Wie ein Staatsoberhaupt sein Amt NICHT ausüben sollte

Selbst nach sieben Jahren in dieser Funktion scheint Alexander Van der Bellen immer noch nicht zu wissen, wie man sich im Amt des Bundespräsidenten korrekt verhält. Mit seinem Standpunkt, dass Österreich der Ukraine bei der Räumung von Landminen helfen sollte, kann und darf man durchaus sympathisieren. Die Ukraine ist das unschuldige Opfer eines verbrecherischen Angriffskriegs, und ihr Beistand zu leisten ist moralisch nicht nur erlaubt, sondern in einem gewissen Umfang sogar geboten.

Das Problem ist nur: Mit dem Konzept einer wie auch immer definierten Neutralität ist eine solche Hilfeleistung natürlich vollkommen unvereinbar. Man kann sich in diesem Kontext auch schwerlich auf das haarspalterische Argument zurückziehen, dass unsere Neutralität ja nur "militärischer" (und nicht politischer, wirtschaftlicher, moralischer, oder sonst irgendeiner) Natur sei: In einem Krieg geschieht die Verminung bestimmter Zonen vor allem zu militärischen Zwecken, weil man sich dadurch einen strategischen Vorteil verschaffen will; folglich wäre ganz zweifellos auch die Beseitigung der Minen – zumindest solange die Kampfhandlungen noch im Gange sind – eine Form der militärischen Unterstützung, weil sie diesen Vorteil wieder zunichtemacht. 

Der Einwand der Verteidigungsministerin, dass eine Beteiligung an der Räumung von Minen im Hinblick auf die von Österreich erklärte immerwährende Neutralität bedenklich erscheint, ist also sachlich völlig zutreffend; der Standpunkt des Bundespräsidenten erweist sich dagegen als äußerst fragwürdig. Nicht nur das, er ist auch intellektuell unredlich: Natürlich darf man sich wünschen, dass Österreich sich solidarisch an die Seite der überfallenen Ukraine stellte – aber dann sollte man auch ehrlicherweise dazusagen, dass dies ein Abrücken von der Neutralitätspolitik erfordern würde. Entweder man ist solidarisch, oder man ist neutral – aber beides zugleich geht nicht.

Noch schlimmer als die offenkundige Inkonsistenz der bundespräsidialen Gedankengänge ist aber, dass Van der Bellen diese der Bundesregierung vom Ausland aus über die Presse mitteilt, um sich auf diese Weise als Gutmensch zu profilieren und die zuständige Ministerin, die er offenbar in erster Linie als eine Vertreterin des gegnerischen innenpolitischen Lagers betrachtet, bloßzustellen. In der internationalen Politik ist eine solche Stillosigkeit ein absolutes No-No: ein schlimmer Fauxpas, den man sich vom Staatsoberhaupt einer Nation mit zivilisierten Sitten unter keinen Umständen erwarten würde. Das deutsche BVG hat voriges Jahr einen derartigen Fehltritt der (früheren) Bundeskanzlerin Angela Merkel – mit einiger Verspätung, aber immerhin – ausdrücklich als rechtswidrig beurteilt: Im Ausland agiert man überparteilich als Vertreter des eigenen Landes, nicht als Parteipolitiker.

Ganz unabhängig davon, welcher Standpunkt zu der Frage, ob die Neutralitätspolitik beibehalten oder abgeschafft werden sollte, sich letztlich als richtig herausstellt: Wenn es Van der Bellen wirklich um politische Ergebnisse geht, dann sollte er Vertreter aller im Parlament vertretenen Parteien diskret zu einem Gedankenaustausch bitten, aber nicht auf einer Pressekonferenz mit dem Sprachduktus der Unfehlbarkeit zwei miteinander inkompatible Standpunkte gleichzeitig vertreten.

Herr Bundespräsident, mit Verlaub, Sie sind mir peinlich.

 

Dr. Jakob Cornides ist Beamter der Europäischen Kommission, Generaldirektion für Außenhandel. Dieser Beitrag gibt die Privatmeinung des Autors wieder und ist der Institution, für die er arbeitet, in keiner Weise zurechenbar.

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