Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts

Kennen Sie diesen Witz noch? Was passiert, wenn in der Sahara der Sozialismus eingeführt wird? Zehn Jahre überhaupt nichts, und dann wird der Sand knapp. Er machte im real existierenden Sozialismus hinter vorgehaltener Hand die Runde. Jetzt könnte er im ehemaligen Westen wieder populär werden.

Allerdings dauert es hier keine zehn Jahre: extrem teure Energie, die bald nur noch eingeschränkt verfügbar sein wird, steigende Lebensmittelpreise, Lieferengpässe, Wohnungsknappheit, Fachkräftemangel etc.: Willkommen im Europa des Jahres 2022. Willkommen im Sozialismus, da Sozialismus immer Mangel bedeutet. Ein Gegenbeweis wurde noch nie erbracht. Neben Deutschland ist Venezuela eines der jüngeren Beispiele, wie Sozialismus wirkt.

Das Land hat mit mehr als 300 Milliarden Barrel die weltweit größten Erdölvorkommen und war einer der wohlhabendsten Staaten Lateinamerikas. Das Pro-Kopf-Einkommen lag doppelt so hoch wie jenes in Brasilien und sechsmal so hoch wie das in Bolivien. Dann kam Hugo Chávez und etablierte ab der Jahrtausendwende den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Im Gegensatz zu Kuba hatte Chávez sprudelnde Ölquellen, um seine linke Utopie zu finanzieren.

Eine Zeit lang ging das gut, war Venezuela ein soziales Schlaraffenland und Vorbild der Linken in Europa. Sie haben Chávez regelrecht verehrt. Sahra Wagenknecht bezeichnete ihn als "großen Humanisten", und die ewige SPÖ-Nachwuchshoffnung Julia Herr wollte das mordende und unterdrückende venezolanische Regime gar zum Vorbild österreichischer Politik machen.

Die enteignete und verstaatlichte venezolanische Ölindustrie lieferte das Geld für die linken Wohltaten. Aber nur kurz, da in die Instandhaltung und Modernisierung der Förderanlagen oder gar neue Bohrungen nichts investiert wurde. Die Produktion nahm stetig ab. Es kam, wie es kommen musste. Den Sozialisten gelang das Kunststück, trotz der größten Ölvorkommen auf diesem Planeten, das Land herunterzuwirtschaften, es in ein Armenhaus zu verwandeln.

Innerhalb weniger Jahre verlor Venezuela 80 Prozent seiner Wirtschaftsleistung.  Die Reichen verließen als erste das Land, danach die gut Ausgebildeten, später alle, die den Mut dazu aufbrachten. Mehr als sechs Millionen Venezolaner sind in den vergangenen Jahren vor Armut, Unterdrückung, Folter und Mordkommandos – "außergerichtliche Hinrichtungen" nennt die UNO diese staatlichen Morde verharmlosend – geflohen.

Selbst unter idealen Voraussetzungen gelingt es Sozialisten nicht, Wohlstand auf niedrigem Niveau dauerhaft zu gewährleisten, geschweige denn zu schaffen. Energie- und Lebensmittelknappheit, Hyperinflation, Versorgungsengpässe … alles hausgemacht. Weil dem so ist, müssen jene, die das laut aussprechen, verfolgt, die Presse- und Meinungsfreiheit unterdrückt werden. Die Ähnlichkeiten mit den aktuellen Entwicklungen in Deutschland oder Österreich sind nicht zu übersehen.

Sozialismus endet, egal ob unter Palmen oder im Norden, immer in Armut, Not und Unterdrückung. Genauso sicher ist, dass daran niemals die linken Ideologen und jene, die den Marxismus in die Praxis umsetzen, die Verantwortung tragen. Nachdem in Venezuela Toilettenpapier zu einem raren Luxusgut geworden ist, mussten selbst deutsche Salonmarxisten wie Wagenknecht oder die Mainstreamjournalisten eingestehen, dass der "Sozialismus des 21. Jahrhundert", den sie so lange bewundert und unterstützt haben, gescheitert ist. Aber eines stand für sie außer Frage: Für dieses Desaster, die Verelendung und die staatlichen Repressalien könne man nicht den sozialistischen Machthabern in Caracas die Schuld zuschieben. Für den Niedergang Venezuelas war – so das gängige linke Narrativ, also die Verschwörungstheorie – der fallende Ölpreis und die Amerikaner verantwortlich. Wer sonst?

Der "Spiegel" schrieb erst vor wenigen Tagen über die Zustände im Arbeiterparadies unter Palmen: "Der Wildwestkapitalismus in Venezuela lässt immer mehr Menschen verarmen." Auch für den "Spiegel" sind vor allem der "einbrechende Ölpreis" und der Kapitalismus die wahren Übeltäter. Eine ziemlich steile These, wenn man berücksichtigt, wie hoch der Wohlstand in anderen Öl produzierenden Ländern wie Katar, Bahrein oder Saudi-Arabien ist. Hier Armut, Hunger, dort Reichtum und moderne High-Tech-Metropolen.

Man könnte aus dem Beispiel Venezuelas, wie auch aus allen andern gescheiterten sozialistischen Gesellschaftsexperimenten, lernen. Könnte man. Doch dieser Ideologie, die auf völlig falschen Annahmen aufbaut und voller innerer Widersprüche ist, der das Scheitern einprogrammiert ist, gilt im politisch korrekten Europa als sakrosankt, als nicht mehr hinterfrag- und kritisierbar. Selbst für ehemals bürgerliche Parteien.

Das ist erstaunlich, zumal die Marktwirtschaft überall, wo die staatlichen Fesseln nicht zu stark angezogen sind, allgemeinen Wohlstand schafft und den Lebensstandard der Bevölkerung steigert, während der Sozialismus mit absoluter Verlässlichkeit Armut produziert. Was Linke allerdings wirklich gut beherrschen, ist Propaganda, ist Desinformation und Indoktrination.

So hat in Deutschland trotz aller negativen historischen Erfahrungen fast die Hälfte der deutschen Wähler für dezidiert linke Parteien gestimmt. Auch Union und FDP liegen in allen zentralen politischen Fragen links der Mitte.  Die Rechnung bekommen die Bürger bereits jetzt, wenige Monate nach ihrer Wahlentscheidung präsentiert.  Man bekommt, was man bestellt hat.

Die Grünen, die den vorpolitischen Raum fast vollständig besetzt haben, die über eine gewaltige kulturelle, mediale und zivilgesellschaftliche Vormachtstellung verfügen, sind die wahren Machthaber im Land. Und sie sind wild entschlossen, alle Fehler zu wiederholen, die Marxisten in der Theorie und Sozialisten in der Praxis seit über 100 Jahren immer und immer wieder begehen. Sie bestimmen die Richtung, SPD, FDP, Mainstreammedien, Wissenschaft, Kirchen, Kunst und NGOs folgen ihnen.

Die Energiewende ist ein durch und durch ideologisches Projekt, sie dient weniger dazu, das Klima zu retten, sondern die Kräfte des freien Marktes an einer besonders sensiblen und zentralen Stelle auszuschalten und durch eine Öko-Plan- bzw. Staatswirtschaft zu ersetzen. Dieses Vorhaben hat man bereits weitgehend umgesetzt. Die Folgen der De-facto-Verstaatlichung der Energiewirtschaft spürt mittlerweile jeder Bürger. Die Energiekosten gehören zu den höchsten der Welt und die Versorgungssicherheit ist massiv gefährdet. Linkes Business as usual.

Im Fall der linken Energiewende dient als politischer Aufhänger nicht der Klassenkampf, also die soziale Gerechtigkeit, sondern die Rettung der gesamten Menschheit. Angesichts dieser großen Aufgabe darf man dabei auch kompromissloser vorgehen, es geht schließlich darum, den Weltuntergang zu verhindern. Auch wenn Windräder, Solarzellen, Lastenräder und Elektro-Autos völlig untaugliche Mittel dafür sind.

Wie immer, wenn Linke Mangel produzieren und Elend verwalten, tragen andere dafür die Verantwortung. Was für Venezolaner der Amerikaner, ist für die  Deutschen aktuell der Russe. Dass die Energiepreise lange vor dem Krieg in der Ukraine nach oben geschnellt sind und sich die Energiewende schon vor der Gas-Verknappung als ein wirtschaftliches, finanzielles und soziales Desaster erwiesen hat, spielt für systemtreue Experten und Journalisten keine Rolle. Putin hat nichts mit der gezielten Verknappung und Verteuerung der Stromproduktion zum Zwecke der CO2-Reduktion und der Abschaltung der Kernkraftwerke zu tun. Zudem ist jeder Staat selbst dafür verantwortlich, sich um seine Energieversorgung zu kümmern und langfristig zu planen.

Dass sich immer mehr Bürger das Leben nicht mehr leisten können und im kommenden Winter frieren werden, dient schließlich einem oder gleich mehreren hehren Ziele: Sie kämpfen gegen Putin und die Klimaapokalypse. Beides allerdings mit mäßigem Erfolg. Es geht aber ohnehin nur um Haltung, nicht um reale Effekte. Wirtschaftsminister Robert Habeck, der ideologische Kopf der linken Regierung, fordert die Deutschen auf, kürzer zu duschen, und Netzagentur-Chef Klaus Müller sagte in der ARD: "Und ja, dazu gehört auch der Pulli, der Duschkopf, die Heizung ein bisschen runterstellen. All das hilft." Auch weniger essen ist gesund. Jede Wette, dieses Argument wird schon bald in den Medien auftauchen.

Das ist linke Politik in ihrer reinsten Form. Die Ampel wird diesen Weg Richtung Mangel, Not und Elend konsequent weitergehen, zumal bei ihr nicht das Wohlergehen der Bürger, nationale Interessen und eine prosperierende Wirtschaft im Vordergrund stehen, sondern linke Utopien. Man könnte mit effizienten Maßnahmen und klugen Strategien auf die aktuellen Entwicklungen reagieren, wie das andere europäische Regierungen tun, um u.a. eine verlässliche Energieversorgung zu vernünftigen Preisen gewährleisten zu können. Doch es geht nicht um Vernunft und auch nicht um Klimaschutz, sonst hätte der Atomausstieg längst rückgängig gemacht werden müssen.

Weil das alles auf der Hand liegt, und ein – wenn auch kleiner – Teil der Bürger das auszusprechen wagt, muss die Linke in Deutschland, so wie überall auf der Welt, mit der Unterdrückung von Andersdenkenden ihre alternativlose Politik schützen und für Ruhe sorgen. In Venezuela passiert das mit brutaler Gewalt, in Deutschland etwas eleganter mit sozialem und wirtschaftlichem Druck. Motive und Ziele sind dieselben. Die deutschen Mainstreammedien haben sich selbst gleichgeschaltet, in allen zentralen Themenstellungen liegen sie mit der Ampel auf einer Linie.

Das politmediale Establishment baut mit Eifer unsere Gesellschaft um, zelebriert den Pride-Month, sorgt sich um die Rechte von sexuellen Mini-Minderheiten, wälzt Genderfragen und spielt dem Menschen eine Normalität vor, die es dank linker Politik – Energiewende, Masseneinwanderung, Schulden- und Umverteilungspolitik, Geldentwertung etc. – längst nicht mehr gibt. Man verkauft den Bürgern die aktuellen krisenhaften Entwicklungen entweder als eine Art Naturkatastrophe, auf die man keinen Einfluss hat, wie etwa die Inflation, oder als alternativlose Maßnahmen, die eben sein müssen, wie die Sanktionen gegen Russland, die Massenzuwanderung etc. Allerdings gibt es Gegenbeispiele, Länder, die zeigen, dass man auch einen anderen Weg als den ins eigene Verderben einschlagen kann, wie etwa die Schweiz oder Ungarn. Man muss es nur wollen.

Doch die Ampel in Berlin ist dazu weder willens noch in der Lage. Man verachtet Länder wie Ungarn und Politiker wie Viktor Orbán und beschäftigt sich mit Randthemen, Scheinproblemen, linker Ideologie und verwaltet im besten Fall die Krisen, den kulturellen und wirtschaftlichen Niedergang. Man agiert wie ein politischer Konkursverwalter. Deutschland hat den sozialistischen Weg Venezuelas eingeschlagen: Inflation, Energiepreise, Wohnungsnot, Lieferengpässe, Fachkräftemangel, Verstaatlichung der Energiewirtschaft und Leistungsträger, die das Land verlassen, sprechen eine deutliche Sprache.

Um diesen hausgemachten Niedergang zu verschleiern und umzudeuten, braucht es da wie dort flächendeckende Staatspropaganda, Desinformation und die Unterdrückung anderer Meinungen. Weil man in Deutschland effizienter und strukturierter vorgeht, werden auch die Zersetzungsprozesse schneller und organsierter als in Venezuela ablaufen.

Wenn alles in Trümmern liegt, werden die politischen Verantwortungsträger und jene, die sie gewählt oder medial unterstützt haben, der festen Überzeugung sein, dass sie die eigentlichen Opfer der Umstände, der Kapitalisten, der Faschisten etc. sind. Einmal mehr will danach niemand dabei gewesen sein, weshalb das nächste linke Experiment nach einer Aufbauphase erneut gestartet werden kann.

Werner Reichel ist Journalist und Autor. Sein aktuelles Buch "Die kinderlose Gesellschaft" ist im Frühjahr 2022 im Freilich-Verlag erschienen.

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