehmen müssen. Mit der an Absurdität nicht mehr zu überbietenden Drohung des Handabhackens durch Herrn Hergovich wurden die bereits terminlich vereinbarten Verhandlungen abgebrochen, bevor sie beginnen konnten.

In Salzburg haben die Wähler anders entschieden als erwartet. Die SPÖ stellte sich ins Schmollwinkerl. In beiden Fällen wäre Führungsqualität auf Bundesebene gefragt gewesen.

Dafür schaltete Rendi-Wagner in den letzten Tagen in ihrer Funktion als Klubobfrau im Nationalrat auf Totalopposition, die sich nicht mehr gegen die Regierung, sondern wegen der drohenden Strafzahlungen an die Europäische Union gegen den Staat und damit gegen die österreichische Bevölkerung richtete.

Wie weit ihr diese Art von politischem Handeln vorgegeben oder gar aufgezwungenen wurde, ist ungewiss. Für die sozialdemokratische Zerreißprobe, deren Augenzeugen wir wurden, war Rendi-Wagner jedenfalls nicht die Initiatorin, sondern bloß ungeliebter Anlass.

Mit der Begründung, sie sei als Frau gescheitert, lässt sich die staunenswerte Entwicklung aber nicht erklären. Der Niedergang der SPÖ begann mit ihren Vorgängern, und das waren Männer, doch keineswegs glanzvollere Erscheinungen. Genosse Gusenbauer verkam zum traurigen Zwischenspiel, Faymann blieb als ständig grinsendes Missverständnis in Erinnerung, und an Kern, der sich in der politischen Auseinandersetzung unfassbarer Methoden bediente, lässt sich nur sein erzwungener rascher Abgang als einigermaßen erfreulich werten.

Auch die beiden kandidierenden Rendi-Wagner-Nachfolger waren von vorneherein das Gegenteil politischer Zukunftsversprechen, und die weltweite Blamage der Ergebnisumkehrung bei der Parteitagsabstimmung kennzeichnet den Zustand der SPÖ noch deutlicher.

Dass nach der Veröffentlichung der Korrektur sofort der Verdacht aufkam, Doskozil sei am Samstag bewusst vorgereiht worden, wirft ein besonders aussagekräftiges Licht auf das Krankheitsbild der österreichischen Sozialdemokratie. Demnach solle das Märchen einer Computerpanne nur die Manipulation kaschieren, nachdem sie halt aufgeflogen war. Solches wird in internen Kreisen diskutiert. Das soll hier berichtet, aber als vollkommen nebulos nicht kommentiert werden.

Mit etwas Phantasie ist auch ein noch viel skurrileres Szenario denkbar: dass nämlich das am Samstag richtig verlautbarte Abstimmungsresultat auf Druck der mächtigen Wiener SPÖ und der Gewerkschaftsfraktion einfach mit der Computerausrede erst nachträglich ins Gegenteil verkehrt wurde. In der roten Gerüchteküche wird noch lange gekocht werden, zumal sich potente Medien ja auf Doskozil eingeschworen und seinen Sieg bejubelt hatten.

Aber nehmen wir probeweise einmal an, in der linken Szene sei – von einer technischen Panne abgesehen – alles mit rechten Dingen zugegangen und die Fakten stünden nun endgültig fest.

Die SPÖ wird ab sofort vom bisherigen Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler geführt, der in der Bundespolitik bisher keine Rolle gespielt und dementsprechend wenig Erfahrung hat – ein männlicher Rendi-Wagner sozusagen.

Man weiß von ihm wenig, wie man von Rendi-Wagner bei ihrem Amtsantritt wenig gewusst hat.

Er wird dem linken Flügel der Partei zugeordnet und soll die SPÖ-Wähler bringen, die zu den Freiheitlichen übergelaufen sind. Das heißt: Er soll jenen Teil der Bevölkerung, dem die SPÖ schon jetzt zu links war, durch eine noch linkere Politik zurückholen.

Wie sagt der Volksmund? "Nichts Genaues weiß man nicht." Es könnte Genossen Babler das Schicksal seiner Vorgängerin beschieden sein.

 

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war ab 1961 Mitarbeiter von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Hermann Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der konservative Publizist schreibt vorwiegend über gesellschaftspolitische, zeithistorische und lokal-geschichtliche Themen.

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