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Sonderbare Interpretation der internationalen Verpflichtungen durch Österreichs Staatsspitze

Die in der öffentlichen Diskussion über eine Wahlbeobachtung der dritten Runde der Präsidentschaftswahlen durch die OSZE getätigten Aussagen des Herrn Bundespräsidenten (ORF-Pressestunde 3.7.2016: „OSZE-Beobachter einzuladen, […] von unserer Seite nicht notwendig“), des Herrn Bundeskanzlers (ORF-Sendung „Im Zentrum“ 3.7.2016: „…Wahlbeobachtungen sind Instrument für Wahlen in instabilen Demokratien […] Einreihung in Staaten wie Kasachstan, Kirgistan, Weißrussland“) oder von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ORF-Sendung Hohes Haus 3.7.2016 „Österreich kein Kandidat für OSZE-Beobachter“) lösen Erstaunen aus. Denn offensichtlich herrscht bei den Spitzenvertretern unseres Staates Unklarheit über die von Österreich eingegangenen internationalen Verpflichtungen.

Die aus der KSZE hervorgegangene und in Wien angesiedelte „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) widmet sich auf der Grundlage eines umfassenden Katalogs politischer Verpflichtungen der Sicherheitszusammenarbeit und Konfliktprävention. Ein Kernstück der OSZE ist die sogenannte „Menschliche Dimension“, die Gesamtheit der Aktivitäten mit dem Ziel der Wahrung der Menschenrechte sowie der Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Zur Wahrnehmung dieses Mandats wurde in Warschau das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR/ODIHR) eingerichtet, welches mit der Entwicklung nationaler Wahl- und Menschenrechtsinstitutionen sowie Wahlbeobachtungen befasst ist und durch technische Hilfe die Entwicklung nichtstaatlicher Organisationen und der Zivilgesellschaft fördern soll.  

OSZE-Wahlbeobachtungen

Ziel solcher Wahlbeobachtungen ist, die Einhaltung der Verpflichtungen zur Sicherung eines demokratischen Wahlprozesses (allgemein, gleich, geheim, frei, transparent) zu bewerten, sowie Teilnehmerstaaten bei der Verbesserung von Wahlprozessen zu unterstützen. Eine Wahlbeobachtung beginnt bereits Monate vor der Wahl und endet mit einem Abschlussbericht, der gegebenenfalls Vorschläge zur Verbesserung des Wahlprozesses enthält.

In seiner Methologie hat das BDIMR/ODIHR grundsätzlich zwei Typen von Wahlbeobachtungen entwickelt: die vollständige Wahlbeobachtungen mit einer größeren Anzahl von Wahlbeobachtern am Wahltag, die flächendeckend in den Wahllokalen präsent sind, sowie die eingeschränkte Wahlbeobachtung durch Experten und allenfalls weniger Wahlbeobachter vor Ort in ausgewählten Wahlsprengeln am Wahltag. Ihnen voran geht eine „Mission zur Bewertung der Notwendigkeit zur Wahlbeobachtung“ („needs assessment mission“), die die Grundlagen zur Entscheidung ausarbeitet, ob und in welchem Ausmaß eine Wahlbeobachtung erfolgen sollte.  

Einladung an OSZE zu Wahlbeobachtungen verpflichtend

Basis für die Institutionalisierung der Wahlbeobachtung sind Beschlüsse der OSZE-Teilnehmerstaaten, die bei verschiedenen Treffen einstimmig angenommen wurden (u.a. Kopenhagener Dokument 1990, Dokument von Rom 1993, Abschlussdokument des Gipfeltreffens von Budapest 1994, Dokument von Istanbul 1999, 14. Ministertreffen in Brüssel 2006). Wenngleich diese Dokumente keine völkerrechtlichen Verträge darstellen, so sind sie politische Absichtserklärungen, die von allen OSZE-Teilnehmerstaaten (mittlerweile 57) einstimmig abgegeben wurden und somit auch für Österreich als Teilnehmerstaat der OSZE (politisch) verbindlich sind. Manche Experten wollen sogar schon die Entwicklung eines Völkergewohnheitsrechtes erkennen.

Zutreffend ist, dass ursprünglich die primäre Zielgruppe der „Menschlichen Dimension“ – und damit der Wahlbeobachtungen – die neu entstandenen Demokratien Europas nach dem Zusammenbruch des Kommunismus waren. Daher konnten z.B. in Österreich mangels gesetzlicher Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen bis 2007 auch keine Wahlbeobachtungen stattfinden.

Seit 2000 Wahlbeobachtungen auch im „Westen“

Doch ab dem Jahre 2000 wurden von der OSZE vermehrt auch Wahlen in etablierten Demokratien des „Westens“ beobachtet. Ob USA, Deutschland, Dänemark oder Schweiz – mittlerweile wurden OSZE-Wahlbeobachtungsmissionen schon in fast alle „westlichen“ Teilnehmerstaaten entsandt. Auch Österreich vermochte sich dem zunehmenden Druck zur Ermöglichung von OSZE-Wahlbeobachtungen nicht länger zu entziehen und traf entsprechende rechtliche Vorkehrungen. Mit der Novelle 2007 zur Nationalratswahlordnung wurde der § 20a eingeführt, demzufolge das „Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten“ (nunmehr „Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres“) die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und deren Teilnehmerstaaten zur Entsendung von internationalen Wahlbeobachtern einladen kann.

Akkreditierte Wahlbeobachter haben uneingeschränkt Zugang zu allen Wahllokalen sowie zu den Sitzungen der Wahlbehörden. Weiters haben sie unter anderem das Recht zur Einsichtnahme in Wählerverzeichnisse und Akten über Einsprüche und Berufungen, auf Begleiten der „fliegenden Wahlbehörden“ und darauf, eine Zusammenstellung des Stimmenergebnisses zu erhalten.

Säumig bei der Umsetzung seiner OSZE-Verpflichtungen ist Österreich jedoch bei der Zulassung von innerstaatlichen Wahlbeobachtern (Domestic Observers). Diese sind gesetzlich weiterhin nicht vorgesehen. Ebensowenig wie die von Vizekanzler Mitterlehner in der ORF Sendung „Im Zentrum“ (3.7.16) vorgeschlagenen „Wahlbeobachter aus den Landesregierungen in den Bezirkshauptmannschaften“ .

OSZE-Wahlbeobachtungen in Österreich seit 2010

Ab 2007 hat das Außenministerium jeweils eine Einladung an die OSZE zur Wahlbeobachtung von bundesweiten Wahlgängen ausgesprochen. Erstmals hat das BDIMR/ODIHR zu den Bundespräsidentenwahlen 2010 eine „Bewertungsmission“ entsandt. Anlässlich der Nationalratswahl 2013 fand auf Grund der Ergebnisse der „Bewertungsmission“ eine Beobachtung durch Experten am Wahltag statt. Bei der Bundespräsidentenwahl 2016 beließ man es bislang bei der Abhaltung einer „Bewertungsmission“.

BDIMR/ODIHR fasste die Ergebnisse der Wahlbeobachtung 2013 kurz und präzise zusammen: „Die österreichische Rechtsordnung bietet eine sichere Grundlage für die Abhaltung von demokratischen Wahlen, aber eine größere Transparenz ist erforderlich“.

An dieser Erkenntnis hat sich bis heute nicht geändert.

Fazit: Nicht die OSZE-Teilnehmerstaaten bestimmen, ob eine Einladung von OSZE-Wahlbeobachtern „notwendig“ ist, sondern das Aussprechen einer Einladung ist Pflicht, und es obliegt ausschließlich der OSZE bzw. dem BDIMR/ODIHR darüber zu befinden, ob eine Wahlbeobachtung notwendig ist.

Dr. Harald W. Kotschy war Österreichischer Vertreter bei der OSZE /“Menschlichen Dimension“ (2002-2010) und OSZE-Wahlbeobachter (Mazedonien und Kosovo,1998-2008)

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